• Die verschworenen Spassterroristen

    Ich proklamiere nichts, ich fordere nichts. Ich terrorisiere bloss. Bloss, weil es mich erregt. Ich möchte Menschen morden und erschiessen, ich möchte die Gesellschaft verunsichern und bedrohen. Nicht, weil ich Flüchtlinge retten, Gefangene befreien oder einen Gottesstaat installieren möchte, sondern weil ich Vergnügen empfinde.

    Diese Form des Terrorismus irritiert uns. Es sind keine Befreiungskämpfer, keine Gutmenschen oder Gutgläubige. Es sind radikalisierte Hedonisten. Sie sind weder verzweifelt noch entschlossen. Sie sind einfach getrieben. Sie ringen nicht für eine bessere, schönere oder gerechtere Welt. Sie streben nach persönlicher Befriedigung.

    Gewiss könnte eine solche Geschichte schockieren. Ich müsste sie aber auch stringent erzählen. Die Last der Welt aufwerfen, die Schmerzen der Welt begründen. Ich müsste eine sexuell frustrierte Person skizzieren. Eine Verbindung, die sich gegenseitig verschwört und deckt. Doch aus den besten Kreisen; keine Randständigen.

    Sie sind ausgerüstet und vernetzt. Tagsüber dienen sie der allgemeinen Produktivität, nachts verkleiden, maskieren sie sich. Sie irrlichtern durch die Proletarierviertel grosser Weltstädte. Sie jagen Obdachlose, Gangster oder verliebte Pärchen und verstümmeln diese rituell. Sie platzieren Bomben in Einkaufszentren und filmen den Effekt von Splittergranaten.

    Niemand kann sie verstehen. Der ISIS «bekennt» sich dankbarst. Sie widersprechen nicht. Doch die Allgemeinheit spürt, dass irgendjemand-irgendetwas hier werkt und vollbringt, das man mit einem normalen Verstand nicht mehr erfassen wie begreifen kann. Wie können Menschen bloss so grausam sein, ächzen die verängstigten Menschen im Verborgenen.


  • Der vorgeschobene Altersroman

    Ich las kürzlich Houellebecqs Karte und Gebiet. Da ich meine Serie begonnen habe, möchte ich gerne weiterhin gelesene Bücher hier besprochen. Um einerseits natürlich üben zu können, andererseits um das Gelesene nochmals reflektieren zu dürfen.

    Worum geht’s? Ein Anti-Künstler erobert den Kunstmarkt, ohne standesgemäss sich zu vernetzen und zu sozialisieren. Eigensinn halt. Die Kunstmotive sind simpel, dennoch durchschlagend: Die industriellen Produkte und deren Berufe. Darauf konzentriert sich der Künstler in sehr grossen und langatmigen Zyklen. Irgendwann reüssiert er, verdient viel, verdammt viel Geld, das er aber nicht in Nutten und Koks vergeudet.

    Der Roman ist sehr «gemütlich». Wirklich gemütlich. Es öffnen sich keine Abgründe. Man muss sich nicht quälen. Die Geschichte ist auch nicht sonderlich «tragisch». Niemand muss langsam sterben oder verhungern. Niemand muss verzweifeln. Niemand ist suizidal. Natürlich sind die Umstände des Künstlers kaum erquickend; die Mutter erhängt, der Vater überarbeitet. Aber dennoch ist’s irgendwie «entspannt».

    Der Roman enttäuscht mich, weil er mich nicht aufwühlt. Mir scheint, als ob Houellebecq seinen Altersroman vorgeschoben hätte. Natürlich glückt ihm die Integration seiner eigenen Person, die dann schliesslich als Mordopfer zu beklagen ist. Ein Opfer einer sexuell sehr abgestumpften, aber professionell agierten Verbindung, die Leichen möglichst kunstvoll zerstückelt. Der Tod als ultimatives Kunstwerk; gleichzeitig als sexuelle Lust.

    Mir gefiel natürlich die Geschichte des Aufstieges des Künstlers. Ich mag Aufstiegsgeschichten. Und das Schöne ist, dass der Aufstieg nicht endet. Er pausiert bloss. Der Tod des Autors unterbricht diese Geschichte. Plötzlich sind Kriminalbeamte fokussiert. Hier experimentiert Houellebecq. Ich kann nicht referenzieren oder vergleichen; ich weiss nicht, wie ein Kriminalroman ausgestaltet werden muss. Für mich ist’s gut gelungen.

    Nachdem Houellebecqs fiktionaler Tod enträtselt ist, kann der Künstler nochmals wirken. Mittlerweile hat der Roman auch die Gegenwart überschritten. Frankreich ist ein Vergnügungspark quasi. Ein Museum. Doch Houellebecq skizziert bloss. Es ist eine sanftmütige, altersmilde Gesellschaftskritik. Keine ultimative «Abrechnung» wie bereits in Die Möglichkeit einer Insel.

    Vermutlich hat Houellebecq bereits alles gesagt, was er sagen musste. Er hat sich ausgedrückt und krönt sein Lebenswerk mit einem kombinierten Künstler- sowie Kriminalroman, dessen Hauptopfer er selber verkörpert. Damit kann er sich von seiner eigenen, realen Person distanzieren. Er lässt offen, ob seine reale Geschichte sich fortsetzen mag oder nicht. Das ist irgendwie «nicht schlecht». Kein cliffhanger.

    Mit diesem Buch schliesse meine Houellebecq-Phase. Ich muss anerkennen, dass R. in der Ferne Recht behielt. Das Buch ist wirklich aufmunternd und entspannend. Es ist wohl Zufall, dass mit dem Abschluss des Buches meine allgemeine Lebenssituation ebenfalls bessert.


  • Das gekündigte Arbeitsverhältnis

    Ja, ich habe gekündigt. Ich habe keinen Job mehr. Ich bin in einem gekündigten Arbeitsverhältnis. Die meisten Menschen würde eine solche Situation quälen oder zermürben. Ich kann das nachvollziehen. Ich habe keine Ahnung, wer im Januar 2017 meinen Lohn finanzieren wird. Ich brauche momentan minimal 5’000.- CHF, damit ich überleben kann. Momentan habe ich aber keine Quelle, keinen Sponsor, keine reiche Frau, die mich aushalten wird.

    Also muss ich mich bemühen. Ich habe viele Optionen. Ich habe mündliche Zusagen für eine Festanstellung. Ich habe einige buddies, die mir Anstellungen vermitteln könnten. Ich bin nicht alleine. Ich bin nie alleine. Ich geniesse momentan die Möglichkeiten, die vielen Optionen, diese Freiheit. Dieses unbeschreibliche Gefühl, dass everything goes. Ich könnte auswandern, mein Glück in Berlin wagen. Ich könnte mich arbeitslos melden. Ich könnte eine Festanstellung bei meinem Lieblingskonzern anstreben.

    Ich könnte auch die Selbständigkeit riskieren. Ich habe alle Optionen frei und wählbar. Ich muss mich noch nicht entscheiden. In meinem Beruf erkläre ich oftmals das Konzept «so spät als möglich entscheiden». Das betrifft insbesondere die Architektur und Produktentwicklung. Man darf nie zu früh sich festlegen, aber auch nie zu spät. Man muss den letzten vernünftigen Moment treffen, um sich zu entscheiden. Dieser Moment ist nicht heute. Er ist auch nicht morgen. Aber er wird kommen. Ich werde ihn spüren.

    Ich geniesse derzeit diese Zwischenzeit. Ich werde mich ein wenig verausgaben. Feiern und tanzen. Geniessen und essen. In wenigen Wochen werde ich mich fokussieren, ich werde mich festlegen. Ich werde meine next steps konkretisieren. Ich werde eine Option einlösen. Ich werde meinen Marktwert testen. Bis dahin werde ich euch teilhaben. Ich werde euch erzählen. Ich versuche euch zu begeistern. Ich hoffe, meine Situation gefällt euch ebensogut wie mir. Ich hoffe, ihr versteht mich.


  • Meine Bedienungsanleitung

    Wie bedient man mich? Wie funktioniere ich? Falls jemand mich kennenlernen möchte, sollte diese Person meine allgemeinen Verhaltensmuster durchklicken und irgendwo mit einem leichtfertigen Haken akzeptieren. Für die einfachere Handhabe offeriere ich eine kleine Bedienungsanleitung. Leider ohne idiotensichere Visualisierungen.

    Knutsche mich!

    Das wichtigste ist, dass man mich küsst. Egal wann und wie. Ich liebe Knutschen. Wirklich. Ich mag knutschen vor, nach oder während dem Sex. Ich mag auch Knutschen ohne Sex. Wenn wir ohnehin «viel» Sex haben, dann können wir auch mal ohne Sex Knutschen. Ansonsten werde ich geil und spitz und will bumsen. Man kann auch spontan knutschen, im Restaurant, an einer Tramhaltestelle, aufm Sofa. Wir müssen nicht wie 14-Jährige stundenlang knutschen. Aber wir sollten regelmässig knutschen. Bitte keine flüchtigen Küsse. Ich will richtige! Ich brauche das.

    Bekoche mich!

    Ich koche ungern. Ich kann technisch funktional kochen. Aber ich mag nicht. Seit ich Geld verdiene und das apathische und asketische Leben eines Anti-Künstlers irgendwo in einem verlorenen Bunker Oltens aufgab, will ich extern, auswärts essen, will ich mein Geld fürs gute und feine Essen vergeuden. Ich will alles verjubeln. Daher verweigere ich mich, daheim für mich alleine zu kochen. Aber wenn du kochen kannst, dann tue es. Du musst nicht Pasta selber machen können oder eine hippe Fusionsküche beherrschen. Eine Pizza tut’s auch. Egal was, es ist der Akt, der mich bezaubert und fesselt.

    Kitzle mich!

    Ich will keine Frau, die mir jeden Satz glaubt. Ich erzähle manchmal Mist, ich übertreibe. Ich bin zuweilen zu grössenwahnsinnig. Also bremse und stoppe mich. Du darfst mich kritisieren. Ja, du darfst wettern, ich solle endlich ein T-Shirt tragen. Du darfst nörgeln, ich sei zu selbstverliebt. Du darfst mich korrigieren, dass nicht alleine die Idee einer verspäteten Nation Deutschlands Überfall Belgiens 1914 verschuldete. Oder wie auch immer. Du weisst es durchaus besser, sonst wäre ich nicht mit dir zusammen. Du bist kein Dummerchen und ich kein Gott. Natürlich habe ich meine Vorzüge und Qualitäten, aber ich bin verdammt fehlbar. Ich möchte mich aber bessern. Aber übertreibe nicht, du sollst nicht ständig und dauernd quengeln, hier und da Nichtigkeiten monieren.

    Blase mich!

    Ja, ich bin lebenshungrig. Ich möchte eine Sexualität, die nicht verkümmert. Du musst nicht stundenlang einen trockenen Schwanz rubbeln. Das ist voll ungeil. Es ist auch nicht geiler, wenn du es schneller machst. Manchmal darf Frau einfach mal die Fresse aufmachen und ihn reinstecken. Das korreliert mitm «Kitzle mich!». Nicht immer zu viel reden und wollen. Manchmal einfach die grosse Macht erfahren, einen Schwanz im Mund zu haben. Ja, ich bin abhängig davon, ich bin süchtig danach. Wer mich wirklich süchtig machen will, sollte das tun. Man sollte es nicht tun, bloss weil ich es will und man muss oder ich es fordere, sondern weil es man selber gerne tut. Ansonsten ist’s ein Betrug, den ich sofort spüre. Das ist abtörnend. Das Blasen kann man gerne mit einem Vorspiel koppeln. Man darf mir auch «einfach so» blasen. Ich habe keine Probleme damit. Man muss sich bloss wagen. Ich kann auch irgendwo draussen; im Zug, aufm Klo oder auf einer Sitzbank. Wenn du gut bläst, dann revanchiere ich mich als unbändig-leidenschaftlicher Liebhaber. Versprochen!

    Tanze mit mir!

    Tanze mit! Tanze mit mir! Wir können gelegentlich durchdrehen. Wir müssen gelegentlich ausbrechen. Wir können nicht immer aufm Coach hängen, die NZZ am Sonntag oder die ZEIT lesen, über die Gefahren der Gentechnik debattieren und das bedingungslose Grundeinkommen befürworten oder Houellebecqs Karte und Gebiet rezensieren. Wir müssen feiern und tanzen. Nicht jeden Abend. Aber wir sollten. Auch wenn wir bereits jenseits der 30 sind, müssen wir feiern. Wir können Muschishots verschütten. Wir können im Terminus unseren Abend terminieren. Wir können in der Bar 97 Eistee schlürfen. Am nächsten Tag können wir problemlos auf einer Couch dösen, knutschen, Essen beschaffen und meinetwegen kitschige Filme gucken. Alles ist möglich, sofern wir einen Rahmen schaffen, wo wir kontrolliert unkontrolliert sein können; gemeinsam.

    Teile mit mir!

    Wir müssen unsere Ziele nicht totalst überdecken können. Wir müssen sie aber teilen können. Teilen bedeutet für mich auch, teilhaben, kommunizieren, weiterschenken. Wir müssen nicht alle unsere Ziele opfern für ein gemeinsames Haus oder züchtigen Nachwuchs. Keinesfalls. Aber wenn du Ziele hast, dann teile sie mir. Teile sie mir mit. Erzähle sie mir. Ich interessiere mich schliesslich für dich und deine Träume. Ich will wissen, was dich antreibt. Wir haben sooderso Kongruenz. Aber wir werden auch sooderso Differenz haben. Ich will deine Träume kosten. Aber probiere auch meine. Weil auch ich habe welche. Diese werde ich niemals eintauschen, egal wie gut du kochen und blasen oder was auch immer kannst. Ich will, dass wir gemeinsam und einsam unsere Ziele erlangen. Dass wir beide Erfolg haben. Ich will keine Frau, die einen Mann ziert, auch wenn du sicherlich wunderschön und anmutig ausschaust und sicherlich mit guten Genen ausgestattet bist. Ich will eine Frau, die notfalls sogar erfolgreicher sein könnte als ich. Aber fürchte dich nicht, wenn ich erfolgreicher sein werde als du. Du verliebst dich nicht nur in mich, sondern auch in mein unendliches Potenzial, das dich berauscht.

    Frage mich!

    Hast du etwas gehört, gesehen, gelesen oder gespürt? Dann frage mich! Du kannst mit mir alles bereden. Aber du musst mich fordern. Ich funktioniere zuweilen zu gut. Ich bin manchmal ein wenig abgelenkt und zerstreut. Du willst meinen Fokus, dann frage mich. Du darfst mich fragen, ich werde dir antworten. Ich kann dir die Welt, meine Gefühle und alles erklären. Ich kann sehr redselig sein. Wenn dich das stört, frage mich nicht. Du darfst mich auch fragen, welche Folge von Star Trek ich bevorzuge. Oder welche Folge einer Schrecklich netten Familie. Du kannst mich ebenso fragen, was die grosse Sesshaftigkeit, die grosse neolithische Revolution verursacht hatte. Weil ich liebe solche Themen. So wie ich ebenfalls die Abgründe der Menschheit liebe; Amokläufe, Verzweiflung und Verbitterung. Nebenbei führt, wer fragt. Du kannst mich damit gut lenken. Ich werde dich begehren, ich werde zurückfragen. Denn ich interessiere mich ebenso für dich, sonst wärst du nicht bei mir oder ich nicht bei dir. Schliesslich werde ich dich berühren. Wenn du zu viel fragst, werde ich dich einfach knutschen. Du kannst nichts verlieren, also riskiere, stelle mir doofe Fragen.


  • Im Rausche

    Wie fühle ich mich? Ich fühle mich befreit und entfesselt. Ich fühle, alles sei möglich und machbar. Everything goes, aber diesmal wirklich. Wirklicher. Ich weiss, ich betrüge mich. Je höher ich steige, desto tiefer ich falle. Ich kenne die Naturgesetze. Ich kenne mich. Aber derzeit möchte ich mich nicht bremsen. Einige Ereignisse sowie Erlebnisse haben mich befeuert. Ich möchte das Feuer in mir weitertragen. Ich möchte nicht, dass es jetzt bereits erlischt. Ich möchte nicht gross nachdenken. Ich möchte stattdessen einfach mal erleben und spüren. Ich kann danach ja wieder grübeln. 


  • Das Familiendrama

    Die Familie kaufte sich ein Häuschen in einem Vorort Oltens. Es war gewiss nicht das grösste und schönste. Nebenan thronten eingesessene Familien, die über Jahrhunderten Beachtliches häuften. Das störte sie nicht sonderlich. Der Vater war bei einem nationalen Stromversorger angestellt. Die Mutter umsorgte liebevoll zwei Buben.

    Auch gewiss waren die Kinder nicht die schönsten und klügsten. Sie waren beide jedoch sportlich, in einer bekannten Jungmannschaft engagiert. Der ältere Bruder absolvierte eine kaufmännische Grundausbildung, der jüngere Bruder weilte noch in der Schule. Sie beide waren bleich. Sie waren keine Übermenschen, sondern normal und anständig.

    Die Tage wiederholten sich. Der Vater quälte sich durch seine 40h-Woche. Die Mutter erzog und pflegte das Familienglück. Der älteste Sohn kiffte, trank manchmal Alkohol. Der jüngste fiel nicht weiter auf. Niemand konnte ahnen, was demnächst Olten schockierte. Eine ganz normale Familie. Eigentlich glücklich und ohne Grund. Ohne ersichtlichen Grund.

    Denn eines Tages kehrte der Vater erneut heim. Er platzierte seine Jacke an der Garderobe, zog seine Schuhe aus, stieg in seine Adiletten. Er grüsste Frau und das jüngste Kind. Er verabschiedete sich in den Keller. Er wollte noch einige Reparaturen erledigen. Er entsicherte seinen Werkzeugschrank. Er hielt inne.

    Er griff nach seinem Sturmgewehr 90. Er munitionierte auf. Die Frau benachrichtigte ihn, er könne essen; Broccoli-Teigwaren-Auflauf, eine leichte Abendmahlzeit. «Einen Moment Schatz», erwiderte er hörbar und deutlich. Er maskierte sich. Er möchte nicht wiedererkannt werden. Er möchte sich distanzieren.

    Er marschierte die Kellertreppe hoch. Entschlossen hob er den rechten Fuss zuerst, zog den linken nach. Jeder Schritt vollstreckte er bewusst und intensiv. Er spürte sich das erste Mal seit Jahren. Er war aufgeregt, nervös, aber zutiefst entschlossen und ergriffen. Schliesslich lockerte die Kellertüre. «Ich bin gleich da!», informierte er unschuldigst seine Familie.

    Sein Sohn guckte fern. Sein Sohn drehte sich um. Sah den maskierten Vater, bewaffnet mit einem Sturmgewehr. Der Vater erschoss ihn sofort. Der Sohn konnte sich nicht wehren. Die Mutter erschrak. «Was ist los?? Was war das?? Um Gottes Willen??», stürmte sie ins Wohnzimmer. Der Vater wandte sich, er blickte sie eine halbe Sekunde an. Und feuerte halbautomatisch.

    Er hat seinen Sohn und seine Frau ermordet. Er wollte sich wieder einmal männlich und entschlossen fühlen. Er wollte seine Grenzen erfahren. Und nun hat er sie überquert. Er kann aber niemals wieder zurückkehren oder irgendwas normalisieren. Das Leben ist nun sinnlos. Er verkürzte nun auch sein Leben und sackte zusammen.

    Diese Geschichte basiert auf wahren Tatsachen. Die Geschichte ist aber in meinem Sinne dramatisiert worden. Ich empfinde weiterhin grösstes Beileid für die Opfer.


  • Mal ein Auge zudrücken

    Typischerweise kann ein Mann ein Auge zudrücken, wenn eine anvertraute Frau intellektuell oder sozial oder selbst erotisch tiefer, tiefer gestellt-eingestuft ist. Ein Mann dieser Situation kann sich gönnerhaft inszenieren, weil den Status der Frau anheben. Das ist gute Praktik und vielfach verfilmt und verschrieben.

    Doch andersherum beobachte ich das selten. Eine kluge, gebildete und hübsche Frau kann niemals sich mit einem dümmeren, ungehobelteren oder hässlicheren Mann paaren. Es sei denn, es ist ein ausgewiesener toy boy, dessen Schwanzumfang alles kompensiert. Aber eine vernünftige Frau bindet langfristig sich nicht so.

    Was erkennen wir?


  • Die magischen Fragen

    Es existieren 36 Fragen, die eine gewisse Intimität simulieren. Ich nutze solche Fragen seit Jahren. Seit ich das erste Mal einen IRC-Channel jointe. Auch ich bin bereits in diesem Stil befragt worden. Ich kenne eine Person, die mittels Fragen provoziert, dass Menschen sich ihr anvertrauen können. Die meisten verlieben sich rasch und ohne grossen Widerstand.

    Praktischerweise hat der Blick am Abend kürzlich über solche Fragen berichtet. Dadurch sind sie einigermassen popularisiert. Wer sie seitdem nutzt, dem kann man eine gewisse Gerissenheit-Verwegenheit unterstellen. Flankierend empfehle ich also systemische Fragen. Ich bevorzuge hypothetische Fragen. Mittels Skalierungsfragen ermittle ich Intensität.

    Solche Fragen verwandeln einen in den perfekten Zuhörer. Man kann dann zurücklehnen. Man muss bloss hier und da mit einer zirkulären Frage das Gegenüber auflockern. Sodass man wieder mittels hypothetischen und Skalierungsfragen einen bestimmten Punkt vertiefen kann. Das wiederholt man solange, bis man Vertrauen erlangt.

    Ich praktiziere solche Fragespiele beruflich täglich. Ich ergründe Konflikte, ich ertaste Einstellungen und erspüre Befindlichkeiten. Privat kann ich mich als galanter Zuhörer inszenieren. Das verbessert meine Wettbewerbssituation im Sexmarkt. Ich müsste sie bloss ausnutzen. Aber das ist wie Spicken. Ist irgendwie Betrug.


  • Langlebige Beziehungen

    Ich bevorzuge langlebige, stabile Beziehungen. Ich meine nicht bloss die Liebe. Auch diese. Ich meine vor allem zwischenmenschliche Beziehungen. Jene Menschen, die mir heute noch nahe sind, waren es meistens auch schon vor zehn Jahren. Auch wenn sie mir manchmal die Unterstützung versagen, wenn ich mich wirklich blamiere und mies benehme.

    Ich, du, wir sind füreinander da.

    Wir verstehen den kompletten Kontext des anderen. Wir kennen alle Geschichten, alle Episoden und Verlängerungen. Wir wissen, wann und wieso wer glücklich oder erfolgreich war. Wir sind geduldige und stille Teilhaber. Das vergrössert das Verständnis, stärkt die Empathie für alle Lebenssituationen, die man noch erleiden darf. Das tröstet.

    Demgegenüber beobachte ich aber auch Menschen, die rastlos sind. Deren Beziehungen künstlich begrenzt sind. Diese Menschen erleben zwar einen Abschnitt, der durchaus intensiv ist. Aber alles ist terminiert. Nach Monaten oder Jahren brechen sie auf. Gehen sie fort. Es muss keine Flucht sein; es ist ein Lebensmodell.

    Allerdings müssen sie sich immer wieder frisch erklären. Ich lerne kaum neue Menschen kennen, weil ich nicht meinen kompletten Kontext vermitteln möchte. Ich müsste ein Buch schreiben. Darin alles konsolidieren und einigermassen bewerten. Und das Buch meinen jungen Kontakten aushändigen. Zuerst lesen, dann reden. Aufwändig, nicht wahr?

    Denn um jemanden mehr oder besser verstehen zu können, muss man dessen Geschichte kennen. Die komplette. Nichts auslassen, nichts aussparen. Wer das nicht tut, der kann nie das grosse Verständnis erlangen, das Menschen besänftigt, das sie zum Weiterleben ermuntert. Er schlüpft dann stets durch.

    Ich kenne die Geschichte einiger Menschen. Ich kenne ihren Schmerz, ihre Enttäuschung. Ich spüre teils auch ihre Verbitterung. Ich habe die Gabe, alle Empfindungen aufzusaugen wie ein Schwamm. Ich bin der Weltschwamm. Ich spüre, dass gewisse Menschen insgeheim nach stabilen Beziehungen sich sehnen, diese aber gleichzeitig sabotieren.

    Weil sie sich fürchten, ihre Unabhängigkeit zu verlieren. Weil sie nicht erklärt und verstanden werden wollen. Sie kokettieren damit, dass niemand sie verstehe. Gewissen Szenen kann dieser Attest durchaus imponieren. Mich nicht, jeder will einzigartig, besonders und unergründlich sein. Das wollen alle.

    Meine Empfehlung ist, dass man Beziehungen jahrelang intensiviert. Dass man sich wirklich austauscht. Ehrlich ist. In jeder Lebenssituation. Sich nicht abwendet. Halt einander billigt und auch akzeptiert. Und dass man Vertrauen mit Taten schafft. Weniger mit Worten. Hier eine Unterstützung, dort eine selbstlose Anerkennung.


  • Aus dem Alltag eines leblosen Lebens

    Mit diesem Beitrag experimentiere ich weiterhin. Ich versuche einen typischen Alltag eines erloschenen Menschen zu beschreiben. Fiktional. Aber das Leben ist ohnehin fiktional. Daher können wir allmählich nicht mehr eine Realität differenzieren. Doch das ist eine andere Geschichte. Viel Vergnügen.

    Fünf Uhr morgens. Der Wecker klingelt. Tagwacht! Aufstehen. Er bestätigt seinen Wachzustand. Er steigt ausm Bett. Er sitzt aufs Klo. Kackt. Guckt xhamster.com. Ah, neue facial-Beiträge. Sehr schön. Er öffnet seine Playlist. Er würfelt; heute mal etwas anderes. Heute mal etwas wagen und riskieren. Nicht immer dasselbe. Der Zufall kürt Pink Floyds Any Colour Like You. Gut. Noch ausreichend Shampoo? Perfekt.

    Er betritt die Dusche. Er mixt sich eine wohlige Wärme. Er streichelt seine Hoden. Er seift seine Rosette. Er schamponiert die Haare. Er putzt das Gesicht. Er säubert seinen Schwanz. Er duscht schlicht und einfach. Er pfeift die hypnotisierende Bassmelodie des Liedes. Das Ende des Musikstückes taktet seine Vorbereitszeit. Nun sich beeilen. Fünf Minuten in der Dusche überzogen. Also raus, anziehen.

    Er will masturbieren. Doch die Zeit ist nicht dafür kalkuliert. Der Zeitplan ist streng. Der Zug in die grosse Stadt leider stets pünktlich. Socken, Unterhose. Grauer Standardanzug, tailliertes weisses Hemd. Oh, Zähne putzen. Parfüm. Bald komplett? Seine Lederware ist farblich abgestimmt. Alles braun. Tasche gepackt. Natel geladen. Türe auf. Er entsichert das Velo. Er legt die Tasche ins Körbchen. Radelt durch das weitläufige Einfamilienhausquartier.

    Er überquert Strassen, rast aufm Trottoir. Er stoppt beim Bahnhof. Zeit für Kaffee und Wasser. Er schlendert zum Perron. Dort schlürft er seinen Kaffee. Raucht Zigaretten. Beobachtet die Mitmenschen. Nichts besonderes. Er muss keine Heldentat meistern. Er muss keine Drachen töten. Er muss nicht um sein Leben bangen. Er muss sich nicht fürchten. Pünktlich ist der Fernverkehrszug.

    Er öffnet seinen Laptop. Er aktualisiert Berichte des gestrigen Einsatzes. Der Kunde in Basel entwickle sich gut. Die Maturität sei seit zwei Monaten über vier Agililisierungspunkte gestiegen. Das sei zuversichtlich. Der Job kann bald erledigt werden. Allerdings könne man noch weitere Verbesserungen prüfen. Der Kunde sei noch nicht am schweizerischen Durchschnitt. Um weiterhin zu überleben, müsse er sich mehr agilisieren.

    Agil oder stirb! So lautet die Kampagne, die ihn seit Wochen beschäftigt. Er selber ist längst gestorben. Er schlafwandelt bloss. Sein Leben ist funktionalisiert. Es erfolgen zwar Ereignisse, doch diese überwältigen ihn nicht. In Bern spaziert er zu seinem Kunden. Er grüsst und wird begrüsst. Er installiert seinen Arbeitsplatz. Er verkabelt sich. Er liest Emails. Er kontrolliert seinen Kalender. Was nun?

    Er raucht erneut. Ein weiterer Kaffee. Über die Bedeutung des Kaffees mag er nicht philosophieren. Oh, ein Gespräch unterbricht seine Ruhe. Er darf über das sogenannte Offenheitsprinzip schwärmen. Er hofiert seinen Gesprächspartner. Aber geschickt dosiert. Zumindest muss er nichts vorspielen. Denn seine Bewunderung ist im Kern ehrlich und authentisch. Er muss bloss kritische Distanz simulieren.

    Mittags isst er in der Stadt. Alleine. Er schlendert durch die breiten Gassen. Er hält kurz inne, raucht. Erblickt eine alte Inschrift eines alten Hauses. Alles hier ist mit Geschichte beseelt. Seine Geschichte ist aber erloschen. Er fühlt sich geschichtslos. Er telefoniert mit seiner Frau. Sie rapportieren den bisherigen Tag. Das Gespräch langweilt ihn. Er nennt es Arbeit. Eine Beziehung ist immer strenge Arbeit.

    «Arbeiten kann er gut», beruhigt er sich und beendet das Gespräch. Er verlängert die Mittagszeit. Er wartet auf prominenten Bank an der Schanze. Er starrt den Alpen entgegen. Links und rechts diskutiert das gemeine Bürovolk. Mittagszeit in der Stadt. Technisch ist er besser gekleidet als alle diese Leute. Technisch ist er besser bezahlt. Sie beachten ihn denn auch. Sie wundern sich bloss, wieso er alleine wartet. Und worauf.

    Er wartet auf tausend Düsenjäger. Auf einen Meteoritenhagel. Dass der Himmel endlich verfinstere. Dass Nazis die Welt bombardieren. Atombomben explodieren. Menschen ringsherum panisch hetzen. Die Ordnung zusammenbreche. Dass das Leben ende. Er erwacht ausm Tagtraum. Links und rechts prüft er. Alles normal. Niemand stirbt. Keine Nazis erobern Bern. Keine Stahldüsenjäger donnern.

    Er steht auf. Verabschiedet sich. Beim Bahnhof bezahlt er einen weiteren Kaffee. Er wartet auf die pünktliche Abfahrt seiner S-Bahn. Weil er muss wieder arbeiten. Oder so tun als ob. Denn in Wirklichkeit arbeitet er nicht. Er plaudert bloss. Manchmal stützen schriftliche good practices seine Worte. Er schreibt Analysen und Empfehlungen. Und kommuniziert sie mündlich den Kunden. Sie hören und befolgen.

    Es ist keine ehrliche Arbeit. Aber er kann sie gut. Er hat auch eine wahre Vision. Er will den Arbeitsplatz Schweiz retten. Die Konkurrenz ist gross. Er glaubt ans gute System Schweiz. Das ist seine Vision. Er hat einen richtig grossen Auftrag. Das erfüllt ihn. Zuweilen. Doch manchmal möchte er bloss ausbrechen. Doch wohin und wozu? Er muss nirgends hin. Weil Glück kennt er nicht. Daher auch ohne Antrieb. Kein Streben nach Glück.

    Wer nicht strebt, stirbt. Er strebt nicht. Er ist tot. Seine Organe funktionieren. Sein Gehirn verknüpft und vernetzt. Aber er ist tot. Er erwartet nichts vom Leben. Seine Frau drängt zwar zur Heirat, zum gemeinsamen Kind. Das könne Sinn und Glück stiften. Er will und braucht das nicht. Weil Glück kennt er nicht. Glück ist seine Fata Morgana. Eine optische Täuschung. Alle glauben, sie zu erreichen, doch sie verschwindet immer wieder.

    Sobald man sich ihr nähert. Also bemüht er sich nicht. Er lässt sich nicht verführen. Er kauft sich kein Auto. Er verreist nicht. Er isst weder gesund noch ausgewogen. Er tut nichts, was Glück verspricht. Er hat keine Kinder. Er hat zwar eine Frau, doch sie funktionieren bloss. Keine Leidenschaft. Diese Beziehung gleicht einer Zweckehe. Sie bewirtschaften ein gemeinsames Haus. Essen meistens zusammen und alleine.

    Er muss aufs Klo. Durchfall. Ein ziemlich zehrender Durchfall. Er verliert Vitamine. Er verliert Substanz. Durchfall ist wie Kotzen. Der Körper rebelliert. Er dankt seinem Körper. Doch er ignoriert die Warnsignale. Wieder Kaffee. Ein Vitaminwasser zusätzlich. Leicht abführend. Er vollendet seinen Tagesbericht. Schliesst mit weiteren Empfehlungen für den Kunden. Die er gerne nächste Woche begleiten möchte. Er verlässt das Gebäude.

    Seine Frau erwartet ihn zum Znacht. Er hat noch eine Stunde freie Zeit. Die nutzt er, um sich in einer Bar rasch zu betrinken. Es ist ein Ort der Verstossenen. Kranke, verfaulte Menschen irren dort. Sie betteln für Geld oder Drogen. Sie tragen abgewetzte Kleidung. Sie stinken. Ihre Augen verraten Leere und Enttäuschung und Ablehnung. Hier fühlt er sich aufgehoben und geborgen. Hier entdeckt ihn niemand.

    Drei grosse Bier würgt er herunter. Er bezahlt. Zwei Dealer offerieren Drogen. Er muss ablehnen. Seine Frau hasst Drogen. Er fürchtet sich nicht. Aber er muss später noch Normalität simulieren. Also verzichtet er. Nun stresst er auf den Bus. Der fährt glücklicherweise nicht pünktlich. Im Bus ist er eingeengt. Schüler und Schülerinnen quatschen. Die Mehrheit vergnügt sich mit Alltagsspiele. Er liest. Sein Velo vergisst er.

    Dreissig Minuten später ist er Zuhause. Das ist dort, wo er funktioniert. Wo er seine workflows automatisiert hat. Er kaut einen Kaugummi, spült den Mund. Er wechselt die Kleidung. Fünfzehn Minuten später kehrt seine Frau heim. Sie küsst ihn flüchtig. Er liest weiterhin. Sie berichtet nochmals, was heute geschah. Er hört zu, nickt. Gelegentlich kommentiert er. Doch grösstenteils hört er zu.

    Sie kochen. Er isst. Sie liegen aufs Sofa. Kalt. Er liest. Sie schaut fern. Ihre Serien. Diese zerstreuen sie. Er kann nicht zusehen. Er verabscheut das zeitgenössische Angebot der Kulturindustrie. Er konsumiert lieber nichts als den Schrott. Manchmal erbarmt er aber. Und investiert in seine Beziehung. Er quält sich durch voraussehbare Sendungen. Seine Frau darf sich empören. Er möchte sterben.

    Um 22:00 Uhr bemerkt er, dass er nun schlafen solle. Er müsse morgen ja früh aufstehen. Seine Frau protestiert. Er erwidert, er brauche den Schlaf. Sonst könne er sich nicht konzentrieren. Erneut Zähne putzend. Er zieht sich aus. Legt sich ins Bett. Er denkt nicht nach. Er fühlt nichts. Er schläft einfach ein. Eine halbe Stunde später weckt seine Frau ihn unabsichtlich. Er wünscht ihr eine gute Nacht. Und schläft wieder ein.

    Er hofft, dass er nie erwachen muss. Er träumt, dass er ausbricht. Dass er auswandert. Dass er alles hinschmeisst und zerstört. Dass er seinen Job kündigt. Seine Frau betrügt. Dass er sein Sparkonto plündert. Dass er sich verausgabt und alles verschwendet. Leider erwacht er. Fünf Uhr morgens. Der Wecker klingelt. Tagwacht! Aufstehen. Er bestätigt seinen Wachzustand. Er steigt ausm Bett. Er stürzt die Treppe herunter. Er verstirbt vor Ort.