Ich glaube, ich spüre einen verwegenen Moment des Flows. Also möchte ich Uelis Geschichte fortführen. Uelis Werdegang wäre ebenso reizend und erzählenswert. Das eventuell bei Lust und Laune meinerseits. Vorläufig die nächste Episode mit Ueli, dem unbedeutenden Unternehmensberater in der Zentrale in der Innenstadt.
Ueli ist das fleischgewordene Provisorium. Obwohl bloss befristet engagiert, hat er knapp ein Jahr verrechnen können. Uelis Geschäftsreisen sind nachahmenswert. Uelis Leistungsausweis ist nicht signifikant. Ueli fristet in seinem Einzelbüro und im halböffentlichen Raucherbereich.
Seine heruntergekommene Immobilie besorgt und belastet ihn. Er sträubt sich, eine Verwaltung oder einen Abwart zu verpflichten. Er sei auf die Rendite angewiesen; seine Frau und seine Tochter seien zu kostspielig. Ausserdem spare er für ein wuchtiges Wohnmobil. Das sei alles zu viel und anstrengend und spülen müsse er auch noch.
Uelis Immobilie ist in zwölf Wohnungen unterschiedlicher Grösse separiert. Er verwaltet die Liegenschaft selber. Manchmal mehr oder weniger offensichtlich während seiner Dienstleistungen für den Kunden. Auch Ueli ist moralisch, kennt und respektiert den Kodex aller Unternehmensberater: Du sollst nicht zu offensichtlich zu viel verrechnen.
Eigentlich könnte er ja die Aufgabe an seine gelangweilte Frau delegieren, damit sie beschäftigt ist und ihn fürderhin nicht alle fünfzig Minuten anrufen muss, ob sie beispielsweise die gelbe oder rote Regenjacke fürs verwöhnte Töchterchen im Globus kaufen solle – derweil sie überteuerte Unterwäsche inspiziert, um sich attraktiv zu fühlen.
Das wäre ein perfekter Match. Doch damit würde sein Frauchen auch gewisse Kompetenzen überschreiten. Das wäre für Ueli nicht angemessen. Die Frau ist da, weil es notgedrungen ist. Nicht weil er will, sondern weil er muss. Solange die Frau daheim und abhängig ist, kann er noch etliche Geschäftsreisen verköstigen – und tun, was er will.
Uelis Lösung dagegen überrascht nicht. Er hat eine ältere Mieterin in seinem Portfolio entdeckt. Eine Schweizerin. Sie beklagt den Verfall der Immobilie, das ausländische Gesindel, die Unordnung, den Dreck; alles sei ohne Anstand und Sitte. Bisher hat sie sich vor allem wegen Wehklagen, Beschwerden und Telefonanrufen bei Ueli unbeliebt gemacht.
Wie jeder guter Berater ist auch Ueli nicht gänzlich beratungsresistent und nutzt hier und da Dienste, Anregungen und Bemerkungen wohlgesonnener Unternehmensberater, die er häufig rauchend trifft. Unternehmensberater sind grundsätzlich derart unspezialisiert, dass sie alles und nichts beherrschen – aber dafür auftretend und rhetorisch stets imponieren.
Ein exzellenter Unternehmensberater kann einen SMI-Konzern, eine Hundeschule und einen produzierenden Familienbetrieb gleichzeitig beraten, ohne das eine wie andere zu verstehen oder zu kennen oder mit seiner Unkenntnis gar aufzufallen oder sich zu blamieren. Das ist wohl das grossartigste Geschick des Unternehmensberater.
Und so beraten sich zwei Unternehmensberater über das Thema Liegenschaftsverwaltung, wovon beide eigentlich nichts verstehen. Jedenfalls hat der eine andere Unternehmensberater Ueli den Tipp geliefert, er solle doch das alte Grosi als «Abwartin» befördern, damit sie statt ihn alle anderen Mieter ständig belangen könne.
Eine grandiose Idee. Das Grosi ohne mehr Entgelt, Lohn oder sonstiger Entschädigung waltet fortan als legitime Anwältin Uelis. Sie sorgt für Ordnung und Sauberkeit und Sicherheit im heruntergekommenen Block in Wollerau, beste S-Bahn-Distanz nach Zürich, bekanntlich in einem steuergünstiger Kanton.
Das kleine und gewiss vereinsamte Grosi ist bedürftig nach Aufmerksamkeit und Anerkennung. Sie ist nun Uelis Frau fürs Grobe. Sie ist intrinsisch motiviert fürwahr. Seitdem stabilisiert sie Uelis Profit. Ueli muss lediglich einmal wöchentlich ihre Wehklagen erleiden, während er sich gepflegt abschiesst.
Ueli, der Unternehmensberater. Bald mehr?
Schreiben Sie einen Kommentar