Vergesslichkeit

Ich vergesse. Ich vergesse, was geschah. Ich verdränge. Ich kann mich kaum noch erinnern. Ich kann bloss schreiben. Schreibend erinnere ich mich. Denn sonst verflüchtigen sich meine Gedanken. Ich fürchte mich vorm Vergessen. Und vergesse daher dauernd und ständig. Ohne Kalender, ohne Backlog wäre ich verloren.

Ich muss meinen Tag mittels Notizen, Erinnerungen und Hinweisen stützen. Ich kann den Alltag ohne meine Helferlein nicht mehr bewältigen. Das besorgt mich zuweilen. Wieso vergesse ich stets und bloss? Wieso kann ich knapp meine eigene Telefonnummer merken? Aber nicht die meiner Liebsten? Was behindert mich?

Bereits früher wollte ich alle Gedanken manifestieren, niederschreiben, damit dokumentieren und schliesslich konservieren. Die Vergänglichkeit bedrohte alles. Ich konnte erst einschlafen, sobald meine Gedanken notiert waren. Die modernen Technologien haben diese Angst gelindert. Natels können alles aufnehmen und schultern.

Unangenehme Gedanken wie einen Arztbesuch kann ich komplett ausblenden. Unangenehme Erfahrungen kann ich komplett ignorieren. Ich kann meine persönliche Geschichte umschreiben. Ich kann mich zwar auseinandersetzen, ich beschäftige mich auch damit. Doch irgendwann beende ich eine Episode.

Danach verschwinden meine Erinnerungen. Ich muss sie geradezu kultivieren. Ich muss mich stets wieder erinnern, damit ich nicht vergesse. Ich muss also meine gesamte Geschichte stets reflektieren und rekapitulieren; meinen gesamten Kontext. Ansonsten verliere ich ihn; er verdorrt im Tagebuch.

Normale Menschen denken nicht so viel und zu viel nach. Das weiss ich. Ich quäle mich gewissermassen selber. Doch ich mässige mich auch. Auch hier beherrsche ich mich gut. Ich übertreibe nicht. Ich überfordere mich nicht. Ich weiss, was ich mir zumuten kann. Manchmal muss man einfach abschalten und darf vergessen.