Autor: bd


  • Die wahrnehmbare Zeit

    Sobald du dich nicht mehr erinnern kannst, was du vor zwei Tagen war, hast du ein Problem. Du spürst, wie deine Zeit sich verflüchtigt. Du kannst sie kaum noch wahrnehmen. Weil du hastest. Du rast. Du musst dich bemühen, damit du dich erinnerst. Du musst dich anstrengen. Genau das solltest du aber tun.

    Denn wenn du es unterlässt, deine Vergangenheit regelmässig zu rekapitulieren, lebst du zeitlos, ohne Vergangenheit, damit ohne Gegenwart und schliesslich ohne Zukunft. Du bist getrieben. Du treibst mit. Die Tage verschwinden, du verlierst die Kontrolle. Deine Wahrnehmung entrückt dir. Du wirst die Tage nicht mehr unterscheiden können.

    Als ob du im Gefängnis oder arbeitslos, ohne Tagesablauf und ordnende Tagesstruktur wärst. Du bist in einer wahrnehmungslosen Endlosschleife gefangen. Du taumelst im Nichts; bist nichts, fühlst nichts. Alles wiederholt sich. Du sitzst, du fristest. Es passiert dir. Dir geschieht. Du durchblickst nicht mehr die Zusammenhänge.

    Bloss eine achtsame Bewusstwerdung der Zeit beseelt. Weil sonst funktionierst du nur. Du musst jede Minute, jede Stunde bewusst erleben, durchleben. Du musst die Wahrnehmung deiner Zeit einfrieren können. Damit du dein Leben, schliesslich deine Zeit kosten kannst. Ansonsten bedauerst du im letzten Lebensabschnitt dein, das verpatztes Leben.

    Auch ich muss mir immer wieder vergewissern, dass ich lebe. Ich möchte mich nicht überreizen und überfluten und überkitzeln. Manchmal kann ich bloss entschleunigen, indem ich mich hinsetze und mich erinnere, was bisher geschah. Woran habe ich gedacht, woran habe ich gearbeitet? Was und wen habe ich gespürt? Wo und wie wem war, bin ich nah?


  • Der Liebesentzug

    Eltern bestrafen das Kind durch Liebesentzug. Wenn das Kind nicht gehorcht, nicht verwirklicht, was die Eltern verpassten oder projizieren. Wir sind so selber erzogen worden. Die Liebe verknüpfen wir mit Bedingungen. Das ist ein Übel der Zeit. Wir materialisieren damit die Liebe zum Tauschobjekt, das man beliebig einsetzen kann.

    Ich selber bin fähig, Liebe zu entziehen. Ich habe auch so meine ehemaligen Partnerinnen gequält, wenn sie mir nicht einen Wunsch erfüllten. Wenn ich mich ungerecht behandelt fühlte. Oder wenn ich mich einfach missverstanden wähnte. Der Liebesentzug ist eine schwierige Waffe. Ich konnte sie nicht recht bedienen, verletzte mehr.

    Ich konnte durch Liebesentzug noch nie meine Ziele erwirken oder gar erzwingen. Liebesentzug ist nicht bloss ein Übel, sondern ein grosser Irrtum. Er verkompliziert menschliche Beziehungen. Ich wünsche mir eine Welt ohne Liebesentzug. Ich möchte niemanden bestrafen oder damit erziehen.

    Gewiss erlebte ich auch Liebesentzug. Man kennt solche Alltagssituationen. Ein Streit eskaliert. Der Partner ignoriert einen. Wenn man sich als erster meldet, bekundet man Schwäche und akzeptiert quasi seine verlorene Position. Man disqualifiziert sich als Opfer, das zu wenig hart und standhaft ist.

    Aber wenn man Liebesentzug offenkundig anprangert, dagegen ankämpft, riskiert man eine Eskalation. Denn das könnte den Partner bedrohen, hinterfragen und eine Grundsatzdebatte provozieren. Sooderso verlieren alle Parteien in diesem Spiel. Liebesentzug kürt keine Gewinner, vielmehr sind alle Verlierer und verringern ihre Liebesfähigkeit.

    Die Aufmerksamkeitsökonomie im Allgemeinen durchdringt auch private Beziehungen. Man muss wahrgenommen, anerkannt und gewertschätzt werden. Wir sehnen uns lebenslänglich. Kein Alltag kann dieses Bedürfnis wegorganisieren. Eltern-Kind genauso wie Partner-Partner. Denn Aufmerksamkeit kann nicht konservieren oder als dritte Säule sparen.

    Liebesentzug vergiftet den Aufmerksamkeitshaushalt einer Beziehung. Liebesentzug gefährdet das Wohlwollen, die Gutmütigkeit und die Geduld. Manche Beziehungen funktionieren bloss noch als Entzugserscheinungen. Man bekriegt sich, um sich zu versöhnen. Das kann pathologisch ausarten.

    Als Opfer eines Liebesentzuges darf man sich nicht in diese Rolle drängen lassen. Man darf den Liebesentzug auch nicht ausblenden und verharmlosen. Aber gleichzeitig nicht dramatisieren und sich selber erregen. Man muss sich ausgleichen und seine eigenen Stärken und Schwächen reflektieren.

    Als Täter eines Liebesentzuges muss man sich überwinden und signalisieren, dass man sich eventuell geirrt hat, aber ohne dass man das Gesicht verliert. Ansonsten könnte ja jemand triumphieren und dies ebenfalls als Zeichen der Schwäche auslegen und sofort eventuell ausnutzen; Bedingungen stellen. Die Liebe soll man also wieder gesund dosieren.

    Man muss nicht alles permanent ausdiskutieren; kleine Situationen eines alltäglichen Liebesentzuges überbewerten. Man muss die Muster analysieren, die einen Liebesentzug verursachten. Und seinen eigenen Anteil bemessen, doch weder zu grosszügig noch zu sparsam. Ausgewogen, ehrlich.

    Ich selber möchte keinen Liebesentzug instrumentalisieren. Aber ich bin gewiss nicht perfekt. Ich neige zu diesem Verhalten; ich kenne meine Tendenzen. Ich versuche die Situationen zu reduzieren, die einen Liebesentzug auslösen können. Ich bin irgendwie ein Gutmensch; ich möchte niemanden quälen. Aber ja, ich bin nicht vollkommen.


  • Im Alltag geprüft

    Der Alltag prüft jeden Menschen, jede Beziehung. Der Alltag kann alles zerstören. Der Alltag kann aber alles beruhigen, alles regulieren und entspannen. Wir sind daran gemessen, wie gut wir funktionieren. Sei es im Beruf, sei es in der Liebe, sei es als Familie. Wir idealisieren die verwaltete Familie, die im gemeinsamen Cloud-Familienplaner den Alltag regelt.

    Wir romantisieren die vernünftige Beziehung, welche den Nachwuchs besonnen züchtet und wählt, den perfekten Zeitpunkt abwartet und notfalls nachhilft. Wir wollen das Leben im Griff haben. Der Alltag zähmt das Leben. Der Alltag kanalisiert unsere Befindlichkeit. Der Alltag nivelliert uns alle, damit wir alle uns einreihen und anordnen können.

    Auch ich tanze im Alltag. Ich verreise, ich kaufe ein. Ich besuche. Ich unterhalte. Ich entdecke. Der Alltag kann einen quälen. Mein Alltag erfreut mich. Ich pendle zwischen den Mandaten. Ich kämpfe um meine berufliche Unabhängigkeit. Ich liebe ohne Schrecken wie Bedingung. Ich trolle ganz futuristisch. Ich bin zufrieden und befriedet.

    Der Alltag aber kann beirren. Denn der Alltag simuliert Sicherheit, Berechenbarkeit. Wir wollen den Alltag voraussagen. Wir wollen die Ereignisse erwarten. Doch das Leben überrascht uns stets. Mit dem Alltag wollen wir solche Ausschläge abflachen. Wir wollen uns einmitten. Doch so verlieren wir kontinuierlich Leidenschaft und das kleine Glück im Alltag.

    Weil wir bloss noch reaktiv uns anpassen. Wir werden getrieben. Wir führen nicht mehr. Wir leben nicht mehr selbstbestimmt. Wir unterwerfen uns. Wir gestalten eine organisierte Langeweile. Ohne dass wir es bemerken. Der Alltag erobert plötzlich auch die Liebe, die Sexualität. Plötzlich ist alles getaktet. Wir entzaubern die letzte Magie.

    Doch was kann ich meiner Leserschaft raten? Wie kann man den Alltag wiedergewinnen? Wie kann man wieder das eigene Leben lenken? Indem man sich daran reibt. Indem man Widerstand leistet. Indem man gewisse Muster ablehnt. Ein Verhalten zurückwirft, nicht akzeptiert. Grenzen markiert, aber sie stets wieder überquert.

    Ich kenne meine Grenzen. Ich lasse mich nicht anschnauzen, wenn keine unmittelbare Lebensgefahr mein oder das Leben eines Mitmenschen bedroht. Ich lasse mich nicht erniedrigen. Ich lasse mich nicht anschreien. Manchmal muss man jedoch eskalieren. Aber bloss, wenn man sich wieder versöhnt. Das ist schwer, aber durchsetzbar.

    Ich meine nicht post mortem. Wir können alle lernen und uns verbessern, nachträglich und bereuend. Ich meine den Augenblick, den Augenblick im Alltag. Dort müssen wir Muster brechen. Dort müssen wir uns zuweilen überwinden. Wir dürfen uns nicht festfahren. Wir müssen beweglich bleiben. Wir müssen uns erweitern.


  • Meine Schwächen

    Ich bin nicht perfekt, ich bin nicht vollkommen. Ich bin nicht immer einfach im Umgang und in Verwaltung. Man kann zwar meine Bedienungsanleitung studieren. Doch das regelt nicht das Zusammenleben, vereinfacht es höchstens. Ich bedauere beispielsweise meine bescheidenen Haushaltsfähigkeiten. Ich kann weder kochen noch putzen.

    Wenn ich etwas säubere, dauert es immer Stunden. Ich bin zwar bemüht und erledige alles pflichtbewusst, manchmal mit peinlicher Sorgfalt. Das kann Nerven strapazieren. Ebenso hadere ich mit der Medizin. Ich mag mich nicht mit persönlichen Gesundheitssorgen beschäftigen. Ich möchte mich nicht prüfen oder impfen lassen.

    Ich ertrage lieber Schmerzen. Ich verzögere jeden Arztbesuch. Ich habe auch einen Telefondoktor. Den kann ich erst nach einigen Tagen der Überwindung konsultieren. Andere Menschen würden solche Themen sofort erledigen. Ich scheue mich stets. Medizin blockiert, lähmt mich. Ich kann nicht einmal zuschauen oder zuhören.

    Ebenso vergesse ich gerne meine Vergangenheit. Ich mag nicht immer über alle Erlebnisse plaudern und alles offenbaren. Alle unendlichen Geschichten, die ich besitze. Ich habe sie bereits in diversen Notizen verewigt und hinlänglich verarbeitet. Ich möchte nicht immer wieder mich beschämen müssen. Ich weiss, dass ich manchmal missraten bin.

    Wenn ich betrunken bin, kann ich zwar meine Vergangenheit dramatisieren und damit prahlen. Aber auch das beschämt mich im Nachhinein. Manchmal möchte ich bloss schweigen. Das kann irritieren. Ich möchte damit niemanden ablehnen oder verletzen. Und auch möchte ich niemanden mit meiner Vergangenheit belasten.

    Ich blicke vorwärts, ich blicke voraus und überdies bin ich optimistisch gesinnt. Das kann auch verärgern. Meine Parolen wiederholen sich. Manchmal wird aber nicht immer alles wieder gut. Manchmal ist wirklich etwas verloren gegangen. Manchmal kann man etwas nicht mehr kitten. Manchmal fällt man wieder aufs Startfeld zurück.

    Ich könnte alles relativieren und beschwichtigen, alles begründen und erklären. Ich könnte immer diskutieren und mich für alles entschuldigen oder bedanken. Das kann verstören. Denn manchmal sollte man einfach mal handeln. Ein Kuss, eine nette Geste, ein Wegräumen. Eine kleinere Anerkennung des Alltages. Man muss nicht alles zerreden.

    Ich bin nicht perfekt. Ich bin mir dessen bewusst. Mich kann man auch nicht direkt und unmittelbar verändern. Denn ich ändere mich automatisch, sonst nicht. Ich habe einen sturen Grind. Ich habe mich seit jeher durchgesetzt und werde das weiterhin. Mein Erfolg bestätigt mir’s. Ich ruhe auch nicht, bevor ich meine Träume verwirklicht habe.

    Denn ich bin nicht genügsam. Ich will mehr von allem und von allem mehr. Ich giere, ich bin unersättlich. Zwar kann man mich vorübergehend bremsen, sedieren und beruhigen. Doch ich entflamme wieder. Stressige Phasen können mich bedrücken, doch bloss vorübergehend. Denn ich erneuere und befeuere mich stets. Das kann verschrecken.


  • Menschen ändern sich

    Man will immer verändern und einen Menschen bessern oder belehren. Aber wir müssen anerkennen, dass wir das nicht können. Ich möchte nie einen Menschen verändern. Ich möchte den Menschen bedingungslos lieben. Gewisse Eigenschaften können einen verärgern oder verunsichern. Doch daran messe ich nicht meine Beziehung.

    Unlängst wollte mich jemand formen. Meine Rolle war vorgesehen. Ich hätte den erfolgreichen Geschäftsmann und gewinnenden Familienvater simulieren dürfen. Freilich kann ich diese Eigenschaften abrufen. Aber es sind nicht die alleinigen. In mir ruht ebenfalls der philosophische Doppelgänger, der mit dem Dionysischen anbandelt.

    Mein Kontext ist breit und tief. Menschliche Beziehungen beeinflussen und prägen einen. Das habe ich kürzlich dargelegt. Ich habe in den letzten Monaten einige Muster angelernt und wiederhole sie bereits täglich. Ein Mensch verändert sich automatisch, man muss ihn nicht “gewaltsam” ändern. Die tägliche Auseinandersetzung tut’s bereits.

    Das bedeutet, dass man sich auseinandersetzen, interessieren und beschäftigen muss. Man muss die Unebenheiten, die Ungereimtheiten, die Schwächen kennenlernen. Ja, man muss investieren. Man muss sich selber auch stets hinterfragen. Wer bin ich und wieso bin ich hier? Ich bemühe mich, ist nicht immer einfach zwar. Aber man muss.


  • Der Erstkontakt

    Im Erstkontakt nehme ich mich gerne zurück. Ich höre zu, ich beobachte. Ich mustere und prüfe. Ich analysiere. Ich passe mich an. Man kann mich beinahe als introvertiert verunglimpfen. Auch meine süffige Selbstironie zügle ich. Ich verstumme bishin. Ich lächle verkrampft. Ich bejahe oder verneine. Ich postuliere nicht und nichts.

    Der Erstkontakt entscheidet oftmals übers weitere Vorgehen. Bereits beim Erstkontakt muss man seine Persönlichkeit beweisen und behaupten. Man darf mit lustigen Sprüchen, mit unterhaltsamen Anekdoten und unallgemeinen Weisheiten gewinnen. Technisch beherrsche ich diese Kunst, ich praktiziere sie beruflich täglich. Aber privat mässige ich mich.

    Ich riskiere, dass die Menschen mich fehleinschätzen. Oftmals werde ich unterschätzt, seltener überschätzt. Ich will dieses Risiko bewusst nicht mitigieren. Die Eintrittswahrscheinlichkeit ist zwar hoch, aber der Schadensausmass relativ gering. Das würde keinen Aktionismus rechtfertigen.

    Falls ein Zweitkontakt stattfindet, kann ich verblüffen, beeindrucken und den Ersteindruck revidieren. Für mich eine späte Genugtuung. Tut gut. Ich vereine unterschiedliche Facetten, Fassaden und Masken und Rollen. Ich bin agil, ich kann überleben und mich anpassen. Ich kann mich auch krümmen und bücken, falls erforderlich.

    Mit Menschen zu kommunizieren heisse ich Arbeit. Beruflich wie privat. Jede Unterhaltung verlangt Aufmerksamkeit, verlangt Interesse, Neugierde, verlangt Aufwand. Und manchmal selbstlos, ohne sichtlichen Ertrag, wenn man das Gegenüber pausenlos schmeicheln und bestätigen darf. Ich kann und überstehe das.

    Eine sichere Basis kann mich auflockern. Im vertrauten Umfeld bin ich entspannt, fordernd, ironisierend, aufhellend, aufgreifend, beschwingt, rasant, wortgewandt, schnell. Ich kann Gespräche führen und lenken, Menschen beeinflussen und begeistern. Ich kann genausogut das Gegenteil ausüben. Ich bin der perfekte Dienstleister, Berater.


  • Das Drohspiel

    Du drohst, ich drohe. Du bellst, ich belle. Im Wirtschaftsdschungel üblich und verbreitet. Wilde Tiere. Meistens Männer. Manchmal übersieht man die Sachebene. Oftmals leiten niedere Motive wie Stolz und Ego Entscheidungen. Ich trete derzeit einem verletzten Tier gegenüber. Doch das Gegenüber kapituliert nicht.

    Im Gegenteil, das verletzte Tier fühlt sich moralisch überlegen und siegesgewiss. Es möchte mich niederringen, es möchte mich töten. Denn meine Existenz erinnert an die eigene Unzulänglichkeit. Und auch an die Fragilität des eigenen Status’, Erfolges. Mein Gegenüber ist ein ehemaliger Bauernsohn. Ein klassischer underdog.

    Dieser Bauernsohn, dazu aus der Ostschweiz, hat sich in Zürich, am Paradeplatz etabliert und einen Status erschlichen. Nicht die Herkunft oder Ausbildung haben ihn befähigt. Nein, sondern der Wortwitz, die Geschliffenheit und das Auftreten haben den sozialen Aufstieg wegbereitet. Nun thront er, mit Millionen im Sack, Haus, zwei Söhnen, aber ohne Frau.

    Führen macht einsam. Seine direkt Unterstellten fürchten ihn. Sie scheuen ihn. Sie müssen vermitteln und weiterleiten, was er verbrochen hat. Sie müssen sich teuer einkaufen. Aber sie können selber nicht beeinflussen. Er kontrolliert alles, er besitzt die absolute Mehrheit. Er kann walten. Er muss sich nirgends rechtfertigen, weder bei Gott noch bei einer Frau.

    Das ist der ultimative Gegenspieler, Endgegner. Jemand, der nichts verlieren kann. Er ist entschlossen. Er ist dreist genug, einen wirtschaftlichen Amoklauf zu riskieren. Seine Unterstellten beschwichtigen ihn zwar, aber bislang vergebens. Ein CEO tröste mich, man solle warten, bis Gras darüber wachse. Vermutlich ja oder auch nicht.

    Man müsste ihn nicht unbedingt direkt konfrontieren, direkt herausfordern und provozieren. Man könnte ihn auch bloss schmeicheln. Er, der omnipotente Held, der unser aller Glück beeinflusse. Er ermögliche unseren Erfolg, kraft seiner Weisheit, seines Geschickes und seiner unvergleichlichen Visionen. Man müsste ihn bloss einlullen.

    Wie kann ich mich verhalten? Mein Ego sucht die Auseinandersetzung. Ich habe Lust, mich verklagen zu lassen. Und dann alles genüsslich anzufechten. Jede Anklage auseinanderzunehmen. Doch das frisst Energie, Lebensenergie. Die ich derzeit lieber anderswo investieren möchte statt in Egokämpfe.

    Eventuell will er bloss drohen. Eventuell beruhigt eine ruhige Minute ihn. Eventuell strebt er doch noch eine bislang geplatzte Partnerschaft an. Das sind gefährliche Annahmen. Aber die können ebensogut sich erfüllen wie das schreckliche Gegenteil einer Dauerverklagung. Menschen können nicht determiniert werden. Das kann einen verunsichern.

    Ich persönlich empfehle Gelassenheit. Ich werde fortfahren. Ich hoffe, mein Egotrieb übermannt mich nicht. Denn das könnte meine Existenz ruinieren. Ich übe mich in Gleichmut. Ich entspanne die Anspannung. Ich möchte ihn nicht als ersten bekriegen, ihn vorschnell diffamieren. Ich warte. Er muss reagieren, ich kann agieren.


  • Der Coaching-Automat

    Ich bin verabredet. Der CEO meines aktuellen Arbeitgebers, der aber noch nicht seinen Aktionärbindungsvertrag unterschrieb. Aber als CEO bereits kommuniziert und schön präsentiert wurde. Das ist grundsätzlich nicht heikel oder delikat. Das ist typisch für die wohl kompetitivste Branche. Man schenkt einander nichts.

    Wir haben etwas zu besprechen. Es betrifft meine Master Thesis. Ich entwerfe einen Coaching-Roboter. Einen Coaching-Automat. Mittels einer Graphendatenbank, welche das kontextabhängige Coaching-Wissen persistieren kann. Solche Graphendatenbanken füttern alle soziale Netzwerke und Datenanalysen und Leaks (u.a. Panama Papers).

    Ich möchte in meiner Arbeit ermitteln, ob diese Technologie dafür sich eigne. Ich möchte einen Prototypen konstruieren. Ein minimal lebensfähiges Produkt, das man weiterentwickeln könnte. Nicht ich, dafür sind meine Kenntnisse der höheren Programmierung zu wirtschaftlich, zu oberflächlich. Aber jemand, irgendein Indones.

    Mein momentaner CEO hätte einen business case. Ich auch, aber ich bin derzeit blockiert. Rechtliche Schwierigkeiten erschweren meinen Start. Man droht mit Berufsverboten und superprovisorischen Verfügungen. Doch das ist eine andere Geschichte aus der kompetitivsten Branche. Am Ende offenbart sich immer das wahre Gesicht.

    Ich will bekanntlich meinen eigenen Job erübrigen. Ich will mich selber abschaffen. Ich will stattdessen irgendwo hängen, Parameter ergänzen oder erfinden, neue Knoten in der Graphendatenbank ziehen. Und kassieren. Ich spüre, dass ich die Technologie besitze. Ich brauche bloss einen case, um ein minimal lebensfähiges Produkt zu formen.

    Der case ist natürlich vertraulich. So viel darf ausgesprochen werden. Dass die heutigen Coaching Dienstleistungen nicht skalieren. Ich kann selber bloss maximal zwei Teams betreuen als embedded coach. Ich kann maximal 8.4h pro Tag verrechnen. Der Stundensatz variiert natürlich und ist nicht konstant, planbar. Gefährlich und riskant.

    Ich hatte bereits im jüngsten CAS die Idee konkretisiert. Aber ich habe noch nichts Lauffähiges oder Demonstrierbares. Ich habe bloss Thesen. Annahmen. Keine Daten, kein Feedback, keinen Markt. Noch nichts. Geschwätz und Visualisierungen. Diskussionen. Ich möchte meinen Traum verwirklichen, ich möchte mich annähern.


  • Mein nicht vermittelbarer Kontext

    Bekanntlich durchstehe ich hektische Zeiten derzeit. Doch wie beteilige ich mein Umfeld, meine Liebsten? Soll ich gewisse issues kapseln? Soll ich mich stets hintersinnen, ob jemand eine Information benötigt, ob sie eventuell schädigt? Soll ich darüber richten und anmassen, was andere von mir wissen dürfen? Oder soll ich blank sein, alles offenbaren?

    In der klassischen Führung “kapselt” man gewisse issues, die keine Nutzen stiften und einen verunsichern könnten. Das ermesst die klassische Führungskraft. In der agilen Führung sind aber alle Informationen transparent, damit Entscheidungen mit ausreichend Kontext individuell reproduziert werden können. Allerdings bloss optional und als Holschuld.

    In meinem kommenden Unternehmen wollen wir eine agile Führung kultivieren. Wir wollen die Schweiz agilisieren. Wir wollen vorleben, was wir verkaufen. Doch wie hantiere ich damit im Privaten? Die agilen Prinzipien sind radikal, sie revolutionieren Unternehmen und erneuern deren Kultur. Wir befähigen Menschen, wir vermitteln ihnen wieder Sinn.

    Führung durch Kontext, nenne ich das auch. Du kannst beruflich Menschen begeistern, wenn du ihnen den Kontext schaffst, der die eigenen Gedankengänge anregt respektive überhaupt erst ermöglicht. Wenn ich meine aktuelle Situation, meinen Kontext schildere, provoziere ich damit, dass man sich in meine Situation versetzen kann.

    Das erhöht das Verständnis. Aber das kann gleichzeitig massivst verängstigen. Meine Situation ist derzeit kompliziert. Ich habe mir selber einige issues auferlegt. Ich riskiere meine Karriere. Ich riskiere auch privat. Entweder glückt oder scheitert alles. Ich kann nichts prognostizieren. Aber eine grosse Zuversicht leitet mich.

    Doch diese grosse Zuversicht kann man bloss verstehen, wenn man meinen kompletten Kontext hat. Wenn man meine Biografie kennt. Im Beruf kann man den Kontext rascher überschauen. Ein Unternehmen kann nicht mit einer menschlichen Biografie verglichen werden. Der Mensch besitzt mehr Eigenschaften als der grösste Mischkonzern.

    Ich kann meinen Kontext nicht komfortabel transportieren. Das verlangt Jahre, Jahre der Gespräche, der gemeinsamen Erfahrung. Einen Kontext der SBB könnte ich aber in zehn Minuten zusammenfassen. Mich selber niemals. Dieser Blog konserviert zwar gewisse Eindrücke und Erlebnisse, aber berichtet ebenfalls bloss selektiv und gewählt.

    Kurzum, ich werde meine privaten wie beruflichen Unternehmungen mit grosser Wahrscheinlichkeit meistern. Beruflich, weil ich mit meinen Partnern ein Potential ohnegleichen vereine und kumuliere, das einzigartig hierzulande ist. Privat, weil ich schon viel erlebt und begriffen habe.


  • Wieso ich Grossunternehmen meide

    Mich interessieren impact und reach. Das erziele ich, wenn ich in kleinen squads operiere. Eine kleine, aber entschlossene, alignierte und kompetente Truppe. Diese kann die Welt verändern. Denn sie muss sich nicht abstimmen, sie muss keine Kompromisse aushandeln. Sie ist autonom. Sie kämpft für den eigenen Erfolg, fürs eigene Überleben.

    Ich scheue seit meinem Alpiq-Abenteuer Grossunternehmen. Ich möchte nicht für anonyme Aktionäre dienen und schuften. Ich möchte nicht Formulare ausfüllen, um ein Produkt zu testen. Ich möchte nicht meetings anberaumen, um eine Idee zu erproben. Ich möchte tüfteln; ich möchte direkt und unmittelbar wirken können.

    Und das Leiterspiel in Grossunternehmen langweilt mich. Ich will als Team reüssieren. Ich will gemeinsam aufrichten. Und ich will nicht meine Person hervorheben. Ich muss mich nicht sonnen. Weil ich weiss, dass alle um mich herum wissen, was ich kann. Deswegen muss ich mich nicht allen beweisen.

    In einem Grossunternehmen musst du netzwerken, du musst hofieren und schmeicheln. Und du musst dich stets überhöhen. Du musst dich verkaufen. Aber ich meine solve it for the customer. Der Kunde soll man fokussieren und nicht die eigene Eitelkeit. Mein Ego kann das verkraften, wenn man mich nicht zum Mitarbeiter des Monats kürt.

    Dooferweise hat man mich kürzlich zum “Arschklemmer” des Monats geadelt. Mit zweitklassigem Pokal und all dem. Mein Pimp ehrte mich, weil ich innert Wochen vollbracht habe, woran andere monatelang scheiterten. Solche Geschichten wiederholen sich und füllen meinen Lebenslauf. Manchmal ist’s anerkannt, manchmal nicht.

    Gewiss könnte ich meinen sozialen Status zieren, indem ich bei den Klassikern meiner Branche anheuere. Aber ich übertreffe die Gleichaltrigen dort. Weil ich alle kenne, die einigermassen impact und reach in der Schweiz haben. Gewiss sind sie gebräunter, manchmal besser aussehender, haben vermutlich auch die bessere Herkunft.

    Aber fachlich bin ich derzeit ziemlich konkurrenzlos. Ich weiss nicht wieso. Ich bin nicht sonderlich besonders, sonderlich begabt. Ich bin faul, bescheiden. Aber ich kombiniere ohnegleichen. Ich konstruiere Produkte, Konzepte und Frameworks, die noch nicht existierten, die zudem überall passen. Das kann einen besorgen.

    Ich durfte schon referieren, an Fachtagungen und Fachhochschulen. Ich durfte veranschaulichen, wie man wirklich alles und jeden optimiert. Wie man Unternehmen radikal modernisiert und vereinfacht. Momentan verjünge ich gerade meinen Kunden. Man muss mich bereits bremsen, weil ich überdrehe. Das kann einen irritieren.

    Ich habe diese Macht, weil ich fokussiert bin, weil ein kleines Team mich bedingungslos stützt. Es sichert meinen Heimathafen. Ich kann zurückkehren, tanken und wieder losfahren. Ich bin geschützt; ein Naturhafen. Dieser Heimathafen konvertiere ich bald in eine private Aktiengesellschaft. Dann werden wir gemeinsam den Markt erobern.