Meine Bewerbung hat die erste Hürde genommen. Ich muss nun eine Probe liefern. Ich berichte aus dem Alltag abgetretener Unternehmensberater, die auch ihre Mütter sinnlos beraten würden. Es soll derb, sexistisch, lustig und vor allem anonymisiert sein. Es ist eine naturgemäss männliche Perspektive, weil Männer diese Branche dominieren.
Der Konzern. Die wuchtige Zentrale in der Innenstadt. Die Assistentinnen schnittig und adrett gekleidet. Die Bevölkerung weiss nicht, was und wie dort geschäftet wird. Offenbar ist alles sehr wichtig und dringend.
Unser Unternehmensberater Ueli hat sich auf Übergangslösungen spezialisiert. Er ist das fleischgewordene Provisorium. Er muss einen gefallenen, geschassten und/oder erkrankten Manager vorübergehend ersetzen. Seine Beratungsleistung ist minimal. Er muss einfach aushalten. Er kann im Jahr eine halbe Million Schmerzensgeld verrechnen.
Er muss nicht brillieren. Er muss nicht politisieren. Er kennt auch niemanden. Er ist isoliert. Aber dennoch ist er hier. Eh da. Er stiftet auch wenig Mehrwert. Dessen ist er sich bewusst. Er will einfach möglichst sanft und widerstandslos am Erfolg partizipieren. Das ist okay, die Organisation toleriert.
Manchmal muss er hinhalten. Ein Ausschuss tagt, er muss vertreten, einen Misserfolg berichten. Die harten Kerle im Ausschuss im obersten Stockwerk der wuchtigen Zentrale in der Innenstadt listen Verfehlungen und Rückstände in Projekten und im Betrieb Uelis Vorgängers. Budget um 5% abgewichen, Lieferung verzögert, Umfang reduziert.
Ueli nickt und protokolliert. Danach vernichtet er seine Notizen und entlädt das Bewusstsein in der verwegenen Bar in der Unterführung. Einmal wöchentlich den ganzen Dreck wegspülen, ist seine Maxime. Daneben finanziert er eine Familie, die in einem steuergünstigen Kanton haust. Er übernachtet unterwöchig Nähe der Zentrale in der Innenstadt.
Nicht weil er muss, sondern weil er nicht mit seiner Frau und seiner Tochter zu viel Zeit vergeuden möchte. Er arbeitet aber dennoch nicht häufiger, länger, mehr oder sonst überhaupt. Er trottet ca. um zehn Uhr in sein verstecktes Einzelbüro, raucht alle dreissig Minuten drei Zigaretten. Mittags trinkt er mindestens eine Maschine Weizen, meistens zwei.
Um vier verabschiedet er sich bereits. Gemäss eigenen Angaben muss er sich noch um andere Mandate kümmern. Das bedeutet, er muss sein Portfolio überwachen. Hier eine Immobilie, dort Spielgeld für Day-Trading. Alles erledigen, was er nicht zwischen den Zigaretten im eingeklemmten Raucherzimmer erledigen kann.
Er wird entsandt. Er muss einen fernen Lieferanten inspizieren. Warum und weshalb ist irrelevant. Er ist Bote, Richter und Henker zugleich. Eine Geschäftsreise, freilich verrechenbar. Die Anreise und Rückreise hat er mit einem grosszügigen Multiplikator belegt, eine ausserordentliche Spesenpauschale hat er selbstredend vereinbart.
Geschickt hat er den Auftrag bereits an einen anderen Unternehmensberater delegiert. Er muss den Mehraufwand der Koordination zusätzlich verrechnen. Und ausserdem müssen die beiden Unternehmensberater zusammen anreisen. Er verrechnet 20% für seine Dienste, zumindest diesmal transparent.
Der beauftragte andere Unternehmensberater inspiziert den Lieferanten, kopiert die Beurteilung vom letzten Lieferanten, ändert das Logo, überprüft die Metadaten des Dokuments, perfektioniert hier und da Floskeln. Fertig. Sie haben fünf Tage Inspektion budgetiert. Faktisch brauchte der beauftragte Unternehmensberater bloss vier Stunden.
Derweil sündigen sie in der fernen Stadt des Lieferanten. Geschäftsessen sind selbstverständlich. Auch Bordellbesuche frappieren nicht. Einmal weilen sie erneut im Bordell. Sie haben vier Nutten bestellt. Omnipotent fürwahr. Eine genügt ja nicht, weil ja bloss Nutte. Die jeweils zugewiesenen Nutten müssen sich zunächst selber befummeln.
Das klappt. Die beiden Berater fühlen sich einigermassen angeregt, obwohl oder weil bereits betrunken. Die eine Nutte Uelis ist sehr motiviert. Sie nimmt wohl ihren Beruf ernst. Das ist okay. Sie will ihre Nutten-Kollegin für Wachsspielchen begeistern. Vermutlich sind Schmerzen aphrodisierend.
Sie hat eine ordentliche Kerze organisiert, die sehr wahrscheinlich tagsüber als sensibler und penisähnlicher Dildo fungiert. Den Wachs lässt sie langsam auf den Rücken der räkelnden Nutten-Kollegin tropfen. Die Darbietung gelingt. Ueli ist entzückt. Vergessen sind die Enttäuschungen, Erniedrigungen und Schmerzen im Ausschuss in der Zentrale.
Ueli nähert sich, will den semiblanken Po der Nutten-Kollegin tätscheln. Im kichernden Frohlocken allerdings der engagierten Nutte verschüttet sie versehentlich einen Tropfen Wachs auf die Anzugshose Uelis. Falls der Ständer wahr war, jetzt ist er hinüber. Ueli ist empört und rauft über die Inkompetenz der motivierten Nutte. Er hat die Kontrolle verloren. Er ist erneut Opfer.
Die Party droht zu enden. Doch die engagierte Nutte ist tatsächlich engagiert. Sie sucht ein Bügelbrett, ein Löschblatt und bemüht sich in knapper Reizwäsche, Uelis Hose zu säubern. Dennoch will Ueli nicht mehr. Man verabschiedet sich, Ueli bezahlt Nutten wie Champagner.
Die Inspektion war erfolgreich. Nun wissen alle, was alle ohnehin wussten, aber niemand wissen wollte. Endlich eine einigermassen sinnvolle Tat Uelis. Das Eskapaden der Geschäftsreise sind zwar privatisiert, indirekt aber durch die Gesellschaft finanziert. Er geniesst seine kleine, aber durchaus feine Genugtuung.
Zwei Wochen später erkrankt Ueli. Er kriegt einen dicken Hals. Vermutlich mehr als eine blosse Metapher. Er muss sich kurz kurieren, kann dennoch wenigstens 50% verrechnen. Er möchte nicht mehr zurückkehren. Er tut noch mehr so als ob – bloss remote und mit Lync, der damals gängigen Corporate Collaboration Lösung.
Was heute diese Unternehmensberater so tun, das nächste Mal.