Wir belügen uns, wenn wir behaupten, everything goes. Denn wir müssen uns immer entscheiden. Dann sind wir festgefahren. Wir werden gebahnt, müssen einspuren. Optionen sind bloss eine Ausrede, uns nicht festlegen zu müssen. Optionen verfallen aber. Wer mit 35 noch von Optionen träumt, die er mit 20 verwirklicht werden mussten, den bestraft das späte Unglück; die klassische Mittelebenskrise.
Ich kenne meine Optionen. Manche sind verspielt. Als Stadtoriginal kann ich mich nicht mehr mausern. Als unbändiger Fondsmanager ebensowenig, der Frau und Kind auf drei Kontinenten finanziert. Ebensowenig bin ich Architekt oder Astrophysiker oder schliesslich Pfarrer geworden. Ebensowenig bin ich der Armutsliterat Oltens wüsten Gassen. Stattdessen verdinge ich mich, übe mein Hobbys.
Ich weiss, dass Menschen sich quälen, weil sie sich stets einreden, alle Optionen halten zu müssen. Sie schachern dann Optionen, wägen ab und bewerten, prüfen und kalkulieren. Doch letztlich verzweifeln sie. Sie ersticken und lähmen sich. Sie tun nichts, wollen vieles, können nichts. Sie scheitern, sind paralysiert. Zu viele Optionen blockieren. Sie zerstören den Lebenssinn.
Ich dagegen vereinfache. Ich konzentriere mich auf zwei Optionen. Gewiss könnte ich unendliche erzwingen. Aber wozu? Damit ich mich trösten kann, everything goes, obwohl tatsächlich nichts geht und ich mich erschöpfe? Der Zufall stiftet hier und da ebenfalls Optionen. Optionen, die wir nicht antizipieren können. Solche Optionen schliessen sich in einem kurzen Zeitfenster.
Hier muss man handeln und entschlossen sein. Die Chance nutzen. Den Moment spielen. Die Hand des Zufalls walten lassen. Man muss sich zuweilen auch treiben lassen können. Spüren, erfahren, was geschieht. Die irdische Ohnmacht anerkennen und nicht zögern oder zaudern. Denn das Leben überrascht einen immer wieder mit neuen Optionen. Auch noch mit 50, 60 oder 70.
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