Bekanntlich bin ich wegen Frau und Kind nach Basel ausgewandert. Ich habe anfänglich mich leicht, aber dennoch zurückhaltend sozialisiert. Ich konnte mich mit Nachbarn und Ärzten vernetzen. Einigermassen. Denn ich suche grundsätzlich keine Freunde, ich bin ausreichend bedient und zufrieden.
Mittlerweile bin ich in Basel gestrandet. Ich werde hier bleiben. Ich habe Olten verlassen, meinen verwegenen Heimatort. Und ich werde auch nicht zurückkehren. Denn ich werde mich hier in Basel um meine behinderte Tochter kümmern. Formell sind 40 Prozent vereinbart. Diese werde ich ausschöpfen.
Basel-Stadt ist denn auch nicht die Schweiz, die wir im Mittelland kennen. Der Bund deklariert Basel-Stadt als sogenannte Grenzregion. Basel besitzt einen Hafen, mehrere Becken. Ein weiteres Becken ist geplant. In Basel sind Elsässer wie Südbadener gleichberechtigt daheim. Man spricht einen ähnlichen Idiom. Man versteht sich.
In Basel schätze ich, dass Basel ein Stadtkanton ist. Kein Speckgürtel, keine Agglomeration, nichts beeinträchtigt das Wahlverhalten. Wir haben keinen Stadt-Land-Graben, weil wir blosse Stadt sind. Das Umland ist überdies nicht einmal schweizerisch, sondern wird entweder aus Paris oder aus Stuttgart regiert.
Ich habe etliche Legenden aufgeschnappt, wie sonderbar Basel-Stadt im schweizerischen Vergleich ist. Ich will gehört haben, dass private Erträge von Immobilienverkäufen die städtischen Parkanlagen subventionieren. Das erklärt deren üppige Ausstattung im Vergleich zum Oltner Stadtpark oder Vögeligarten.
Mittlerweile bin ich in Basel isoliert. Ich besuche unregelmässig die eine Bar. Dort kenne ich die Stammgäste vom Sehen. Ich habe bislang noch mit niemandem gequatscht, keine Nummern getauscht oder erste Verknüpfungen erstellt. Das stört mich nicht. Ich habe auch bloss mit einer Baslerin im Ausgang gequatscht – während einer Firmenfeier.
Beruflich kenne ich etliche Basler, momentan bin ich hier stationiert bis Ende Juni. Danach werde ich vermutlich wieder nach Zürich oder Bern pendeln müssen. Ich trenne aber Beruf und Privat. Daher überschneiden sich solche Bekanntschaften nie. Nur des Berufes wegen kann ich mich also nicht integrieren hier.
Ich möchte nicht darüber klagen. Ich bin zufrieden mit diesem Zustand. Ich habe die Narrenfreiheit, mich hier bewegen zu können, ohne dass mich jemand «kennt» im engsten Wortsinn. Ich geniesse diese Anonymität. Bald werde ich auch in einer anonymen Überbauung hausen, auf die Autobahn und Kleinbasel blicken.
Ich fühle mich hier sicher. Vor allem politisch sicher. Basel-Stadt ist gemäss SDI ziemlich grün. Ich erkenne sogar gelbe Tendenzen, weil Basel-Stadt akzeptiert. Es ist – ganz typisch Grossstadt – die Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Interessen, die keine Gesellschaft mehr bilden. Das reizt und entspannt mich.
Ich bin hier kein Freak, Sonderling oder ein Ausgestossener. Ich bin bloss ein politischer Flüchtling, der wegen der Liebe zur eigenen Tochter hier harrt. Die Stadt empfängt mich zwar nicht, sie umarmt mich nicht, aber sie lehnt mich auch nicht ab. Sie toleriert mich einfach. Ich kann mich sogar mittlerweile hier identifizieren.
Bald verlasse ich mein originales Viertel. Der Park in meinem Viertel ist bezaubernd. Er ist überdimensioniert. So viele Gerätschaften. So viele Anlässe. Ein Park-Restaurant. Morgen-Yoga selbstredend auch. Ein Hindernis-Parcour für Jung und Alt. Ein periodischer Flohmarkt. Auch Jazz im Park fehlt nicht.
Mehrgeschossige und jahrhundertealte Stadtwohnungen schmücken den Park. Die Eintrittshürde sind zweitausend Franken für einen nicht renovierten Altbau. Mehrere Spätkaufs für die Jugend. Die Lokalzeitung empört sich dennoch über die Kriminalität. Abends sei der Park gefährlich, weil nicht verschliessbar.
Mein neues Viertel hat noch keinen Park. Alles ist im Entstehen. Es war vormals ein Areal der Zwischennutzung. Die Generation Golf hat sich dort verausgabt. Sie erinnert sich gerne. Dort entstand Minimal Techno in der Schweiz, der sich dann im alten Nordstern popularisiert hat. Es war wild, ungestüm und baslerisch.
Der Park ist frisch angelegt worden. Er ist gleichsam überdimensioniert und üppig. Nebenan liegt der bekannte Tierpark, der kostenlos ist. Ein nach SDI grünes Community Center vereint unterschiedliche Kulturen und Einkommensstrukturen. Man kann dort abends essen, Musik hören und sich verbinden.
Vermutlich werde ich dann dort ausgehen. Vermutlich werde ich unterstützen und mithelfen. Ich kann, so glaube ich zumindest, Knowhow bieten. Aufgrund meines Berufes bin ich erfahren und erprobt, Dinge zu organisieren, auch wenn ich bisweilen chaotisch und planbar privat mich gebärde.
Denn ich bin irgendwie besessen, Basel-Stadt zu danken, dass Basel-Stadt meine Tochter aufnimmt. Basel-Stadt verbannt die Behinderten nicht. Basel-Stadt stützt und fördert sie. Behinderte müssen sogar Regelklassen besuchen. Bei meiner Tochter ist der Grad der Behinderung allerdings so schwer, dass das wirklich sinnlos ist.
Aber die Absicht und Intention gefallen mir. Hier in Basel-Stadt dümpelt die ansonsten so omnipotente SVP auf ungefähren fünfzehn Prozent herum. Das auch bloss wegen der verschweizerten Vierteln wie Bruderholz oder Hirzbrunnen. In Matthäus oder in meinem zukünftigen Rosental existiert die SVP nicht.
Ich freue mich auf meine Zukunft hier in Basel-Stadt. Bald ist leider wieder eine Steuerrechnung fällig. Doch diese wird mich nicht ernüchtern. Es ist mir wert, vor allem und wegen meiner Tochter, die hier die besten Bedingungen in der Schweiz hat. Danke Basel-Stadt.
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