Komplexität reduzieren

Im Beruf ist Komplexität oft als Totschlagargument bemüht. Komplexität mag niemand. Komplexität braucht Managementkapazitäten. Irgendjemand muss Komplexität verwalten. Organisationen wollen also allesamt Komplexität reduzieren. Ich gebärde mich gerne als verführerischer Vereinfacher. Ich simplifiziere.

Privat ist mein Leben einigermassen komplex und undurchsichtig. Ich könnte derzeit meine Herausforderungen nicht abschliessend auflisten. Weil ich nicht kann und nicht will. Einige Themen verdränge ich auch. Andere bearbeite ich bloss im Ereignisfall und operiere im maximalen Priorisierungsmodus wichtig-dringend sofort erledigen und den Rest ignorieren.

Daher pflege ich Bereiche meines Lebens, die ohne Komplexität auskommen. Die Körperpflege ist auf fünf Artikel beschränkt. Ein überteuertes Shampoo. Ein ordinäres Deo. Ein Universaldusch. Ein zerbrechlicher Rasierer. Und ein schlichter Nagelknipser.

Weisse oder blaue Hemder, blaue oder weisse Hosen und bunte Socken limitieren meine Kleiderwahl. Unterhosen sind Verbrauchsmaterial. Schuhe sind auf zwei Marken eingegrenzt, im Sommer trage ich ohnehin hauptsächlich Adiletten. Meine Morgenroutine ist dadurch sehr verkürzt.

Bei der Nahrungsmittelaufnahme, die ich gerne so expliziere, könnte ich wochenlang bloss mit Würstchen, Teigwaren und Burger überleben und dabei keinen Mangel empfinden. Ich muss nicht täglich unterschiedlich speisen. Die Nahrungsmittelaufnahme hat im Alltag auch etwas Funktionales.

Das Wetter beeinflusst auch nicht meine Stimmung. Ein verregneter oder sonniger Tag lässt weder mich vergraulen noch erfreuen. Ich beobachte das Wetter gelassen. Ich versuche mein Glück möglichst zu internalisieren und/oder auf Bereiche des Lebens zu dämmen, die ich auch mitgestalten kann, wenngleich mehr theoretischer denn praktischer Natur.

Ich weiss, ich habe noch genügend Komplexität abzubauen. Gewisse Beziehungen haben eine Historie, die mit Muster verfahren sind, die zu brechen zuweilen mich überfordert. In der zwischenmenschlichen Beziehungen gedeiht Komplexität. Letztlich soll, wer ohne Komplexität leben will, alleine bleiben.

Deswegen isoliere ich mich gelegentlich. Ich möchte niemanden treffen, kennenlernen oder begegnen. Ich möchte keine weitere Komplexität in eine Beziehung hinzufügen. Ich möchte gelegentlich bloss schweigen und aushalten. Doch ich bin ebenso destruktiv, dass ich Komplexität provoziere, indem ich sabotiere. Leider.

Ich sollte also mit der erhöhte Komplexität meiner Beziehungen, egal welcher Natur, mich beschäftigen. Weil das treibt und verursacht in Summe die Komplexität meines Lebens – nicht eine vermeintlich unermessliche Auswahl von Kleidungsstücken oder Nahrungsmitteln oder Wetterbedingungen.