Wir kapitulieren

Unterwerfung. Diesmal verknüpft Houellebecq die Alterung eines Mannes, der zurückgezogen haust, bloss noch an jungen Studentinnen und Negernutten sich ergeilt, mit der Degeneration der westlichen Zivilisation im Allgemeinen und Frankreichs im Speziellen, das ohnehin im schweizerischen Massstab bald als gescheitert gilt. Eine Besprechung.

Das ist der Hintergrund. Demgegenüber strotzt ein vitaler, männlicher und kräftiger Islamismus, der zunehmend die Mitte der Gesellschaft Frankreichs erobert. Die Vielehe stimuliert normalerweise mit ihren unbeweglichen und aufsässigen Frauen überforderten Altherren. Eine junge Frau fürs Sexuelle, eine mittlere fürs Soziale.

Die Hauptfigur verdingt sich als Kenner des historischen Schriftstellers Huysmans. Damit möchte Houellebecq auf die ziellose, identitätsgestörte und vor allem ausweglose Gegenwart referenzieren; auf ein Europa, das sich zunehmend paralysiert aufgrund Angst vor Rechts und Furcht vorm Islam respektive vor der Überfremdung.

Das gelingt gut. Der Islam, verkörpert durch ihren Anführer Ben Abbes, agiert behutsam, aber entschlossen. Der Islam spaziert durch die Institutionen und bemächtigt sich kontinuierlich; die klassischen Parteien erodieren und kapitulieren. Allein die rechtsnationale Front wehrt sich. Ein Bürgerkrieg tobt im Verborgenen.

Houellebecqs Hauptfigur beteiligt sich aber nicht gross. François ist mässig vernetzt. Neue Fertiggerichte oder Prostituierte können ihn begeistern. Er versinnbildlicht einen müden, widerstandslosen, bewegungslosen, gealterten und uninspirierten Westen. Schliesslich liebäugelt auch François mit der Unterwerfung.

Der Roman soll einen empören und wachrütteln. Der Zeitgeist beglückte Houellebecq. Die Promotion des Buches unterbrach ein islamistischer Terroranschlag; dieser Zufall ist frappierend. Ich möchte keine Zusammenhänge konstruieren. Das beweist bloss, dass Houellebecq auf der Höhe der Zeit ist. Nicht, ob er Recht behalten würde.

Den Roman kann man nicht in die Schweiz übersetzen. Unsere SVP operiert ziemlich gemässigt. Die Überfremdung ist vernachlässigbar. Wir kultivieren keine Gebiete der Abgehängten und Randständigen. Unsere Politik ist seit Jahrhunderten im Grundsatz elitenfeindlich und populistisch. Das Volk hat immer Recht.

Wir fürchten uns also weder von Rechts noch vorm Islam. Wir haben Minarette rechtzeitig verboten, als Muslime sie bauen wollte. Wir diskutieren über ein Verhüllungsverbot, doch bislang ohne nennenswerten Konsens. Das Christentum beseelt uns längst nicht mehr. Wir identifizieren uns mitm Sonderfall Schweiz. Die übrigen mit ihrem Job und/oder Arbeitgeber.

Das ist Houellebecqs jüngster Roman. Im vergangenen Jahr hat er ein Gedichtband publiziert. Wie Houellebecq Unterwerfung noch toppen kann, weiss ich nicht. Vermutlich ist seine Schaffenskraft angejährt. Er kann bloss noch den Dandy kopieren, hier und da Weltuntergangsstimmung verkünden. Einen würdigen Abschluss seiner Karriere lieferte er mit Unterwerfung.