• Die grosse Sendung mit grossem Finale

    Der Protagonist verdingt sich als Drehbuchautor für eine im Hintergrund tätige Produktionsfirma. Diese Firma liefert diverse Formate für den national zweifelhaft berühmten Sender 3+. Dieser Sender hat scripted reality in der Schweiz popularisiert. Das war durchaus des Protagonisten Verdienst. Dies ist seine fiktionale Geschichte.

    Der Protagonist entstammt einer schweizerischen Provinz. Das Studium der klassischen Philologie unterbrach er für einen sogenannten Studentenjob. Das liebe Geld knechtete ihn. Er musste Drehbücher redigieren und inhaltlich ausdünnen. So wie eine fürsorgliche Coiffeuse das voluminöse Haar. Er musste kürzen, streichen und ersetzen. Fast wie Vierjahreswahlen.

    Erwartungsgemäss beseelte die Arbeit ihn nicht. Er verantwortete Vujos schlaksige Dialoge in dessen Bachelor-Debüt. Zuweilen unterstütze Vujo ihn unfreiwillig; er konnte seine Texte sich nicht merken und verdrehte, verhaspelte Buchstaben, Wörter wie ganze Sätze. Diese Situationskomik stärkte Vujos widerliche, aber durchaus fremdbeschämende Ausstrahlung.

    Die Quoten dankten und richteten. 3+ würdigte Vujo mit einer eigenen Format. Der Protagonist lieferte den Text, quasi die Botschaft des dürftigen Mediums. Doch das Spiel langweilte ihn rasch. Mittlerweile ist der Protagonist arriviert. Das abgebrochene Studium lastet nicht. Vielmehr, es rechtfertigt seinen Titel als creative director der Produktionsfirma.

    Als kreativer Chef einer Kreativindustrie ist unser Protagonist herausgefordert, mit immer neueren und wilderen Formate die Sinne des abgestumpften Publikums zu überreizen. Jedes weitere Sendejahr erschwert das unehre Unternehmen. Doch der Protagonist darf und kann nicht kapitulieren. Er muss ganz futuristisch handeln.

    Er hat das Steigerungsspiel der Moderne begriffen und verinnerlicht. Auch Begriffe wie Hyperrealität sind ihm vertraut. Sein nicht ausgewiesener humanistischer Bildungshintergrund mag helfen, kann aber nicht klären und kann auch seine kreative Krise nicht überwinden. Er muss also paktieren. Notfalls teuflisch, bestenfalls nihilistisch.

    Er zauderte keinen Moment, als ein neuartiges Format skizzierte. Dieses Format soll seine Karriere krönen. Sie soll sein Leben als unabhängiger Autor finanzieren. Er möchte sich damit endgültig freikaufen. Er möchte diese Medienszene verlassen, entfliehen. Er möchte nicht mehr mit den Blofelds Zürichs 25-jährige Social Media Verantwortliche belauern.

    Wie tief kann man eine Menschenwürde bemessen? Jeder Mensch nennt einen Preis. Doch welcher Preis ist der geringste? Das interessiert ihn. Das neue Format «Fünfzig Rappen» fokussiert diese Frage. Darin werden gewöhnlich-normale Menschen unangenehmen Alltagssituationen ausgesetzt. Also Situationen, die jedermann kennt.

    Einige Situationen sind harmlos; man muss allen Bettbekanntschaften anrufen und beichten, man habe Aids und habe sie infiziert. Das Publikum bestimmt den Preis. Je mehr Menschen bei einer überteuerten Automatenhotline anrufen, umso mehr sinkt der mögliche Verdienst des Teilnehmers. Andere Situationen sind hingegen bedeutend schwieriger.

    Der maximale Gesichtsverlust. Zum Beispiel muss der Teilnehmer seinen Eltern wie Grosseltern eine Frau als grosse Liebe vorstellen, die eine offensichtliche Transe ist. Oder der Teilnehmer muss seinen Job möglichst dramatisch und ohne Hintertüre kündigen. Oder er muss sich die Hose anpinkeln lassen und dann in einer hellen Szene-Bar Bier ordern.

    Unser Protagonist erweitert die Situationen beliebig. Persönliche Situationen inspirieren ihn, manche werden auch von begeisterten Zuschauern eingereicht. Das erleichtert ihn, weil verwirklicht das lukrative prosumer Prinzip. Das Format kann nicht erschöpft werden. Die Zuschauer definieren die Vergütung. Scheitern die Teilnehmer, verflüchtigt sich deren Guthaben.

    Unser Protagonist erlebt einige Jahre des ultimativen Erfolges. Man feiert ihn hinter der Bühne. Die Blofelds Zürichs hofieren, schmeicheln ihn. Er tanzt im Gonzo wie im Hive, trotz seines fortgeschrittenen Alters. Er zelebriert den reichen und doch sündigen Berufsjugendlichen. Koks und Nutten entzünden ihn.

    Medienjournalisten verurteilen ihn. Sie enthüllen die Ausschweifungen unseres Protagonisten. Sie moralisieren. Doch dadurch verehren ihn die Blofelds der Stadt umso mehr. Diese FDP wählende, aber für junge Werbeannatinas grün geschönte Hedonisten, die im Zynismus der Welt sich bequemen. Unser Protagonist bannt, verzaubert sie alle.

    Die Jahre des Exzesses haben keinen Kater hinterlassen. Er ist weiterhin jugendlich, frisch. Er kann mithalten. Sein Format erzielt weiterhin gute Quoten. Die Menschen lassen sich für einige Rappen demütigen. Sie ruinieren freiwillig ihre soliden Lebensläufe. Das sind keine Asoziale, die bereits verloren und in einer Parallelgesellschaft hausen.

    Es sind gesunde Menschen. Doch die grosse Gier nach Reichtum und sozialer Aufmerksamkeit motiviert sie. Mag sie noch so negativ sein, mag sie noch so einen zerstören. Die ebenso hungrigen Medien berichten über alle neuesten Situationen. Die grösste Steigerung unseres Protagonisten war der Amoklauf.

    Ein Teilnehmer konnte fünfhundert Franken mit einem Amoklauf häufen. Das Publikum empörte sich anfänglich. Doch die Neugier verführte sie alle. Welche Grenze kann das Format wirklich überschreiten? Wo endet oder beginnt die Realität? Die Neugier siegte. Schliesslich massakrierte der Teilnehmer Frauen und Kinder, unschuldige Beteiligte.

    Die Sendung bedauerte offiziell die Todesopfer. Sie organisierte ein Sondersetting, das die Psyche des Teilnehmers ergründete. Man pathologisierte. Der Teilnehmer sei seit jeher «krank» und «psychopathisch», so ein fingierter Psychologe. Die Sendung triggerte bloss. Doch das beruhigte die Öffentlichkeit nicht mehr.

    Unser Protagonist muss auf Titelseiten sein Format bereuen. Sein Vermögen musste er aufgrund der öffentlichen Meinung den Angehörigen der Opfer überweisen. Er war blank. Auch die Blofelds distanzierten sich. Er konnte nirgends mehr auswärts essen. Er wurde nirgends mehr bedient. Er war nun selber tot.

    Was blieb übrig? Sein Leben ist verpatzt. 


  • Die verschworenen Spassterroristen

    Ich proklamiere nichts, ich fordere nichts. Ich terrorisiere bloss. Bloss, weil es mich erregt. Ich möchte Menschen morden und erschiessen, ich möchte die Gesellschaft verunsichern und bedrohen. Nicht, weil ich Flüchtlinge retten, Gefangene befreien oder einen Gottesstaat installieren möchte, sondern weil ich Vergnügen empfinde.

    Diese Form des Terrorismus irritiert uns. Es sind keine Befreiungskämpfer, keine Gutmenschen oder Gutgläubige. Es sind radikalisierte Hedonisten. Sie sind weder verzweifelt noch entschlossen. Sie sind einfach getrieben. Sie ringen nicht für eine bessere, schönere oder gerechtere Welt. Sie streben nach persönlicher Befriedigung.

    Gewiss könnte eine solche Geschichte schockieren. Ich müsste sie aber auch stringent erzählen. Die Last der Welt aufwerfen, die Schmerzen der Welt begründen. Ich müsste eine sexuell frustrierte Person skizzieren. Eine Verbindung, die sich gegenseitig verschwört und deckt. Doch aus den besten Kreisen; keine Randständigen.

    Sie sind ausgerüstet und vernetzt. Tagsüber dienen sie der allgemeinen Produktivität, nachts verkleiden, maskieren sie sich. Sie irrlichtern durch die Proletarierviertel grosser Weltstädte. Sie jagen Obdachlose, Gangster oder verliebte Pärchen und verstümmeln diese rituell. Sie platzieren Bomben in Einkaufszentren und filmen den Effekt von Splittergranaten.

    Niemand kann sie verstehen. Der ISIS «bekennt» sich dankbarst. Sie widersprechen nicht. Doch die Allgemeinheit spürt, dass irgendjemand-irgendetwas hier werkt und vollbringt, das man mit einem normalen Verstand nicht mehr erfassen wie begreifen kann. Wie können Menschen bloss so grausam sein, ächzen die verängstigten Menschen im Verborgenen.


  • Der vorgeschobene Altersroman

    Ich las kürzlich Houellebecqs Karte und Gebiet. Da ich meine Serie begonnen habe, möchte ich gerne weiterhin gelesene Bücher hier besprochen. Um einerseits natürlich üben zu können, andererseits um das Gelesene nochmals reflektieren zu dürfen.

    Worum geht’s? Ein Anti-Künstler erobert den Kunstmarkt, ohne standesgemäss sich zu vernetzen und zu sozialisieren. Eigensinn halt. Die Kunstmotive sind simpel, dennoch durchschlagend: Die industriellen Produkte und deren Berufe. Darauf konzentriert sich der Künstler in sehr grossen und langatmigen Zyklen. Irgendwann reüssiert er, verdient viel, verdammt viel Geld, das er aber nicht in Nutten und Koks vergeudet.

    Der Roman ist sehr «gemütlich». Wirklich gemütlich. Es öffnen sich keine Abgründe. Man muss sich nicht quälen. Die Geschichte ist auch nicht sonderlich «tragisch». Niemand muss langsam sterben oder verhungern. Niemand muss verzweifeln. Niemand ist suizidal. Natürlich sind die Umstände des Künstlers kaum erquickend; die Mutter erhängt, der Vater überarbeitet. Aber dennoch ist’s irgendwie «entspannt».

    Der Roman enttäuscht mich, weil er mich nicht aufwühlt. Mir scheint, als ob Houellebecq seinen Altersroman vorgeschoben hätte. Natürlich glückt ihm die Integration seiner eigenen Person, die dann schliesslich als Mordopfer zu beklagen ist. Ein Opfer einer sexuell sehr abgestumpften, aber professionell agierten Verbindung, die Leichen möglichst kunstvoll zerstückelt. Der Tod als ultimatives Kunstwerk; gleichzeitig als sexuelle Lust.

    Mir gefiel natürlich die Geschichte des Aufstieges des Künstlers. Ich mag Aufstiegsgeschichten. Und das Schöne ist, dass der Aufstieg nicht endet. Er pausiert bloss. Der Tod des Autors unterbricht diese Geschichte. Plötzlich sind Kriminalbeamte fokussiert. Hier experimentiert Houellebecq. Ich kann nicht referenzieren oder vergleichen; ich weiss nicht, wie ein Kriminalroman ausgestaltet werden muss. Für mich ist’s gut gelungen.

    Nachdem Houellebecqs fiktionaler Tod enträtselt ist, kann der Künstler nochmals wirken. Mittlerweile hat der Roman auch die Gegenwart überschritten. Frankreich ist ein Vergnügungspark quasi. Ein Museum. Doch Houellebecq skizziert bloss. Es ist eine sanftmütige, altersmilde Gesellschaftskritik. Keine ultimative «Abrechnung» wie bereits in Die Möglichkeit einer Insel.

    Vermutlich hat Houellebecq bereits alles gesagt, was er sagen musste. Er hat sich ausgedrückt und krönt sein Lebenswerk mit einem kombinierten Künstler- sowie Kriminalroman, dessen Hauptopfer er selber verkörpert. Damit kann er sich von seiner eigenen, realen Person distanzieren. Er lässt offen, ob seine reale Geschichte sich fortsetzen mag oder nicht. Das ist irgendwie «nicht schlecht». Kein cliffhanger.

    Mit diesem Buch schliesse meine Houellebecq-Phase. Ich muss anerkennen, dass R. in der Ferne Recht behielt. Das Buch ist wirklich aufmunternd und entspannend. Es ist wohl Zufall, dass mit dem Abschluss des Buches meine allgemeine Lebenssituation ebenfalls bessert.


  • Das gekündigte Arbeitsverhältnis

    Ja, ich habe gekündigt. Ich habe keinen Job mehr. Ich bin in einem gekündigten Arbeitsverhältnis. Die meisten Menschen würde eine solche Situation quälen oder zermürben. Ich kann das nachvollziehen. Ich habe keine Ahnung, wer im Januar 2017 meinen Lohn finanzieren wird. Ich brauche momentan minimal 5’000.- CHF, damit ich überleben kann. Momentan habe ich aber keine Quelle, keinen Sponsor, keine reiche Frau, die mich aushalten wird.

    Also muss ich mich bemühen. Ich habe viele Optionen. Ich habe mündliche Zusagen für eine Festanstellung. Ich habe einige buddies, die mir Anstellungen vermitteln könnten. Ich bin nicht alleine. Ich bin nie alleine. Ich geniesse momentan die Möglichkeiten, die vielen Optionen, diese Freiheit. Dieses unbeschreibliche Gefühl, dass everything goes. Ich könnte auswandern, mein Glück in Berlin wagen. Ich könnte mich arbeitslos melden. Ich könnte eine Festanstellung bei meinem Lieblingskonzern anstreben.

    Ich könnte auch die Selbständigkeit riskieren. Ich habe alle Optionen frei und wählbar. Ich muss mich noch nicht entscheiden. In meinem Beruf erkläre ich oftmals das Konzept «so spät als möglich entscheiden». Das betrifft insbesondere die Architektur und Produktentwicklung. Man darf nie zu früh sich festlegen, aber auch nie zu spät. Man muss den letzten vernünftigen Moment treffen, um sich zu entscheiden. Dieser Moment ist nicht heute. Er ist auch nicht morgen. Aber er wird kommen. Ich werde ihn spüren.

    Ich geniesse derzeit diese Zwischenzeit. Ich werde mich ein wenig verausgaben. Feiern und tanzen. Geniessen und essen. In wenigen Wochen werde ich mich fokussieren, ich werde mich festlegen. Ich werde meine next steps konkretisieren. Ich werde eine Option einlösen. Ich werde meinen Marktwert testen. Bis dahin werde ich euch teilhaben. Ich werde euch erzählen. Ich versuche euch zu begeistern. Ich hoffe, meine Situation gefällt euch ebensogut wie mir. Ich hoffe, ihr versteht mich.


  • Meine Bedienungsanleitung

    Wie bedient man mich? Wie funktioniere ich? Falls jemand mich kennenlernen möchte, sollte diese Person meine allgemeinen Verhaltensmuster durchklicken und irgendwo mit einem leichtfertigen Haken akzeptieren. Für die einfachere Handhabe offeriere ich eine kleine Bedienungsanleitung. Leider ohne idiotensichere Visualisierungen.

    Knutsche mich!

    Das wichtigste ist, dass man mich küsst. Egal wann und wie. Ich liebe Knutschen. Wirklich. Ich mag knutschen vor, nach oder während dem Sex. Ich mag auch Knutschen ohne Sex. Wenn wir ohnehin «viel» Sex haben, dann können wir auch mal ohne Sex Knutschen. Ansonsten werde ich geil und spitz und will bumsen. Man kann auch spontan knutschen, im Restaurant, an einer Tramhaltestelle, aufm Sofa. Wir müssen nicht wie 14-Jährige stundenlang knutschen. Aber wir sollten regelmässig knutschen. Bitte keine flüchtigen Küsse. Ich will richtige! Ich brauche das.

    Bekoche mich!

    Ich koche ungern. Ich kann technisch funktional kochen. Aber ich mag nicht. Seit ich Geld verdiene und das apathische und asketische Leben eines Anti-Künstlers irgendwo in einem verlorenen Bunker Oltens aufgab, will ich extern, auswärts essen, will ich mein Geld fürs gute und feine Essen vergeuden. Ich will alles verjubeln. Daher verweigere ich mich, daheim für mich alleine zu kochen. Aber wenn du kochen kannst, dann tue es. Du musst nicht Pasta selber machen können oder eine hippe Fusionsküche beherrschen. Eine Pizza tut’s auch. Egal was, es ist der Akt, der mich bezaubert und fesselt.

    Kitzle mich!

    Ich will keine Frau, die mir jeden Satz glaubt. Ich erzähle manchmal Mist, ich übertreibe. Ich bin zuweilen zu grössenwahnsinnig. Also bremse und stoppe mich. Du darfst mich kritisieren. Ja, du darfst wettern, ich solle endlich ein T-Shirt tragen. Du darfst nörgeln, ich sei zu selbstverliebt. Du darfst mich korrigieren, dass nicht alleine die Idee einer verspäteten Nation Deutschlands Überfall Belgiens 1914 verschuldete. Oder wie auch immer. Du weisst es durchaus besser, sonst wäre ich nicht mit dir zusammen. Du bist kein Dummerchen und ich kein Gott. Natürlich habe ich meine Vorzüge und Qualitäten, aber ich bin verdammt fehlbar. Ich möchte mich aber bessern. Aber übertreibe nicht, du sollst nicht ständig und dauernd quengeln, hier und da Nichtigkeiten monieren.

    Blase mich!

    Ja, ich bin lebenshungrig. Ich möchte eine Sexualität, die nicht verkümmert. Du musst nicht stundenlang einen trockenen Schwanz rubbeln. Das ist voll ungeil. Es ist auch nicht geiler, wenn du es schneller machst. Manchmal darf Frau einfach mal die Fresse aufmachen und ihn reinstecken. Das korreliert mitm «Kitzle mich!». Nicht immer zu viel reden und wollen. Manchmal einfach die grosse Macht erfahren, einen Schwanz im Mund zu haben. Ja, ich bin abhängig davon, ich bin süchtig danach. Wer mich wirklich süchtig machen will, sollte das tun. Man sollte es nicht tun, bloss weil ich es will und man muss oder ich es fordere, sondern weil es man selber gerne tut. Ansonsten ist’s ein Betrug, den ich sofort spüre. Das ist abtörnend. Das Blasen kann man gerne mit einem Vorspiel koppeln. Man darf mir auch «einfach so» blasen. Ich habe keine Probleme damit. Man muss sich bloss wagen. Ich kann auch irgendwo draussen; im Zug, aufm Klo oder auf einer Sitzbank. Wenn du gut bläst, dann revanchiere ich mich als unbändig-leidenschaftlicher Liebhaber. Versprochen!

    Tanze mit mir!

    Tanze mit! Tanze mit mir! Wir können gelegentlich durchdrehen. Wir müssen gelegentlich ausbrechen. Wir können nicht immer aufm Coach hängen, die NZZ am Sonntag oder die ZEIT lesen, über die Gefahren der Gentechnik debattieren und das bedingungslose Grundeinkommen befürworten oder Houellebecqs Karte und Gebiet rezensieren. Wir müssen feiern und tanzen. Nicht jeden Abend. Aber wir sollten. Auch wenn wir bereits jenseits der 30 sind, müssen wir feiern. Wir können Muschishots verschütten. Wir können im Terminus unseren Abend terminieren. Wir können in der Bar 97 Eistee schlürfen. Am nächsten Tag können wir problemlos auf einer Couch dösen, knutschen, Essen beschaffen und meinetwegen kitschige Filme gucken. Alles ist möglich, sofern wir einen Rahmen schaffen, wo wir kontrolliert unkontrolliert sein können; gemeinsam.

    Teile mit mir!

    Wir müssen unsere Ziele nicht totalst überdecken können. Wir müssen sie aber teilen können. Teilen bedeutet für mich auch, teilhaben, kommunizieren, weiterschenken. Wir müssen nicht alle unsere Ziele opfern für ein gemeinsames Haus oder züchtigen Nachwuchs. Keinesfalls. Aber wenn du Ziele hast, dann teile sie mir. Teile sie mir mit. Erzähle sie mir. Ich interessiere mich schliesslich für dich und deine Träume. Ich will wissen, was dich antreibt. Wir haben sooderso Kongruenz. Aber wir werden auch sooderso Differenz haben. Ich will deine Träume kosten. Aber probiere auch meine. Weil auch ich habe welche. Diese werde ich niemals eintauschen, egal wie gut du kochen und blasen oder was auch immer kannst. Ich will, dass wir gemeinsam und einsam unsere Ziele erlangen. Dass wir beide Erfolg haben. Ich will keine Frau, die einen Mann ziert, auch wenn du sicherlich wunderschön und anmutig ausschaust und sicherlich mit guten Genen ausgestattet bist. Ich will eine Frau, die notfalls sogar erfolgreicher sein könnte als ich. Aber fürchte dich nicht, wenn ich erfolgreicher sein werde als du. Du verliebst dich nicht nur in mich, sondern auch in mein unendliches Potenzial, das dich berauscht.

    Frage mich!

    Hast du etwas gehört, gesehen, gelesen oder gespürt? Dann frage mich! Du kannst mit mir alles bereden. Aber du musst mich fordern. Ich funktioniere zuweilen zu gut. Ich bin manchmal ein wenig abgelenkt und zerstreut. Du willst meinen Fokus, dann frage mich. Du darfst mich fragen, ich werde dir antworten. Ich kann dir die Welt, meine Gefühle und alles erklären. Ich kann sehr redselig sein. Wenn dich das stört, frage mich nicht. Du darfst mich auch fragen, welche Folge von Star Trek ich bevorzuge. Oder welche Folge einer Schrecklich netten Familie. Du kannst mich ebenso fragen, was die grosse Sesshaftigkeit, die grosse neolithische Revolution verursacht hatte. Weil ich liebe solche Themen. So wie ich ebenfalls die Abgründe der Menschheit liebe; Amokläufe, Verzweiflung und Verbitterung. Nebenbei führt, wer fragt. Du kannst mich damit gut lenken. Ich werde dich begehren, ich werde zurückfragen. Denn ich interessiere mich ebenso für dich, sonst wärst du nicht bei mir oder ich nicht bei dir. Schliesslich werde ich dich berühren. Wenn du zu viel fragst, werde ich dich einfach knutschen. Du kannst nichts verlieren, also riskiere, stelle mir doofe Fragen.


  • Im Rausche

    Wie fühle ich mich? Ich fühle mich befreit und entfesselt. Ich fühle, alles sei möglich und machbar. Everything goes, aber diesmal wirklich. Wirklicher. Ich weiss, ich betrüge mich. Je höher ich steige, desto tiefer ich falle. Ich kenne die Naturgesetze. Ich kenne mich. Aber derzeit möchte ich mich nicht bremsen. Einige Ereignisse sowie Erlebnisse haben mich befeuert. Ich möchte das Feuer in mir weitertragen. Ich möchte nicht, dass es jetzt bereits erlischt. Ich möchte nicht gross nachdenken. Ich möchte stattdessen einfach mal erleben und spüren. Ich kann danach ja wieder grübeln. 


  • Das Familiendrama

    Die Familie kaufte sich ein Häuschen in einem Vorort Oltens. Es war gewiss nicht das grösste und schönste. Nebenan thronten eingesessene Familien, die über Jahrhunderten Beachtliches häuften. Das störte sie nicht sonderlich. Der Vater war bei einem nationalen Stromversorger angestellt. Die Mutter umsorgte liebevoll zwei Buben.

    Auch gewiss waren die Kinder nicht die schönsten und klügsten. Sie waren beide jedoch sportlich, in einer bekannten Jungmannschaft engagiert. Der ältere Bruder absolvierte eine kaufmännische Grundausbildung, der jüngere Bruder weilte noch in der Schule. Sie beide waren bleich. Sie waren keine Übermenschen, sondern normal und anständig.

    Die Tage wiederholten sich. Der Vater quälte sich durch seine 40h-Woche. Die Mutter erzog und pflegte das Familienglück. Der älteste Sohn kiffte, trank manchmal Alkohol. Der jüngste fiel nicht weiter auf. Niemand konnte ahnen, was demnächst Olten schockierte. Eine ganz normale Familie. Eigentlich glücklich und ohne Grund. Ohne ersichtlichen Grund.

    Denn eines Tages kehrte der Vater erneut heim. Er platzierte seine Jacke an der Garderobe, zog seine Schuhe aus, stieg in seine Adiletten. Er grüsste Frau und das jüngste Kind. Er verabschiedete sich in den Keller. Er wollte noch einige Reparaturen erledigen. Er entsicherte seinen Werkzeugschrank. Er hielt inne.

    Er griff nach seinem Sturmgewehr 90. Er munitionierte auf. Die Frau benachrichtigte ihn, er könne essen; Broccoli-Teigwaren-Auflauf, eine leichte Abendmahlzeit. «Einen Moment Schatz», erwiderte er hörbar und deutlich. Er maskierte sich. Er möchte nicht wiedererkannt werden. Er möchte sich distanzieren.

    Er marschierte die Kellertreppe hoch. Entschlossen hob er den rechten Fuss zuerst, zog den linken nach. Jeder Schritt vollstreckte er bewusst und intensiv. Er spürte sich das erste Mal seit Jahren. Er war aufgeregt, nervös, aber zutiefst entschlossen und ergriffen. Schliesslich lockerte die Kellertüre. «Ich bin gleich da!», informierte er unschuldigst seine Familie.

    Sein Sohn guckte fern. Sein Sohn drehte sich um. Sah den maskierten Vater, bewaffnet mit einem Sturmgewehr. Der Vater erschoss ihn sofort. Der Sohn konnte sich nicht wehren. Die Mutter erschrak. «Was ist los?? Was war das?? Um Gottes Willen??», stürmte sie ins Wohnzimmer. Der Vater wandte sich, er blickte sie eine halbe Sekunde an. Und feuerte halbautomatisch.

    Er hat seinen Sohn und seine Frau ermordet. Er wollte sich wieder einmal männlich und entschlossen fühlen. Er wollte seine Grenzen erfahren. Und nun hat er sie überquert. Er kann aber niemals wieder zurückkehren oder irgendwas normalisieren. Das Leben ist nun sinnlos. Er verkürzte nun auch sein Leben und sackte zusammen.

    Diese Geschichte basiert auf wahren Tatsachen. Die Geschichte ist aber in meinem Sinne dramatisiert worden. Ich empfinde weiterhin grösstes Beileid für die Opfer.


  • Mal ein Auge zudrücken

    Typischerweise kann ein Mann ein Auge zudrücken, wenn eine anvertraute Frau intellektuell oder sozial oder selbst erotisch tiefer, tiefer gestellt-eingestuft ist. Ein Mann dieser Situation kann sich gönnerhaft inszenieren, weil den Status der Frau anheben. Das ist gute Praktik und vielfach verfilmt und verschrieben.

    Doch andersherum beobachte ich das selten. Eine kluge, gebildete und hübsche Frau kann niemals sich mit einem dümmeren, ungehobelteren oder hässlicheren Mann paaren. Es sei denn, es ist ein ausgewiesener toy boy, dessen Schwanzumfang alles kompensiert. Aber eine vernünftige Frau bindet langfristig sich nicht so.

    Was erkennen wir?


  • Die magischen Fragen

    Es existieren 36 Fragen, die eine gewisse Intimität simulieren. Ich nutze solche Fragen seit Jahren. Seit ich das erste Mal einen IRC-Channel jointe. Auch ich bin bereits in diesem Stil befragt worden. Ich kenne eine Person, die mittels Fragen provoziert, dass Menschen sich ihr anvertrauen können. Die meisten verlieben sich rasch und ohne grossen Widerstand.

    Praktischerweise hat der Blick am Abend kürzlich über solche Fragen berichtet. Dadurch sind sie einigermassen popularisiert. Wer sie seitdem nutzt, dem kann man eine gewisse Gerissenheit-Verwegenheit unterstellen. Flankierend empfehle ich also systemische Fragen. Ich bevorzuge hypothetische Fragen. Mittels Skalierungsfragen ermittle ich Intensität.

    Solche Fragen verwandeln einen in den perfekten Zuhörer. Man kann dann zurücklehnen. Man muss bloss hier und da mit einer zirkulären Frage das Gegenüber auflockern. Sodass man wieder mittels hypothetischen und Skalierungsfragen einen bestimmten Punkt vertiefen kann. Das wiederholt man solange, bis man Vertrauen erlangt.

    Ich praktiziere solche Fragespiele beruflich täglich. Ich ergründe Konflikte, ich ertaste Einstellungen und erspüre Befindlichkeiten. Privat kann ich mich als galanter Zuhörer inszenieren. Das verbessert meine Wettbewerbssituation im Sexmarkt. Ich müsste sie bloss ausnutzen. Aber das ist wie Spicken. Ist irgendwie Betrug.


  • Langlebige Beziehungen

    Ich bevorzuge langlebige, stabile Beziehungen. Ich meine nicht bloss die Liebe. Auch diese. Ich meine vor allem zwischenmenschliche Beziehungen. Jene Menschen, die mir heute noch nahe sind, waren es meistens auch schon vor zehn Jahren. Auch wenn sie mir manchmal die Unterstützung versagen, wenn ich mich wirklich blamiere und mies benehme.

    Ich, du, wir sind füreinander da.

    Wir verstehen den kompletten Kontext des anderen. Wir kennen alle Geschichten, alle Episoden und Verlängerungen. Wir wissen, wann und wieso wer glücklich oder erfolgreich war. Wir sind geduldige und stille Teilhaber. Das vergrössert das Verständnis, stärkt die Empathie für alle Lebenssituationen, die man noch erleiden darf. Das tröstet.

    Demgegenüber beobachte ich aber auch Menschen, die rastlos sind. Deren Beziehungen künstlich begrenzt sind. Diese Menschen erleben zwar einen Abschnitt, der durchaus intensiv ist. Aber alles ist terminiert. Nach Monaten oder Jahren brechen sie auf. Gehen sie fort. Es muss keine Flucht sein; es ist ein Lebensmodell.

    Allerdings müssen sie sich immer wieder frisch erklären. Ich lerne kaum neue Menschen kennen, weil ich nicht meinen kompletten Kontext vermitteln möchte. Ich müsste ein Buch schreiben. Darin alles konsolidieren und einigermassen bewerten. Und das Buch meinen jungen Kontakten aushändigen. Zuerst lesen, dann reden. Aufwändig, nicht wahr?

    Denn um jemanden mehr oder besser verstehen zu können, muss man dessen Geschichte kennen. Die komplette. Nichts auslassen, nichts aussparen. Wer das nicht tut, der kann nie das grosse Verständnis erlangen, das Menschen besänftigt, das sie zum Weiterleben ermuntert. Er schlüpft dann stets durch.

    Ich kenne die Geschichte einiger Menschen. Ich kenne ihren Schmerz, ihre Enttäuschung. Ich spüre teils auch ihre Verbitterung. Ich habe die Gabe, alle Empfindungen aufzusaugen wie ein Schwamm. Ich bin der Weltschwamm. Ich spüre, dass gewisse Menschen insgeheim nach stabilen Beziehungen sich sehnen, diese aber gleichzeitig sabotieren.

    Weil sie sich fürchten, ihre Unabhängigkeit zu verlieren. Weil sie nicht erklärt und verstanden werden wollen. Sie kokettieren damit, dass niemand sie verstehe. Gewissen Szenen kann dieser Attest durchaus imponieren. Mich nicht, jeder will einzigartig, besonders und unergründlich sein. Das wollen alle.

    Meine Empfehlung ist, dass man Beziehungen jahrelang intensiviert. Dass man sich wirklich austauscht. Ehrlich ist. In jeder Lebenssituation. Sich nicht abwendet. Halt einander billigt und auch akzeptiert. Und dass man Vertrauen mit Taten schafft. Weniger mit Worten. Hier eine Unterstützung, dort eine selbstlose Anerkennung.