Month Juli 2016

Mein Kosmopolitismus

Die NZZaS schrieb kürzlich über Kosmopolitismus. Mein Thema. Ich befürworte eine Weltregierung; eine Welt ohne Geld, dafür mit viel Forschung und Entwicklung. Über mein Gefühl als Weltenbürger berichte ich heute.

DBE-Föderation

Ich fühle mich als Weltenbürger. Ich fühle mich diesem Planeten, dieser grossartigen Zivilisation verpflichtet. Ich bedauere aber die Kleinstaaterei. Ich bedauere alle Handelsbarrieren. Ich bedauere, dass wir noch keine achtsame Weltöffentlichkeit geschaffen haben, wo globale Themen besprochen werden.

Die Sehnsucht einer Weltvereinigung verfolgt und beschäftigt mich seit meiner Kindheit. Das war schon immer mein Traum. Folglich interessierte ich mich für die Welt. Ich war in Karten und Geschichten vernarrt. Ich wollte begreifen, wieso wir hier so viel Geld haben und wieso andere so wenig. Ich glaube, ich habe allmählich begriffen.

Ich wollte Wege aufzeigen, wie wir uns alle friedlich vereinigen könnten. Ich war bemüht, in ganz kleinen Schritten mich diesem Ziel zu nähern. Aber ich erlitt auch etliche Rückschläge, bin je länger je mehr enttäuscht, resigniert worden. Dennoch bin ich weiterhin von der Vision einer Weltregierung befeuert. Ich werde immer diese grosse Sehnsucht haben.

Ich weiss aber zugleich, dass wir in diesem Jahrhundert diesen Wunsch nicht erfüllen werden können. Momentan geht’s dem aktuellen System noch “zu gut”. Der Schmerz ist noch nicht hart genug. Viele profitieren noch. Und jene, die offensichtlich es nicht tun, verursachen noch zu wenig “Ärger”. Damit wir die nächste Stufe überhaupt gedanklich besteigen können, benötigen wir (nochmals) eine akute Not einer drohenden Selbstzerstörung. Ein “fetter” Weltkrieg mit 200 Millionen Toten könnte etwas begünstigen.

Oder verheerende Katastrophen, weltweite Dürren, vernichtende Meteorriten oder ausserirdische Erstkontakte könnten nachhelfen, meine Vision beschleunigen. Doch solche spektakulären Ereignisse sichte und vermute ich nicht in naher Zukunft. Ich werde also diesen grossen Traum niemals verwirklichen oder zeitlebens miterleben dürfen. Das ist tragisch, das ist sehr bitter für jemanden, der wirklich leidenschaftlich zeitlebens dafür schmachtete.

So schliesse ich meinen Kosmopolitismus als bloss ideellen. Die Wirren der Tagespolitik ignoriere ich gönnerhaft. Hier und da, wenn das Tagesgeschehen mich provoziert, entflammt mein Kosmopolitismus sich zu einer heissen Stegreifrede zugunsten einer fortschrittlichen Weltföderation. Ab und an. Meistens jedoch lehne ich mich zurück, im vollsten Bewusstsein wissend, dass ich auf verlorenem Posten harre und erwarte das Ende meiner Zeit.

Die unerfüllte Befriedigung

Wir sind Weltmeister darin, Bedürfnisse sexueller Art zu schaffen. Wir sind gleichzeitig Weltmeister darin, sie nicht zu befriedigen. Das ist gefährlich. Aber wer spielt mit uns? Willkommen.

Ja, ich weiss, man sollte nicht immer denselben Autor zitieren. Aber ich kämpfe mich jetzt dort durch. Ich lasse mich inspirieren. Und ich unterschreibe, weil zitiere fast alles. Heute aus Die Möglichkeit einer Insel:

Die sinnliche Begierde bis ins Unerträgliche zu steigern und deren Befriedigung immer mehr zu erschweren, das war das Grundprinzip, auf dem die westliche Gesellschaft basierte.

Doch nun zum Bild.

DBE-Jack-Daniels-Shirt

Junge Mädchen mit abgewetzten Jack Daniel’s Shirts repräsentieren diese unerfüllte Befriedigung. Nicht genug, dass ein bereits entwickelter Busen durchdrückt. Nein, schlimmer noch, dass die Aussage des Shirts irritieren kann. Was will mir eine 16-Jährige demonstrieren? Dass sie Alkohol liebt? Dass sie eng es liebt? Dass sie gerne es zu kreischen liebt? Ich weiss es nicht. Ich weiss bloss, dass es immer auch ganz anders sein kann. Willkommen. 

Widerstand ist zwecklos

War da was? Terroranschläge? Amokläufe? Oder blosser Spassterrorismus? Meine selektive Wahrnehmung, die auch sorgfältig meine Medienquellen selektiert, schont mich, dass ich nicht immer mich erinnern muss, dass Widerstand zwecklos ist. Ich glaube, es ist überflüssig, dies meiner Leserschaft nochmals zu verdeutlichen. Daher bitte ich euch, macht einfach weiter wie bisher, fürchtet euch nicht. Verschwendet Geld, verreist irgendwohin und sehnt, sucht und strebt, meinetwegen auch ins Unendliche.

DBE-Picard-Borg

Was wäre wenn?

Was wäre, wenn ich fünfzig Millionen hochliquide gebunkert hätte? Was würde das mit mir machen? Was mache ich damit? Willkommen in den seelischen Abgründen.

DBE-Koks-Nutten

Geld korrumpiert. Ich hasse Geld. Ich brauche Geld. Ich will eigentlich kein Geld. Aber ich brauche Geld, viel Geld. Ich sehne mich durchaus nach finanzieller Unabhängigkeit. Ich will Anzüge kaufen können, ohne rechnen und budgetieren zu müssen. Ich will verreisen, ohne jeden Franken mühsam absparen zu müssen. Ich will mein Umfeld immer zum Essen einladen, ohne einen Moment zögern zu müssen.

Was wäre wenn

Aber was wäre, wenn ich quasi unbegrenzte Mittel hätte? Was würde ich tun? Gewiss würde ich mir Anzüge massschneidern lassen. Ich würde mein Umfeld stets einladen und ich würde so viel und so gerne verreisen. Ich würde meinen virtuellen Kosmopolitismus, der schon seit Kindheit ausgeprägt ist, in einen realen aufwerten. Ich würde mir einen rassigen Mercedes-AMG GT leisten und als Mobility Gesellschaftler mich einkaufen. Ich würde mir ein schmuckes Boesch Boot am Zürisee platzieren. Ich würde alle wesentlichen Bars in Olten kapern.

Und mein Ego?

Und wie würde ich zwischenmenschlich werden? Das ist knifflig. Wäre ich plötzlich ein arrogantes Arschloch, das sein Umfeld nur noch verachtet? Würde ich dann mich zur beispiellosen Leistungselite küren? Und jeden Punk in Olten bespucken? Wie würde ich meine Frau behandeln? Wie würde sich aus auf meinen Selbstwert auswirken? Ich glaube, ich hoffe, ich wäre noch derselbe. Ich habe keine Absicht, mich zum Arschloch zurückzuentwickeln. Aber ich weiss, Geld verändert einen, verändert die Sicht auf die Dinge und so. Davor fürchte ich mich immer.

Das tägliche Beziehungstemperaturmessen

O. hat heute eine grandiose Zusammenfassung gängiger Verhaltensmuster verlinkt. Menschliche Beziehungen werden aufgrund der Mehrinformation immer komplizierter. Niemand ist verwundert, wenn die Hälfte aller Beziehungen scheitern. Ich möchte euch daraus eine Technik vorstellen: das tägliche Beziehungstemperaturmessen.

Meine Beziehungen sind bis jetzt fast alle gescheitert, irgendwie. Sie werden auch immer wieder scheitern, wenn man sein Verhalten nicht selber sowie mit dem Partner reflektiert. Denn gewisse Muster im Verhalten können und werden sich nicht “von alleine” lösen. Ich rette lieber einen Planeten als ich mein oder das Verhalten meiner Mitmenschen zu ändern riskiere. Doch ganz unmöglich ist’s nicht, aber es ist harte Arbeit, anstrengend.

Im Artikel O. werden diverse Verhaltensmuster aufgedeckt und diverse Techniken empfohlen. Eine Technik hat mich begeistert. Es ist das Beziehungstemperaturmessen. Das Paar misst, liest einander täglich und soll so einander ungeteilte, uneingeschränkte Aufmerksamkeit spendieren.

Zum Aufbau

Das Paar rückt zueinander; idealerweise Knie gegen Knie, die Hände gegenseitig haltend. Kein Fernsehen im Hintergrund. Das Paar fokussiert sich. Das Paar lernt so einander sich achtsam und wertfrei zuzuhören. Also, in grosser Nähe müssen folgende fünf Fragen abwechselnd beantwortet werden.

  • Eine Würdigung aussprechen: Das Paar würdigt, anerkennt und lobt eine Tat des anderen. Und dankt, dankt von Herzen. Keine Bewertungen, keine Folgediskussionen oder keine Selbstüberhöhung, dass Partners gute Tat bloss die Folge einer eigenen oder so war.
  • Neue Informationen teilen: Das Paar teilt Informationen über sich selber. Diese Informationen müssen nicht unbedingt die Paarbeziehungen im strengsten Sinne betreffen. Damit lässt man das Gegenüber teilhaben; teilhaben in seiner Informationswelt. Das können Informationen sein wie “Ich habe herausgefunden, dass alle Römer doof sind” oder “Mich beschäftigt meine Masterarbeit nicht”. Doch auch hier muss man den Fokus behalten; man darf nicht abschweifen, sondern muss zuhören können. Also keine Seitendiskussionen oder irgendwas anderes damit und dadurch anzetteln. Zuhören können.
  • Bruchstücke sammeln: In vielen Situationen versteht man einander nicht. Aber im Hektik des Alltages oder wegen falscher Scham erkundigt, interveniert man nicht rechtzeitig oder ausreichend genug. In dieser Kategorie kann man etwas nachfragen, das einen gerade beschäftigt. Beispiele sind hier “Wieso hast du schlecht geschlafen?”. Solche Fragen müssen aber nicht zwingend auf den Partner zielen; sie können ebenso sich selber hinterfragend sein wie “Wieso werde ich immer so sehnsüchtig?”. Es geht hier nicht darum, diese Fragen beantworten zu können; das primäre Ziel dieser Kategorie ist, auch hier seinem Partner teilhaben zu lassen, was einen beschäftigt und bewegt.
  • Eine Veränderung bewirken: Und nun kommt der kniffligste Part. Es ist so schwer, nicht beleidigend, wertend oder sonstwie zu sein. Wortwahl wie Satzaufbau entscheiden; es gibt Sprachschablonen, um eine solche Kommunikation zu üben. Ich habe eine kleine Anleitung beigefügt. Man startet mit einer Beobachtung, die ein Gefühl auslöst, weil ein Bedürfnis verletzt ist und endet mit einer Bitte.
  • Träume teilen: Wir haben alle grosse und kleine Sehnsüchte, Träume und irgendwelche Vorstellungen. Hier macht’s den Unterschied, ob man sie freigibt oder nicht. Das können vermeintliche Kleinigkeiten sein wie nicht zu viel am Wochenende für die Schularbeit zu krüppeln oder Grossartiges wie Ferien in Teheran geniessen zu wollen.

Meine Meinung

Ich gestehe, dass ich diese Technik privat bisher nicht getestet habe. Aber im beruflichen Kontext verwende ich sehr ähnliche Techniken, um die Erwartungen, die Emotionen meiner Stakeholder gegenseitig verständlicher und zugänglicher zu machen. Wieso ich das privat unversucht liess, war einerseits Scham und andererseits Stolz, es nicht nötig zu haben. Scham und falscher Stolz bremsen, blockieren denn auch fast immer eine Beziehung.

Der faustische Drang ins Unendliche

Ein ominöser faustischer Drang ins Unendliche befeuert mich. Ich möchte diesem Feuer näherrücken; es verstehen und erklären. Und meine Leserschaft wie immer teilhaben. Willkommen.

DBE-Faust

Ich trotze dem Gleichschritt, ich trotze dem Trott. Ich verabscheue Mittelmässigkeit und Normalität. Ich gratwandere, ich experimentiere mit Grenzen und übersteige sie und mich selber. Dieser überhöhte Selbstanspruch dämpft denn auch meinen Selbstwert, wie ich kürzlich eingestehen durfte, weil Wunsch und Wirklichkeit einander zuweilen widersprechen. Bin ich bloss vollends durchgeknallt-bekloppt oder birgt darin sich mein Eros, versteckt darin sich meine Lebensenergie und meinen -hunger?

Auf Spurensuche

Der Fauststoff beschäftigte Generationen; ein Wikipedia-Artikel hat alles Grosse und Kleine aufgearbeitet. Darin ist unter anderem auch zusammengefasst:

Faust ist der über seine Grenzen hinaus strebende Mensch, der im Konflikt zwischen egozentrischer Selbstverwirklichung und sozialer Anerkennung steht.

Das ähnelt dem Konstrukt des Gleichgewichtes, dessen Unausgeglichenheit meinen Selbstwert reduziert. Faust balanciert zwischen Selbstverwirklichung und Anerkennung; er will Grenzen überschreiten. Schliesslich verbündet sich Faust mitm Teufel. Der Teufel verheisst grenzenlose Grenzüberschreitungen, knüpft das aber wiederum an klassischen Bedingungen wie mangelnde Liebensfähigkeit. Soviel zum eigentlichen Faust.

Die faustische Kultur

Freilich bin keine literarische Figur. Ich identifiziere mich nicht mit irgendeinem Faust. Faust verschafft Kontext, um verstehen zu können, was der faustische Drang, Streben ins Unendliche ist. Ich bin hier inspiriert, ja sehr beeinflusst worden vom Untergang des Abendlandes, dieses schwere und mühsame Buch, das pünktlich 1918 erstmalig erschien und gross und breit rechtfertigte, wieso “denn alles, was entsteht, ist wert, dass es zugrunde geht”. Darin unterscheidete Spengler zwischen drei Kulturseelen: Die apollinische, die magische und schliesslich die faustische. Die westliche Hemisphäre ist gemäss Spengler sehr faustisch ausgeprägt.

Der unendliche Drang ins Unendliche

Ich begreife diesen Drang als Zwang, sich nicht zu begnügen. Weder mit sich selbst noch mit der Umwelt. Das ist nicht bloss eine Form der Gier, die sich darin zeigt. Sondern es ist auch eine Form der unendlichen Leidenschaft, Dinge zu verstehen, Dinge zu begreifen und natürlich Dinge auch zu beherrschen. Es ist der ultimative Wille zur Macht, die ultimativ entschlossen ist. Die westliche Zivilisation zum Beispiel kann nicht ruhen, bis überall “Demokratie”, “Menschenrechte” umgesetzt und Einfuhrzölle abgesetzt sind. Ich beispielsweise werde nicht sterben, bevor ich mein epochenmachendes Werk vollbracht habe.

Der faustische Charakter

Wer faustisch sein Leben skizziert, gewinnt eine gewaltige Entschlossenheit, die vieles ausblenden, ignorieren oder als Übel abtun kann. Meine berufliche Karriere, die mich nicht wirklich erfüllt-beseelt, kann ich damit problemlos als notwendiges Provisorium weglegen und auf meine wahre Berufung mich fokussieren. Wer faustisch denkt, der wird sich nicht mit Kleinigkeiten gedulden; er will skalieren, die Breite und Tiefe erschliessen. Er will den Raum erobern.

Mein Feuer

Ich brenne. Ich will leben, ich will erobern. Ich will alles erfahren. Ich bewege mich im kompetitivsten Markt wohl, in der abgefucktesten Branche wohl. Hier will ich mich als Prototyp veredeln lassen. Und danach verlasse ich diese Welt. Ich werde drei Romane verfassen. Einen Gesellschaftsroman alter Schule, eine Dystopie und eine Utopie. Und danach werde ich mich vollends ums private Glück kümmern. Ich werde mich verabschieden, die Welt bloss noch beobachten. Hier und da einige Aphorismen kundgeben. Im Privaten meine Meinung äussern. Bis dahin ist’s ein weiter Weg, aber der faustische Drang belebt, befeuert mich dabei. Stets.

Wie hoch ist mein Selbstwert?

Der Selbstwert misst die Achtung und den Respekt mir selber gegenüber. Ich kenne keine genormte Grösse. Ich kenne nichts, wie man Selbstwerte vergleichen könnte. Daher muss ich auf mein Gefühl meines Selbstwertes achten.

ich_haare_trocknend

Als ich mich das erste Mal in Ton und Bild synchron begegnete, erstaunte ich. Bin ich das wirklich? Ich habe mich selber befremdete. Eine solche unheimliche Begegnung erhöht wohl kaum den Selbstwert. Der Selbstwert ist eine komplexe Grösse, der sich vor allem, aber nicht nur aus persönlichen Anforderungen an die eigene Person und die persönliche Wahrnehmung der Erfüllung derselben bildet.

Das Gleichgewicht

Wenn ich alle meine Anforderungen übererfülle, bin ich unzufrieden. Wenn ich alle meine Anforderungen untererfülle, bin ich unzufrieden. Ich bin bloss im Moment des Gleichgewichts garantiert nicht unzufrieden. Dieser Moment dauert aber nie Jahre; Selbstanforderungen oder auch die Selbstwahrnehmung verändern, entwickeln sich. Sie werden beeinflusst, geprägt, gestaltet. Denn wir sind nicht immer so selektiv, so abgeschottet von Welt und Umwelt wie wir uns selber vortäuschen.

Das liebe Geld

Ich erlebe derzeit ein Ungleichgewicht. Ich spüre, dass ich sehr strenge Selbstanforderungen bemühe, aber diesen nicht gerecht werde. Ich kann die Selbstanforderungen nicht recht entschlüsseln; sie verkleiden sich als Sehnsucht nach mehr Geld und Liebe. Geld kann ich rasch wegdiskutieren; technisch geht’s mir gut. Aber ich vergleiche mich gerne mit anderen. Ich bin gewissermassen eifersüchtig; ich will meinem Umfeld auch mehr bieten können und bin unzufrieden, dass ich das nicht kann, aber könnte, hätte ich mich doch früher mehr bemüht und mich von der Gesellschaft nicht losgesagt.

Ich bin gewissermassen verspätet. Zu spät in die Karriere eingestiegen, um richtig und klassisch durchstarten zu können wie meine Mitbewerber. Die sind nun erfolgreich, können sich Boote und Autos finanzieren. Ich kann mein Umfeld spärliche Kredite geben und mir knapp Urlaub leisten. Ich weiss gut genug, dass man sich nicht mit Geld differenzieren muss. Aber es ist schwierig in einer Welt, die sich bloss übers Geld definiert. Also muss ich mitspielen und irgendjemand irgendwas “beweisen” und meinen Selbstwert an mein Jahreseinkommen koppeln.

Schrei nach Liebe

Liebe ist komplexer. Ich fühle mich zwar durchaus gewertschätzt und anerkennt, aber irgendwie brauche und will ich mehr. Ich weiss nicht, was mein Schrei nach Liebe ist, den ich kürzlich dramatisierte. Was wünsche ich mir? Koks und Nutten? Ist das Liebe? Kaum, das sind bloss Ersatzstoffe, sie verbergen das wahre Bedürfnis darunter. Wir alle wollen bloss geliebt werden und lieben. Wir wollen den unendlichen Spiegel der Liebe. Ich bin hier überhaupt nicht “besser”. Ich möchte der perfekte Zuhörer, Freund, Liebhaber, Geschäftspartner, Debattierer und so weiter sein. Ich beanspruche, in vielen Disziplinen gleichzeitig zu brillieren. Weil das aber gefühlt nicht tue, weil ich dafür nicht anerkennt werde, schreie ich umso lauter nach abstrakter Liebe.

Was bleibt?

Meine Beiträge enden selten mit einer Konklusion, die noch alles nochmals zusammenfasst und folgerichtig resümiert oder etwas abschliessend schlussfolgert, das man “mitnehmen” könnte. Beim Thema Selbstwert ist’s nicht anders. Hier kann ich bloss versichern, dass ich “dranbleibe”. Sofort verfügbar wäre das Rezept, meine Selbstanforderungen zu “mässigen”. Ich würde damit meinen Selbstanspruch verkleinern. Ich würde damit mein ganzes System entspannen. Aber ohne diesen so ganz faustischen Anspruch, ins Unendliche zu streben, würde auch mein inneres Feuer erlöschen und ich allmählich erschlaffen. Vermutlich muss ich damit leben können, dass ich stets unvollkommen bin und ich stets mich selber antreibe.

Sexualität als Differenzierungsmerkmal

Die Sexualität beschäftigt Houellebecq. Sexualität beschäftigt denn auch mich. Heute eröffne ich meinen Blog mit einem kleinen Zitat, das wohl ein Klassiker ist. Doch Vorsicht, dieser Beitrag untersucht das Übel im Übel der Sexualität und endet in Auschwitz.

Der Sex, sagte ich mir, stellt in unserer Gesellschaft eindeutig ein zweites Differenzierungssystem dar, das vom Geld völlig unabhängig ist; und es funktioniert auf mindestens ebenso erbarmungslose Weise.

Doch für mich ist’s nicht bloss die Sexualität, um die “ebenso erbarmungslose” gekämpft werde, sondern auch um die Liebe an und für sich. Die Sexualität kann zwar Liebe ausdrücken, kann Liebe transportieren, aber nicht alleine verkörpern. Gewiss kann eine Liebe erkalten, die nicht mehr oder weniger regelmässig am und durch den Körper des Liebenden sich wärmt. Dessen bin ich mir und ist auch die Mehrheit sich wohl bewusst. Aber das grosse Thema ist der Mangel an und der Liebe dieser Welt.

Geld und Sex

Die Liebe gleicht einer Ökonomie. Die Sexualität ist bereits verökonomisiert. Die Wenigen haben viel Sex, die Mehrheit keinen bis wenigen. Die Sexualisierten prahlen, künden von ihrer Übersexualisierung. Die schweigende Mehrheit schweigt, darf hier und da einige Likes absetzen. Die Industrie wiederum befriedigt Sehnsüchte konkret in Pornographie, abstrakt in Film und Buch.

Natürlich korrelieren Geld und Sexualität nicht direkt; man erzählt Geschichten von finanzschwachen, dafür potenten Lebenskünstler und/oder umgekehrt. Dennoch zeigt sich im öffentlichen Bild eine lineare Gleichung zwischen Geld und Sexualität, personifiziert durch reiche Männer mit schönen Frauen. Dass die Männer gleichzeitig auch schön sind und die Frauen nicht weniger reich, festigt eine Linearität zwischen Geld und Sexualität.

Liebesbedürftig

Wir sind alle liebesbedürftig. Eine Sehnsucht nach Sexualität überdeckt bloss den Schrei nach Liebe. Liebe ist aber ein tiefes Gefühl, eine mächtige Emotion. Blöderweise sind wir so abgewöhnt, abgestumpft, dass wir nicht mehr liebensfähig sind. Wir sind so mit uns beschäftigt; wir verkrüppeln unser Ego mit Zweifeln, um es daraufhin wieder zu schmeicheln. Wir durchleben Hochs und Tiefs. Wir können niemandem vertrauen, weil wir uns selber misstrauen. Wir wollen unsere Wettbewerbskraft stets gestählert, bewiesen und erprobt wissen. Wir flüchten in endlose Selbstverwirklichung. Alle diese Hast, alle diese Hektik schmälert mit jedem Atemzug, mit jedem grauen Haar unsere Liebensfähigkeit. Wir können uns nicht mehr hingeben, wir können niemanden mehr fokussieren. Wir müssen stets reflektieren, hintersinnen, verbessern. Wir müssen optimieren.

Die unendliche Liebe

Ich will keine blinde Liebe romantisieren, wo man sich völlig auflöst und sich selber im doppelten Sinne aufhebt; Aufheben im Sinne von Versorgen-Verstauen und Aufheben im Sinne von Auflösen. Ich will aber mehr Naivität predigen. Wir sind so geschult, durch etliche Ratgeber und Ratschläge beeinflusst, durch Film und Buch korrumpiert. Wir kennen alle Gefahren, alle Bedenken, wir kennen alle Risiken. Wir dürfen uns das Leben manchmal leicht und vor allem leichter machen. Wir müssen nicht unser Leben verkomplizieren. Wir müssen es bloss erfahren.

Die einfache Liebe

Die schönste Liebe ist, die ehrlich und einfach ist. Eine einfache und ehrliche Liebe ist, wenn sie bedenkenlos ist. Man kann jederzeit bedenken, sich sorgen, sich hinterfragen. Das ist durchaus in Ordnung. Man kann sich jedoch zerfleischen, man kann sich überrumpeln, man kann sich selber blockieren damit. Das bedeutet, wenn man spürt, dass man jemand mag, solle man das ausdrücken können. Ausdrücken kann man Liebe mit Küssen, Umarmungen, mit Kunst, mit Zuwendungen, mit Teilhabe, mit Sexualität freilich. Man schenkt, man lässt teilhaben, teilt das Leben und nicht bloss einen Status. Aber wiederum muss man fähig sein, umarmt, beküsst, beschmust, beschenkt oder auch befriedigt zu werden. Einfach zulassen.

Kein Auschwitz mit Liebe

Mit Liebe, mit unendlicher und einfacher Liebe hätte man ein Auschwitz niemals tolerieren können. Die Menschen waren bereits nach dem Ersten Weltkrieg vereinsamt, vollends in der modernen Welt gefangen und in Geiselnahme. Sie sehnten sich schon damals nach Liebe, nach Anerkennung, nach Würdigung. Nach Sicherheit und Geborgenheit. Unsere Welt ist seitdem viel kälter geworden. Die Menschen sind noch abgestumpfter, noch überforderter als damals. Wir wissen einzig um unsere Geschichte, die mahnt mit fürchterlichen Denkmäler. Das verhindert das Schlimmste. Aber wirklich eine liebende Gesellschaft werden wir wohl im heutigen System nicht mehr.

So nebenbei: Unlängst habe ich beantwortet, was Liebe für mich bedeutet.

Der gute Lebenssinn

Die seelische Leere zeigt sich gerne auch als mangelnder Lebenssinn. Als eine Art der Gegenwartsbewältigung möchte ich einen erstrebenswerten Lebenssinn, den ich dankendst kürzlich auflesen durfte, hier und jetzt meiner kleinen Leserschaft übermitteln.

DBE-Licht-Wald

Der Sinn des Lebens ist es, das Leben sich bewusst zu machen. Kein blosses Im-Gleichschritt-Trotten, kein blosser Eskapismus. Kein blosses Flüchten. Der Sinn des Lebens ist es, damit ehrlich sich auseinandersetzen zu können.

Ich befürworte darum, dass man periodisch sich hintersinne, periodisch zurückblicke, was man ändern oder verbessern könne. Ich befürworte, dass man stets neugierig, wissbegierig und lernfähig bleibe. Damit meine ich einerseits, dass man den Menschen, die Menschen nah und fern respektiere. Aber andererseits, dass man weiterhin entdecke, forsche, suche und Erkenntnisse gewinne.

Der Sinn des Lebens ist es, dass man Beziehungen aufbaue, ein Umfeld etabliere, worin man gegenseitig sich anerkenne, würdige und durchaus wohlfühlen solle. Gleichsam unterstütze ich, dass man einen Beruf ausübe, den man mag, der einen einigermassen erfülle, der einen gewisse Anerkennung schenke. Dass man schliesslich als sinnvoll empfinde, was man tue, damit man nicht vorm AHV-Alter etwas bereuen müsse.

Ebenso Sinn des Lebens ist, dass man der Welt, seiner Umwelt sorgfältig begegne. Also nicht bloss die Welt untertan mache, sondern friedlich koexistiere. Das äussere lebenssinnig sich darin, welche Produkte man konsumiere und dieselben entsorge. Wie man Tiere, Pflanzen, Gewässer und Landschaften behandle, welchen Abdruck man hinterlasse.

Und schliesslich dass man die eigene Familie behüte. Hier meine ich sowohl die aktuelle, die geerbt-unverschuldete, als auch die zukünftige, noch zu finden-begründende. Familie ist wichtig und bedeutsam, weil sie verknüpft einen lebenslänglich. Manchmal fester, manchmal loser. Dass man also alle seine Mitglieder beachte, für alle sie sorge und sie begrüsse. Dass man die eigene Familie ebenso umsorge, beschütze und vor allem liebe. Das wohl wichtigste.

Wie fühlt sich die Leere an?

Ich fühlte mich zeitlang leer, weil abgestumpft. Ohne Leidenschaft, ohne Begeisterung und damit quasi regungslos. Ich funktionierte, das schien meine Ausflucht. Wie hab’ ich’s also mit der Leere?

DBE-Glas

Die Leere ist ein weiter und breiter Begriff. Welche Leere meine ich? Fühle ich mich leer, weil ausgelaugt, ausgesaugt? So leer wie ein Glas leer sein kann? Entleert? Oder fühle mich leer, weil entseelt, entkernt? So leer wie eine Maschine? Wie so oft ist’s ein Sowohl-Als-Auch. Im Zweifel aber fühle ich mich spirituell leerer, seelisch leerer.

Ich schimpfe, ich schreibe schon seit Jahren gegen “die Gesellschaft”. Ich abstrahiere darin mein Unbehagen mit unserer Zivilisation, mit unserer Zeit. Ich empfinde diese Zeit, diese Gesellschaft als “leer”. Leer insofern, als sie keinen Sinn stiftet. Also spirituell leer. Die Geschichten sind erzählt. Die zweite Religiosität befremdet die klassischen Religionen. Wir sind abergläubischer, unsicherer und anfälliger geworden.

Erscheinungen wie SVP, Brexit oder Trump sind für mich Symptome dieser grossen Leere. Diese Akteure überzeugen einen nicht rational, sie begeistern unsere Herzen, unsere Emotionen. Sie füllen uns mit Sinn, mit einer Mission, mit Aufgaben, mit Überzeugungen. Es sind moderne Weltanschauungen. Sie sind komplett, totalitär und allumfassend. Und sie sind menschlich-berührend.

Was ist nun die meine Leere? Meine Leere ist, dass ich das alles fühle. Ein Analytiker dürfte einwenden, ich schultere die Last der Welt und fühle mich als Märtyrer. Ich überfordere mich, ich übersteige und überhöhe mich. Ich überschätze meine Rolle. Ja gewiss, ich übertreibe vermutlich. Aber ich fühle so. Man kann meine Gefühle durchaus pathologisieren. Aber ändern kann ich’s nicht. Ich fühle echt und wahr. Die heutige Welt lässt mich verzweifeln. Es beschäftigt mich.

Denn wir haben wirklich nichts, worauf wir derzeit stolz sein können. Selbstverständlich landen wir mit unseren Robotern auf Planeten, wir erkunden. Wir tauchen in die Tiefe der Weltmeere, wir erforschen unentdeckte Arten. Aber wir haben noch viele andere issues, die grundsätzlich schwerer wiegen. Ich denke hier an den sexuellen Konkurrenzkampf, ich denke an den wirtschaftlichen Dschungel, ich denke hier an die allgemeine Sinnlosigkeit, an die Kapitulation der Philosophie. Ich denke an alle diese Arbeiter, die alltäglich im Trott marschieren.

Ich denke an alle die Seelen, die vereinsamen. Ich denke an alle diese Menschen, die nicht beantworten können, wer sie sind und wieso sie hier sind. Ich denke an alle die Hungernden, die nicht einmal daran denken können. Ich denke an alle die Verfolgten und Verjagten, die sich Sinn und Glück in der westlichen Hemisphäre erträumen. Ich denke an alle, die sich nach unserem Leben sehnen, aber nicht ahnen, wie sinnlos es ist.

So fühlt sich meine Leere an. Diese Leere dominiert mein Gefühl. Ich kenne viele Wirkstoffe, die dem entgegentreten. Ich meine nicht bloss Alkohol und der illusorisch freiheitsliebende Zigarettenrauch. Ich meine alle diese Surrogate, die Glück und Sinn versprechen. Das sind unter anderem Bewegung, Arbeit, Sexualität, Geselligkeit, Kulturindustrie. Wer weitere finde, möge sie anfügen. Man kann diese Liste fortführen. Sternzeichen, Freikirchen und TV-Serien darf man selbstverständlich anreihen.

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