Monat: August 2020


  • Das Spiel

    Derzeit baue ich meine Städte. Ich liebe Städte. Ich muss nicht zwangsläufig in einer Stadt leben. Diesen Drang habe ich überwunden. Ich könnte mich mittlerweile überall verstecken. Ich hause in Basel-Stadt bloss, weil ich muss und keine Alternative habe; mein kleines Gefängnis, das ich gerne inspiziere.

    Gelegentlich profitiere ich auch vom grossstädtischen Angebot – aber zu selten, dass die Mehrkosten des Stadtlebens das rechtfertigen könnten. Ich vermute, den meisten Menschen ergeht es ähnlich; sie leben zwar in der Stadt, aber vereinsamen und verstecken sich in ihren überteuerten Wohnungen. Sie sind weder draussen noch irgendwo drinnen.

    In meiner Privatzeit zerstreue ich mich neuerdings nicht mehr programmierend. Meine Programme sind erschöpft. Ich habe keine neuen Anforderungen mehr, die ich umsetzen könnten. Und ohne Use Case ist das Programmieren sinnlos und daher nicht energetisierend. Eventuell ermittle ich bald wieder Anforderungen.

    In einigen Monaten darf ich eventuell eine Benchmark-Logik umsetzen. Also ein Werkzeug, das Ergebnisse von Umfragen systematisch vergleicht und einen Benchmark erhebt – einen Benchmark darüber, wie «stark» oder «fit» unterschiedliche Teams unterschiedlicher Organisationen sind. Darauf freue ich mich, endlich wieder programmierend mich ablenken.

    Ich muss mich vor der Lieblosigkeit meines Daseins ablenken. Ich bin hier einsam und ohne Nähe, geschweige denn körperlicher Nähe. Ich könnte mich abends betrinken, bin manchmal auch dazu nicht motiviert, sondern will mich bloss verstecken und eben ein wenig zerstreuen. Mittags bin ich stets verabredet. Ich netzwerke und interessiere mich aufrichtig.

    Gewiss könnte ich mich auch überarbeiten. Der berufliche Backlog ist stets präsent und gemahnt Disziplin, Selbstbeherrschung und Mässigung meiner privaten Zeit. Der Berufsarbeit fühle ich mich derzeit bloss verpflichtet; die Leidenschaft ist ausgelöscht vorläufig. Ich brenne nicht mehr sonderlich. Manchmal begeistert sie mich kurzweilig.

    Der ausserordentliche Auftrag, ein Familienunternehmen zu begleiten, entzückt mich. Ich darf nächsten Freitag debütieren. Ich bin sehr neugierig. Vermutlich wird mir alles gelingen – oder mindestens 80%. Ich will das gegenseitige Verständnis erhöhen, die Familie einen und eine kraftvolle und verständliche Operationalisierung der Strategie erwirken.

    In der Zwischenzeit beschäftigt mich das Spiel, das Städtebauspiel. Ich plane eine Stadt. Ich habe auch einen gewissen ästhetischen Anspruch. Ein schöner Hauptbahnhof mit einem angemessenen Viertel, einen IT-Cluster, Inseln voller Einfamilienhäuschen, urbanes Wohnen mit lärmiger Tram, daneben Industrie und Logistik.

    Ich informiere mich im Internetz über die Ergebnisse anderer Spieler. Ich bewundere ihre schön gestalteten Städte und beneide sie um ihre Geduld und das erforderliche Geschick mit Tastatur und Maus. Ich studiere Tutorials, Anleitungen und sonstige Hilfestellungen der Community der Spieler. Ich bin beseelt und entspannt.

    Wer nicht spielt, ist wohl krank oder allmählich erkrankt. Der spielende Mensch ist mir am liebsten. Ich misstraue jedem, der nicht spielen kann. Spielen ist lustvoll, entspannend, erzeugt Flow-Momente. Spielen beruhigt meine Psyche. Ich bin manchmal beinahe abhängig. Ich spüre bereits jetzt den Drang, täglich zu spielen.

    Dadurch vernachlässige ich vermutlich andere Verpflichtungen. Aber ebendas will ich auch bezwecken; ich will meine Psyche spülen und die Verpflichtungen vergessen, die mich ansonsten einsperren und einengen würden. Das Spiel lässt auch meine sexuelle Frustration schwinden. Ich habe keinen Trieb mehr; ich empfinde nichts. 

    Dafür Spass und Genugtuung im Spiel. Das tröstet.


  • Uelis Camper

    Ueli, der unbedeutende Unternehmensberater, besitzt nicht bloss Immobilien und mehrere Abwicklungs-Gesellschaften, die er dynamisiert, damit er nicht MWSt-pflichtig ist. Ueli hat auch heimlichen Fetisch. Es sind nicht Wachstropfen auf seinem Anzug, die ihn empören und entsetzen, damit er sich wieder einmal fühlt.

    Es ist eine ganz klassische Verschwörungstheorie. Es sei angemerkt, dass Ueli zweifach promoviert ist, weil einfach nicht ausreicht als Unternehmensberater. Ueli nimmt das Zertifikatspielchen der Schweiz sehr ernst, weil er mittlerweile sich ausschliesslich in der Schweiz bewegt. Das war zwar nicht immer so, ist aber eine andere Geschichte.

    Ueli ist nämlich überzeugt, dass wir allesamt in einer Art geopolitischem Vakuum fristen würden. Es ist nicht der nahende Endkampf zwischen der Absteigerin USA und dem Aufsteiger China. Nicht die Diskussion übers chinesische oder gar asiatische Jahrhundert. Vielmehr beschäftigt ihn, was der nächste Schritt der Nazi sein würde.

    Nazis? Ja, Nazis, die sich aufm Südpol versteckt haben. Mit modernsten Massenvernichtungswaffen ausgestattet, die bloss auf die Rückeroberung der Welt warten würden. Hm. Nazis sind ja gute Unterhaltung. Aber weilen sie tatsächlich am Südpol? Werken an modernsten Waffen? Wollen uns blitzkriegartig mit Amphetamin überrennen?

    Man mag zweifeln. Doch Ueli ist diesmal sehr beratungsresistent. Obschon sein wohlgesonnener anderer Unternehmensberater rät, die Quellen ausm Internetz kritisch zu würdigen, ist Ueli geradezu besessen und überzeugt, dass Nazis bloss noch den richtigen Moment abwarten würden, um die Welt zu erobern.

    Psychologisch ist das natürlich sehr anstrengend. Du weisst, dass die Nazis jederzeit dich entmachten, enthaupten oder mindestens enteignen können – wie reagierst du als ein gewöhnlicher Mann angesichts dieser Anspannung? Diese Belastung zu schultern ist anspruchsvoll. Doch Ueli ist gerüstet mit der Leichtigkeit des Unternehmensberaterdaseins.

    Die schlaflosen Nächten über die Sorge des drohenden Endsiegs sind akut, das Bedürfnis, zu spülen und das Bewusstsein zu verdrängen, sehr plausibel. Ueli ist nicht zu beneiden. Ueli muss enorm sich beherrschen und mässigen, nicht zu kapitulieren vor der drohenden Nazi-Übermacht ausm Südpol.

    Wer das verinnerlicht hat, arbeitet ganz anders. Er arbeitet fortan bloss für sich. Für seinen kleinen mobilen Führerbunker irgendwo in einem Steuerparadies. Uelis Losung ist ein gediegener Camper. Mit dem kann er ortsunabhängig auch einen drohenden Angriff der Südpol-Nazis im Muotathal überleben. Das entspannt. 

    Uelis grösste Alltagssorge ist folglich, ein angemessenes Wohnmobil mitsamt entsprechender Ausrüstung beschaffen zu können. Das dominiert den Berufsalltag. Es soll genug gross sein, um notgedrungen auch seine Frau und sein Töchterchen beherbergen zu können. Immerhin eine latente Fürsorge motiviert Ueli. 

    Der Camper hat Ueli erfolgreich finanziert, er muss 1.5 Millionen CHF berappen. Seitdem ist er geschützt, er kann sich notfalls verbunkern. Die Südpol-Nazis haben keine Chance gegen Ueli, dem unbedeutenden Unternehmensberater, das fleischgewordene Provisorium. Ueli kann alles.


  • Uelis Abwärtin

    Ich glaube, ich spüre einen verwegenen Moment des Flows. Also möchte ich Uelis Geschichte fortführen. Uelis Werdegang wäre ebenso reizend und erzählenswert. Das eventuell bei Lust und Laune meinerseits. Vorläufig die nächste Episode mit Ueli, dem unbedeutenden Unternehmensberater in der Zentrale in der Innenstadt.

    Ueli ist das fleischgewordene Provisorium. Obwohl bloss befristet engagiert, hat er knapp ein Jahr verrechnen können. Uelis Geschäftsreisen sind nachahmenswert. Uelis Leistungsausweis ist nicht signifikant. Ueli fristet in seinem Einzelbüro und im halböffentlichen Raucherbereich.

    Seine heruntergekommene Immobilie besorgt und belastet ihn. Er sträubt sich, eine Verwaltung oder einen Abwart zu verpflichten. Er sei auf die Rendite angewiesen; seine Frau und seine Tochter seien zu kostspielig. Ausserdem spare er für ein wuchtiges Wohnmobil. Das sei alles zu viel und anstrengend und spülen müsse er auch noch.

    Uelis Immobilie ist in zwölf Wohnungen unterschiedlicher Grösse separiert. Er verwaltet die Liegenschaft selber. Manchmal mehr oder weniger offensichtlich während seiner Dienstleistungen für den Kunden. Auch Ueli ist moralisch, kennt und respektiert den Kodex aller Unternehmensberater: Du sollst nicht zu offensichtlich zu viel verrechnen. 

    Eigentlich könnte er ja die Aufgabe an seine gelangweilte Frau delegieren, damit sie beschäftigt ist und ihn fürderhin nicht alle fünfzig Minuten anrufen muss, ob sie beispielsweise die gelbe oder rote Regenjacke fürs verwöhnte Töchterchen im Globus kaufen solle – derweil sie überteuerte Unterwäsche inspiziert, um sich attraktiv zu fühlen.

    Das wäre ein perfekter Match. Doch damit würde sein Frauchen auch gewisse Kompetenzen überschreiten. Das wäre für Ueli nicht angemessen. Die Frau ist da, weil es notgedrungen ist. Nicht weil er will, sondern weil er muss. Solange die Frau daheim und abhängig ist, kann er noch etliche Geschäftsreisen verköstigen – und tun, was er will.

    Uelis Lösung dagegen überrascht nicht. Er hat eine ältere Mieterin in seinem Portfolio entdeckt. Eine Schweizerin. Sie beklagt den Verfall der Immobilie, das ausländische Gesindel, die Unordnung, den Dreck; alles sei ohne Anstand und Sitte. Bisher hat sie sich vor allem wegen Wehklagen, Beschwerden und Telefonanrufen bei Ueli unbeliebt gemacht.

    Wie jeder guter Berater ist auch Ueli nicht gänzlich beratungsresistent und nutzt hier und da Dienste, Anregungen und Bemerkungen wohlgesonnener Unternehmensberater, die er häufig rauchend trifft. Unternehmensberater sind grundsätzlich derart unspezialisiert, dass sie alles und nichts beherrschen – aber dafür auftretend und rhetorisch stets imponieren. 

    Ein exzellenter Unternehmensberater kann einen SMI-Konzern, eine Hundeschule und einen produzierenden Familienbetrieb gleichzeitig beraten, ohne das eine wie andere zu verstehen oder zu kennen oder mit seiner Unkenntnis gar aufzufallen oder sich zu blamieren. Das ist wohl das grossartigste Geschick des Unternehmensberater.

    Und so beraten sich zwei Unternehmensberater über das Thema Liegenschaftsverwaltung, wovon beide eigentlich nichts verstehen. Jedenfalls hat der eine andere Unternehmensberater Ueli den Tipp geliefert, er solle doch das alte Grosi als «Abwartin» befördern, damit sie statt ihn alle anderen Mieter ständig belangen könne.

    Eine grandiose Idee. Das Grosi ohne mehr Entgelt, Lohn oder sonstiger Entschädigung waltet fortan als legitime Anwältin Uelis. Sie sorgt für Ordnung und Sauberkeit und Sicherheit im heruntergekommenen Block in Wollerau, beste S-Bahn-Distanz nach Zürich, bekanntlich in einem steuergünstiger Kanton.

    Das kleine und gewiss vereinsamte Grosi ist bedürftig nach Aufmerksamkeit und Anerkennung. Sie ist nun Uelis Frau fürs Grobe. Sie ist intrinsisch motiviert fürwahr. Seitdem stabilisiert sie Uelis Profit. Ueli muss lediglich einmal wöchentlich ihre Wehklagen erleiden, während er sich gepflegt abschiesst.

    Ueli, der Unternehmensberater. Bald mehr?


  • Das Ende meiner Sexualität

    Ich möchte mich nicht wiederholen, ich möchte einfach nochmals deutlich, aber endgültig das Ende meiner Sexualität bedauern. Gewiss ist der Zeitpunkt ungünstig, gerade ist hier in Basel-Stadt Sommer, die Frauen sind allesamt leicht oder ohne BH gekleidet. Das ist durchaus reizend. Aber für mich unerreichbar.

    Ebenso gewiss ist, dass der Geschlechterkampf unerbarmlungslos ist. Es ist eine freie Marktwirtschaft. Einige gewinnen, die meisten verlieren. Ich werde mich nun begnügen, dass ich abgehängt bin; eine verlorene Generation weisser Männer, die keine Sexualität mehr beanspruchen kann.

    Technisch könnte möglicherweise reüssieren, ich bin noch nicht gealtert dergestalt, dass ich mich zurückziehen oder verstecken müsste. Auch bin ich irgendwo angestellt, ich könnte technisch einigermassen eloquent mein Schicksal und mein Leiden beschreiben. Auch meine Tochter müsste mich nicht behindern, sondern könnte gut assistieren. 

    Ich darf und werde mich nicht mehr bemühen. Ich werde akzeptieren. Ich kann mich immerhin an eine Sexualität erinnern. Sie ist mir zwar fern und beinahe fremd geworden. Ich fühle mich untröstlich. Damit startet eine Phase maximaler und absoluter Sublimierung. Ich werde mich wieder anderweitig verausgaben müssen. 

    Vermutlich werde ich mich zunächst masslos betrinken. Und komische Berater-Geschichten schreiben. Das regt mich durchaus an. Und eventuell hilft das auch, den Zugang zum Sexmarkt zu verkürzen oder gar zu ermöglichen. Bis dahin verhungere ich in Basel-Stadt. Bald besuche ich wieder Olten.


  • Ueli der Unternehmensberater

    Meine Bewerbung hat die erste Hürde genommen. Ich muss nun eine Probe liefern. Ich berichte aus dem Alltag abgetretener Unternehmensberater, die auch ihre Mütter sinnlos beraten würden. Es soll derb, sexistisch, lustig und vor allem anonymisiert sein. Es ist eine naturgemäss männliche Perspektive, weil Männer diese Branche dominieren.

    Der Konzern. Die wuchtige Zentrale in der Innenstadt. Die Assistentinnen schnittig und adrett gekleidet. Die Bevölkerung weiss nicht, was und wie dort geschäftet wird. Offenbar ist alles sehr wichtig und dringend.

    Unser Unternehmensberater Ueli hat sich auf Übergangslösungen spezialisiert. Er ist das fleischgewordene Provisorium. Er muss einen gefallenen, geschassten und/oder erkrankten Manager vorübergehend ersetzen. Seine Beratungsleistung ist minimal. Er muss einfach aushalten. Er kann im Jahr eine halbe Million Schmerzensgeld verrechnen. 

    Er muss nicht brillieren. Er muss nicht politisieren. Er kennt auch niemanden. Er ist isoliert. Aber dennoch ist er hier. Eh da. Er stiftet auch wenig Mehrwert. Dessen ist er sich bewusst. Er will einfach möglichst sanft und widerstandslos am Erfolg partizipieren. Das ist okay, die Organisation toleriert.

    Manchmal muss er hinhalten. Ein Ausschuss tagt, er muss vertreten, einen Misserfolg berichten. Die harten Kerle im Ausschuss im obersten Stockwerk der wuchtigen Zentrale in der Innenstadt listen Verfehlungen und Rückstände in Projekten und im Betrieb Uelis Vorgängers. Budget um 5% abgewichen, Lieferung verzögert, Umfang reduziert. 

    Ueli nickt und protokolliert. Danach vernichtet er seine Notizen und entlädt das Bewusstsein in der verwegenen Bar in der Unterführung. Einmal wöchentlich den ganzen Dreck wegspülen, ist seine Maxime. Daneben finanziert er eine Familie, die in einem steuergünstigen Kanton haust. Er übernachtet unterwöchig Nähe der Zentrale in der Innenstadt.

    Nicht weil er muss, sondern weil er nicht mit seiner Frau und seiner Tochter zu viel Zeit vergeuden möchte. Er arbeitet aber dennoch nicht häufiger, länger, mehr oder sonst überhaupt. Er trottet ca. um zehn Uhr in sein verstecktes Einzelbüro, raucht alle dreissig Minuten drei Zigaretten. Mittags trinkt er mindestens eine Maschine Weizen, meistens zwei.

    Um vier verabschiedet er sich bereits. Gemäss eigenen Angaben muss er sich noch um andere Mandate kümmern. Das bedeutet, er muss sein Portfolio überwachen. Hier eine Immobilie, dort Spielgeld für Day-Trading. Alles erledigen, was er nicht zwischen den Zigaretten im eingeklemmten Raucherzimmer erledigen kann.

    Er wird entsandt. Er muss einen fernen Lieferanten inspizieren. Warum und weshalb ist irrelevant. Er ist Bote, Richter und Henker zugleich. Eine Geschäftsreise, freilich verrechenbar. Die Anreise und Rückreise hat er mit einem grosszügigen Multiplikator belegt, eine ausserordentliche Spesenpauschale hat er selbstredend vereinbart. 

    Geschickt hat er den Auftrag bereits an einen anderen Unternehmensberater delegiert. Er muss den Mehraufwand der Koordination zusätzlich verrechnen. Und ausserdem müssen die beiden Unternehmensberater zusammen anreisen. Er verrechnet 20% für seine Dienste, zumindest diesmal transparent.

    Der beauftragte andere Unternehmensberater inspiziert den Lieferanten, kopiert die Beurteilung vom letzten Lieferanten, ändert das Logo, überprüft die Metadaten des Dokuments, perfektioniert hier und da Floskeln. Fertig. Sie haben fünf Tage Inspektion budgetiert. Faktisch brauchte der beauftragte Unternehmensberater bloss vier Stunden.

    Derweil sündigen sie in der fernen Stadt des Lieferanten. Geschäftsessen sind selbstverständlich. Auch Bordellbesuche frappieren nicht. Einmal weilen sie erneut im Bordell. Sie haben vier Nutten bestellt. Omnipotent fürwahr. Eine genügt ja nicht, weil ja bloss Nutte. Die jeweils zugewiesenen Nutten müssen sich zunächst selber befummeln.

    Das klappt. Die beiden Berater fühlen sich einigermassen angeregt, obwohl oder weil bereits betrunken. Die eine Nutte Uelis ist sehr motiviert. Sie nimmt wohl ihren Beruf ernst. Das ist okay. Sie will ihre Nutten-Kollegin für Wachsspielchen begeistern. Vermutlich sind Schmerzen aphrodisierend.

    Sie hat eine ordentliche Kerze organisiert, die sehr wahrscheinlich tagsüber als sensibler und penisähnlicher Dildo fungiert. Den Wachs lässt sie langsam auf den Rücken der räkelnden Nutten-Kollegin tropfen. Die Darbietung gelingt. Ueli ist entzückt. Vergessen sind die Enttäuschungen, Erniedrigungen und Schmerzen im Ausschuss in der Zentrale.

    Ueli nähert sich, will den semiblanken Po der Nutten-Kollegin tätscheln. Im kichernden Frohlocken allerdings der engagierten Nutte verschüttet sie versehentlich einen Tropfen Wachs auf die Anzugshose Uelis. Falls der Ständer wahr war, jetzt ist er hinüber. Ueli ist empört und rauft über die Inkompetenz der motivierten Nutte. Er hat die Kontrolle verloren. Er ist erneut Opfer.

    Die Party droht zu enden. Doch die engagierte Nutte ist tatsächlich engagiert. Sie sucht ein Bügelbrett, ein Löschblatt und bemüht sich in knapper Reizwäsche, Uelis Hose zu säubern. Dennoch will Ueli nicht mehr. Man verabschiedet sich, Ueli bezahlt Nutten wie Champagner.

    Die Inspektion war erfolgreich. Nun wissen alle, was alle ohnehin wussten, aber niemand wissen wollte. Endlich eine einigermassen sinnvolle Tat Uelis. Das Eskapaden der Geschäftsreise sind zwar privatisiert, indirekt aber durch die Gesellschaft finanziert. Er geniesst seine kleine, aber durchaus feine Genugtuung. 

    Zwei Wochen später erkrankt Ueli. Er kriegt einen dicken Hals. Vermutlich mehr als eine blosse Metapher. Er muss sich kurz kurieren, kann dennoch wenigstens 50% verrechnen. Er möchte nicht mehr zurückkehren. Er tut noch mehr so als ob – bloss remote und mit Lync, der damals gängigen Corporate Collaboration Lösung. 

    Was heute diese Unternehmensberater so tun, das nächste Mal.


  • Kolumne ausm Herz des Kapitalismus›?

    Wie ihr ja wisst, will ich bald mein Comeback feiern. Nicht als Party-Dave oder Rave-the-Dave oder was auch immer. Sondern als verdorbener und depressiver Schreiberling. Was ich stets war und auch bleibe – trotz geänderter Verhältnisse, die derzeit immer mehr mich fordern und meine Prioritäten verschieben.

    Diese Plattform hier genügt mir durchaus. Ich kann meiner Leserschaft Links teilen. Manche kommentieren das Geschriebenen auf privateren Kanälen. Das freut mich jeweils. Ihr seid eine kleine Leserschaft von maximal zehn Lesern gemäss Statistik. Das soll sich auch nicht ändern. 

    Ich bin aber erneut verführt, beim lokalen «Verleger» mich zu bewerben. Erneut. Meine letzte Bewerbung stammte ausm 2016. Glücklicherweise habe ich sie nie versendet. Denn man kann auf eine Stelle bloss einmal sich bewerben – und nicht zwei Jahre später mit einem anderen Konzept.

    Ob ich diese Bewerbung jemals absenden werde, hängt von meiner Tagesform ab. Ich brauche keine Kolumnenplatz, weil ich hiermit mich ausreichend befriedigt fühle. Wenn, dann würde ich das tun, bloss um irgendwelchen hippen Grossstadt-Weibern zu gefallen. Ich könnte – als betrunken – herumposaunen und so jeden sozialen Kredit verspielen.

    Das würde auch mir gefallen. 

    Das Konzept wäre diesmals anders. Ich möchte über meine Berufszunft schreiben. Unternehmensberater sind nicht unbedingt angesehen oder vertrauenswürdig. Bloss Handyverkäufer und Versicherungsmakler gelten als dubioser und undurchsichtiger. Der Beruf hat kaum Reputation oder Glaubwürdigkeit. 

    Unternehmensberater sind gefangene Kapitalisten, Statussymboljäger, unbefriedigte Narzissten, selbstherrliche Blender und verjubeln das Geld anderer. Sie verwirren mehr als sie vereinfachen. Sie sind verschworen und erkennen sich sofort. Sie haben alle dieselben Schulen besucht. Sie sind uniform und Kopfnicker. Und sie mögen schnelle Porsches.

    In der Kolumne sollen weniger die gestressten, stets beschäftigten und eloquenten Männer fokussiert werden. Vielmehr soll das Absurde und Sinnlose des Geschäftsmodells kritisch gewürdigt werden. Ich möchte von Aufträgen erzählen, die unglaublich sind, weil sie sich stets wiederholen und in den grossen Zentralen der Firmen üblich sind. 

    Ich glaube, die Kolumne könnte auch kurzweilig unterhalten. Sie soll keine Business Class gemäss Martin Suter nachspielen. Ich möchte bloss ausm Herz des Kapitalismus› berichten. Dort, wo unsere wahre Lebenswirklichkeit sich ereignet. Dort, wo unsere Verhältnisse sich verfestigen und wo wir grösste Ohnmacht erdulden müssen.

    Natürlich müsste ich alles anonymisieren. Die Firmen dürfen dabei nicht erkannt werden. Das ist Bedingung. Ich habe so viele Erklärungen unterschrieben, dass ich sie gar nicht mehr archiviere. In meinem Beruf müsste ich sehr verschwiegen sein. Mittlerweile weiss ich selber nicht einmal mehr, was ich eigentlich tue. 

    Ich glaube, ich wäre der bessere Martin Suter, weil ich nicht dazugehören möchte. Vermutlich muss ich aber anfänglich mich auf ihn beziehen; Referenzen schaffen, Sicherheit simulieren oder so. Das wäre niederschwelliger, das würde meine Chancen erhöhen. Und sobald mal engagiert, würde ich dann wüten. 

    Cool, oder?