Ich stampfe im Sumpf, gewiss. Ich stamme aus Olten, diese beschauliche Kleinstadt, die momentan literarisch bescheint ist. Olten verkleinert mein Potential, weil Olten meinen Benchmark verfälscht. Weil ich mich nicht wirklich messen und vergleichen kann. Solange ich in Olten hause, werde niemals wissen können, ob ich wirklich so gut, so einzigartig und so unvergleichbar bin wie ich mich manchmal fühle.
Ich brauche Konkurrenz. Nicht alle Männer wollen nach Olten konkurrieren, nicht alle tummeln sich im Coq d’or. Darüber schrieb ich bereits jüngst einen Beitrag. Das Thema beschäftigt mich dermassen, dass ich mich heute wiederholen möchte. Ich muss ausbrechen und hinaustreten. Ich muss mich messen und vergleichen können. Ich muss meine Wettbewerbsfähigkeit stählern können.
Olten ist vermessen. Unsere Kleinstadt beherbergt einige Grüppchen. Wir zählen etliche Randständigen, die mir gut vertraut sind. Ich erhalte dort gewissen Strassenkredit. Das tröstet, wenn in den grossen Städten die dortigen Randständigen mich beglotzen-beargwöhnen. Wir besitzen in Olten auch eine kleine Yuppie-Szene. Diese ist aber nicht spektakulär; man arbeitet in den grossen Städten.
Manche verdingen sich als Anwälte, andere als Wirtschaftsprüfer, einige als Ärzte, andere als App-Entwickler. Ich kann sie alle namentlich erwähnen, ich teilte Schule oder Frauen. Sporadisch auch eine wilde Nacht Oltens, wo wir uns gegenseitig befeuerten. Sie waren zu keinem Zeitpunkt klüger als ich. Sie werden mich auch nicht überholen können, obgleich ich viel mehr mich verausgabt-verschwendet habe.
Daneben haben wir noch eine Kunstszene. R. und S. komponieren Stücke. K. schreibt. R. ist nach Bern ausgewandert; bewährt dort sich als Aktions- und Performancekünstler. Der gestalterische Künstler L. inspirierte kürzlich mich. K. und S. sprachwitzeln, ziemlich erfolgreich mittlerweile, vor allem K. Und ja, D. schauspielert, ebenfalls sehenswert. S. illustriert Wissenschaft. Diese Herren haben mich kunstmässig getoppt.
Ich kann weder musizieren, schauspielern noch sprachwitzeln. Ich kann ein wenig über meine Befindlichkeit bloggen, für das privat geweihte Publikum. Ich kenne auch die Jungpolitiker oder politisch Engagierten. So arbeitet J. beispielsweise bei der UNO, C. amtet als Kantonsrat im fernen Solothurn. S. hat sich im Gemeindeparlament verewigt. Sie streuen von der Jungen Alternative bishin zur dumpfen SVP.
Das war’s. Ich rivalisiere bloss mit den gleichaltrigen Männern. Da ich aber nicht mehr beanspruche, in allen Disziplinen zu dominieren, habe ich meine Energie fokussiert. In meinem Berufssprache nennt man das Vorgehen crossing the chasm. Ich muss einen Graben überwinden, um zu reüssieren. Ich kann irgendwie reüssieren, es ist gleichgültig mit welchem Produkt. Wichtig ist, dass ich reüssiere, impact und reach schaffe.
Sobald ich einmal reüssiert habe, kann ich meine Tätigkeitsfelder ausweiten. Derzeit plane ich beruflich zu reüssieren. Danach investiere ich in Kunst. Ich möchte mit der Politik abschliessen. Um daraufhin mich zurückziehen zu können. Dieser grosse Plan unterscheidet mich. Diese grossen Ziele sind auszeichnend, weil kennzeichnend. Sie motorisieren mein Leben.
Der Sumpf Oltens orientiert mich. Er vergewissert mir, dass ich mich und alle anderen Gleichaltrigen übertreffen kann. Er bewahrt mich vor Depressionen, wenn ich gelegentlich und im Kleinen scheitere. Aber er redimensioniert zugleich meine Ziele. Vermutlich sind weitaus grössere Ziele möglich. Aber niemand hat mich angespornt, niemand provoziert mich. Niemand kitzelt mich. Niemand hat mich herausgefordert.
Ich quäle mich stets, ob mehr möglich sei. Ich hungere nach Leben. Ich bin entfesselt. Könnte ich noch mehr erzielen? Könnte ich noch mehr Gewinne heimbringen? Olten beengt meine Fantasie. Olten beschränkt aber auch meinen Grössenwahn. Wenn wirklich everything goes, was dann? Was würde eine grosse Weltstadt mit und in mir auslösen? Würde ich umherfransen, ausfransen, mich verzetteln und verlieren?
Ich will es aber irgendwann genauer wissen.
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