Month März 2022

Mein Parteiprogramm

Bekanntlich will ich seit jeher eine Bewegung begründen. Derzeit belasten mich private Herausforderungen, sodass ich nichts für die Bewegung investieren kann. Das soll sich aber auch irgendwann ändern. Daher möchte ich prospektiv hier ein kleines politisches Programm formulieren. Ich hoffe, ihr seid inspiriert und schliesst euch an. Denn alleine schaffe ich das nicht.

Aussenpolitik

Wir fordern den sofortigen Beitritt in die Union. Wir skalieren das schweizerische Modell auf Europa. Wir gestalten gemeinsam. Wir beweisen, dass ein Staat mit mehreren Sprachen und Wertesysteme zu führen möglich ist. Wir verjüngen zusammen mit der Ukraine die Union; erneuern sie. Das reichste Land der Welt demonstriert, dass es an die Union glaubt. Die Union ist nämlich der erste notwendige Schritt für eine Weltföderation. Die Union ist der Anfang aller Geschichte; die Union hütet Aufklärung, Forschung und Bildung.

Militär

Wir lösen die schweizerische Armee auf. Wir integrieren sie komplett in eine Armee der Union. Dort stellen wir hochmobile Gebirgsjäger, die in Norwegen, Spitzbergen, Grönland sowie auf den Golanhöhen ausgebildet werden. Wir nutzen das bisherige Budget der Armee, wir spezialisieren uns auf Gebirgsjäger und Militärpioniere – alle anderen Einheiten sind überflüssig, weil Teil einer europäischen Selbstverteidigungsarmee mit deutlicher Abschreckungskraft. 

Negative Einkommenssteuer

Die negative Einkommenssteuer verorten wir auf 120’000 EUR ab 40 Jahren, 80’000 EUR ab 20 und 40’000 EUR bis 20 Jahren. Damit erübrigen wir alle Sozialwerke, Sozialversicherungen. Alles Einkommen besteuern wir pauschal; alles Vermögen ebenfalls. Die Steuererklärung erfolgt automatisiert, da nichts mehr zu optimieren notwendig ist. 

Staatsbürgerschaft

Die schweizerische Staatsbürgerschaft hat sich erübrigt, weil die Schweiz ja in der Union sich auflöst. Wer hierzulande lebt, ist Europäer mit Wohnsitz “Schweiz”. Der rote Pass ist neu ein blauer, ohne Schweizerkreuz – stattdessen mit dem Wappen der Union, wo ein kleiner Stern rot hervorgehoben ist. 

Verwaltung

Die Verwaltungen kommunizieren bloss noch digital. Unternehmen, die weiterhin einen papiernen Weg wählen, werden mit Gebühren motiviert, ihre internen Bürokratien zu reformieren. Die Verwaltungen treiben die Digitalisierung. Ein einmaliges Sondervermögen befreit die Verwaltungen von ihren Digitalisierungsrückständen. Damit sollen alle Abläufe soweit als möglich automatisiert werden, sodass zusammen mit der negativen Einkommenssteuern und vereinfachten Staatsbürgerschaft mindestens 80% der Angestellten entlassen werden können. 

Bildung

Die Ausgaben für die Bildung müssen mindestens 10% des Bruttosozialprodukts entsprechen. Mit einem einmaligen Sondervermögen revolutionieren wir die Bildung. Die Lehrperson ist nunmehr angesehener als jeder Anwalt, Manager oder Investment Banker. Wir implementieren moderne, aber altersgerechte Lernformen. Ebenfalls öffnen wir alle Schulen und Universitäten für alle. Wir erweitern sowohl learning by doing, social learning wie auch learning on demand für alle Menschen. Wer lernt, ist geil. 

Zivildienst

Der Zivildienst endet nie. Alle können permanent einen Zivildienst leisten. Aufgrund der negativen Einkommenssteuern entfällt die EO. Der Zivildienst ist sehr angesehen. Die Menschen sind aufgerufen, mindestens einmal jährlich einen sinnvollen Zivildienst leisten. Die Wehrpflicht ist logischerweise auch obsolet, da die Schweiz bekanntlich bloss noch Gebirgsjäger und Militärpioniere für die Verteidigung der Union stellt. 

Habe ich etwas vergessen?

Ich glaube, das genügt mal vorerst. Strafrecht beispielsweise empfinde ich als derzeit gelungen, weil es auf Wiederintegration setzt. Das einzige, was man eventuell abschaffen könnte, ist die lebenslängliche Verwahrung. Auch die Kulturförderung ist einigermassen geglückt. Ohnehin vermute ich, dass der neue Zivildienst auch mehr die Kultur berücksichtigt und dort unterstützt. Beispielsweise könnte ich mir einen Zivildienst als Chorsänger gut vorstellen. Habt ihr weitere Ideen? Mir ist es wichtig, dass das Programm auf eine A4-Seite passt.

Der Heroismus der Ukraine und meine unheroische Existenz

Der letzte Heldentod ist nicht mehr genau zu rekonstruieren. Wann damals in Europa sind wir für eine Idee gestorben? Seither droht bloss der Hungertod; verarmte Klassen Europas hungern und verderben, randalieren und vagabundieren innerhalb des Schengenraums. Ich bin in einem ganz unheroischen Zeitalter geboren, wo Geschichte aufgehoben schien.

Nun aber erblicke ich fern-nah einen jungen Heroismus. In Syrien damals war alles anders; Männer flohen und verhungerten, Frauen und Kinder erlagen den Bomben – beide unheroisch, sinnlos und ohne Bedeutung. Sie sind weder fürs Vaterland, noch für die Union oder für Freiheit gestorben. Das ist tragisch, darüber werden keine Opern erzählen. 

Die Situation in der Ukraine präsentiert sich anders. Der dortige Herr Präsident ist derzeit der populärste Politiker in der westlichen Einflusszone. Gewiss ist er darin trainiert und geübt. Er weiss sich zu inszenieren und ist gleichzeitig nahbar, authentisch, menschlich. Er harrt in einem Bunker irgendwo in Kiew – mit einem Playoff-Bart. Wohl sexiest man alive.

Und vermutlich seit drei Wochen ohne Sex; seine Familie ist irgendwo versteckt, in Sicherheit. Er bespielt derweil die Weltbühne ohnegleichen; hat vorm Kongress referiert, wohnt Kundgebungen virtuell bei, postet Selfies und zuweilen auch Ironisches. Es ist die beste Show, weitaus besser als der zweite Irakkrieg damals. 

Seine letzte Rede vor dem Europäischen Parlament hat sogar von der Leyen berührt. Alle seinen Reden sind gefühlt epochal, eloquent – und beseelen sogar mich. Gleichzeitig arbeite ich mit ukrainischen Männer zusammen, die neben der gemeinnützigen Arbeit in ihrer Heimat auch faule und fette schweizerische Konzerne trotz Krieg beliefern. 

Oder ein anderer Arbeitskollege dient zwar in der Armee, aber während Feuerpausen programmiert er für denselben faulen und fetten schweizerischen Konzern. Ihre Frauen sind allesamt in Sicherheit. Die Mehrheit weilt in Polen. Mehr als drei Millionen sind bereits geflüchtet innerhalb weniger Wochen. 

Es ist diesmal kein Auf-verlorenem-Posten-Harren, ohne abgelöst zu werden. Diese Männer sind ergriffen und motiviert. Sie arbeiten, kämpfen und versorgen ihre Familie heroisch. Uns hierzulande überfordert bereits eine Steuererklärung. Wir werweissen über Ferien in Südtirol oder Schwarzwald. Wir klagen über den Benzinpreis und sind schwer betroffen.

Dass wir an der Peripherie unserer Einflusszone erst wieder etwas über Heroismus lernen müssen, ist eigentlich ebenso tragisch. Der Spirit, die Leidenschaft innerhalb der Union schien wie erloschen; alte Männer bedauerten die Bedeutungslosigkeit der Union. Und nun erfrischt eine fernes, doch nahes Völkchen unseren Ideen; es kämpft ganz klassisch.

Sooderso: Die Ukraine wird nie mehr dieselbe sein. Das Selbstbewusstsein, das nunmehr auch Sendungsbewusstsein werden dieser Nation ein beispiellosen Wirtschaftswunder beschaffen. Sie werden vermutlich alsbald Polen überholen und als Tigerstaat innerhalb der Union sich rühmen dürfen. 

Der Krieg an sich ist nicht heroisch. Der Krieg ist traurig und tragisch, weil stets Menschen sterben. Es sind keine Kabinettskriege mehr, wo ausschliesslich Soldaten einander bekämpfen. Jeder Krieg ist nunmehr ein totaler Krieg. Manchmal kann man dank Kampfdrohnen aus einem klimatisierten Büro Krieg führen – wie ein bullshit job

Die Mehrheit der Ukrainer können das nicht. Auch haben sie den Krieg nicht gewollt, nicht provoziert, nicht herbeigesehnt, als Erlösung aller Probleme überhöht. Der Krieg überraschte sie ebenso. Die Ukraine führt keinen Angriffskrieg; sie wollen keine Nationen erschaffen oder Terroristen jagen, sie wollen nichts vergelten. 

Dass sie tapfer sich nun verteidigen, schafft das Heroische. Dass die wehrfähigen Männer nicht massenhaft auswandern, sich verstecken oder vorschnell ergeben, bestärkt das Heroische. Dass selbst führende Politiker oder ehemalige Politiker wie des Präsidenten Vorgänger sich anschliessen, bestätigt das Heroische. 

Natürlich konsumieren wir auch die ukrainische Propaganda; alle gezielt produzierten Videos und Äusserungen. Auch wir informieren uns notgedrungen bloss einseitig, weil die andere Seite ebenfalls überzeichnet, vermutlich zu offensichtlich und zu arglistig. Hier will sich ja die Weltwoche positionieren, schwadroniert unentwegt von “differenzierenden Fakten”.

Das mag zutreffen. Ich gestehe auch, dass der Heroismus der Ukraine mich infiziert hat. Ich muss mich selber mässigen, dass ich mich nicht zu sehr hineinsteigere, meinem sinnlosen Leben fremden Sinn übertrage. Weil insbesondere ich, ganz unheroisch, ganz sehnsüchtig nach grossen Ideen, wozu zu sterben es sich lohnt, bin sehr empfänglich und empfindlich.

Der Krieg Ukraines ist nicht mein Krieg, leider. Natürlich ereignet er sich an der Peripherie der Union. Doch alleine das ist sehr bemüht, weil die Schweiz ist ja nicht einmal Mitglied der Union. Ich dürfte höchstens mich bestürzt zeigen, ein wenig spenden und Verhandlungen wünschen – mehr darf ich nicht. Das ist meine persönliche Tragödie.

Ich beneide diese ukrainischen Männern. Sie werden gewiss siegen. Eventuell nicht in den nächsten Wochen – aber in den nächsten Jahren. Sie werden irgendwann triumphieren. Ich hoffe, sie können vom Heroismus ein wenig zehren, ihn sublimieren in wirtschaftliche Energie; das Land einen und mittels Finanzhilfen wiederaufbauen. 

Für Russland hingegen vermute ich düstere Jahrzehnte. Für Russland ist alles ganz unheroisch und sowieso der Krieg verloren. Auch wenn Kiew besetzt sein wird, auch wenn der Präsident der Ukraine ermordet werden könnte – Russland wird verlieren. Das ist ebenfalls tragisch. Millionen von Menschen werden alsdann noch sinnloser leben.

Sie werden keinen Heroismus erfahren. Sie werden vermutlich weiterhin bloss vom Grossen Vaterländischen Krieg erzählen können; deren letzte Geschichte. Und diese verblasst immer mehr. Sie endet irgendwann als urbane Legende, weil bereits jetzt die Zeitgenossen aussterben.

Hingegen die ukrainische Seele hat genügend Geschichten für zwei Generationen. Das ist sehr beneidenswert. Das kann mobilisieren. Und eventuell könnte das auch auf die Union übergreifen. Aber die Schweiz ist unbeirrt. Die Schweiz ist erzählt. Manche schwärmen von einem paradiesischen Stadtstaat, der mit allen geschäftet. Als Insel der Glückseligen. 

Ich kann mich dieser ganz unheroischen Geschichte nicht anschliessen. Ich bin leider auch ein Futurist. Ich liebe Ideen, ich liebe die Auseinandersetzung und die Entscheidung – weil ich sie privat scheue. Ich möchte meinen Alltag kontrastieren, wo ich mich ohnmächtig und unheroisch fühle. 

Die Wiedergeburt der Union

Ja, kürzlich habe ich hier Bekenntnisse eines EU-Fanboys publiziert. Die EU als Kompromissmaschine zu glorifizieren, empfand ich als unerträglich. Weil die EU weitaus mehr ist – weil die erste und letzte Idee der Menschheit hin zu einer Weltföderation. Dass von der Leyen konsequent bloss von der Union spricht, freut mich ungeheim. 

Dass von der Leyen nun auch ein wenig heranreift zu einer Führerin, die sogar Reden halten kann, erstaunt mich ebenfalls. Ich spüre von ihr mehr Präsenz als von allen anderen – ausgenommen des ukrainische Präsidenten, der seinen Teil im Informationskrieg tapfer meistert. Vermutlich haben wir nun das Erweckungserlebnis der EU.

Während den europaweiten Demonstrationen leuchteten vor allem zwei Fahnen. Die der Ukraine, sehr klar und nicht überraschend. Und die zweite die der EU. Die der Union. Das Volk hisst die Flagge der Union – das letzte Mal bei der Einführung des Euros vor zwanzig Jahren. Zwanzig Jahren später und trotz Corona und Brexit ist die EU wieder zurück.

Alleine die Corona-Massnahmen hätten ein neues Europa gebildet. Nun agiert die EU erstmals auch als aussenpolitisch ernstzunehmende Entität. Sie spurt vor, sie eint und verbindet gleichzeitig die Nationen. Die EU hat wieder Bedeutung erlangt. Die Union ist das Biotop der Demokratien und freiheitsliebenden Völkern. 

Freilich stören einige die Harmonie; rechtsradikale Populisten vor allem in osteuropäischen Ländern. Doch auch diese müssen sich alsbald neu erfinden, als die EU plötzlich entschlossen, militärisch-männlich ist, Flüchtlinge willkommen sind und Putin der neue Feind verkörpert. Vermutlich werden sie nach dieser Krise sich einreihen. 

Vermutlich wird von der Leyen durchsetzen können, dass die Ukraine teilhaben darf. Interessanterweise hat von der Leyen heute in ihrer Rede die Schweiz nicht erwähnt, die sich ja bekanntlich auch den Sanktionen angeschlossen hat, weil wohl bloss widerwillig. Das zeigt ganz realistisch unsere Aussenwahrnehmung. 

Ich schäme mich seit jeher, dass wir nicht der Union angehören und fühle auch eine Art Lebensmission, die Schweiz für die Union zu begeistern. Ich war vor einigen Monaten verzweifelt. Die Herausforderung schien gross; die Schweiz beschäftigte vor allem die Corona-Krise mit den Querdenkern inklusive, was nun angemessen abgelöst ist.

Endlich wieder mehr vorwärts; mehr Futurismus. Endlich wieder mehr Bewegung. Keine weiteren Psychologisierungen der Querdenker Seele mehr. Endlich eine Diskussion, wie wir die Nationen einen könnten. Wie wir Frieden und Wohlstand für alle schaffen könnten. Und zwar nicht bloss für wenige, sondern für alle.

Ich fordere daher den sofortigen EU-Beitritt der Ukraine. Aber nicht bloss der Ukraine – sondern für alle Staaten, die wollen und auch können. Und natürlich auch in der Schweiz eine Volksabstimmung für einen sofortigen EU-Beitritt. Ich würde die Chancen derzeit auf 50/50 verwetten. Besser werden sie so schnell nicht. 

Natürlich wäre dieser Beitritt “in der Schwäche” für die Schweiz kein nachhaltiger. Aber man könnte während den Abstimmungen eine weise Diskussion über die Zukunft der Menschheit im Allgemeinen und die Zukunft der Menschen in Europa im Speziellen initiieren – so die Menschen hierzulande für Ideen wie einer Weltföderation erwärmen. Nie mehr Krieg.

Und hier noch die Rede. Von der Leyen ab ca der 22. Minute.