Das Paket

Ich warte seit einigen Wochen auf mein Geschenk. Ich habe ein neuen Laptop beschafft. Das Unternehmen ist ein typisches mit einem sozialen Zweck. Es will die Menschen und die Daten von der grossen Konzernen befreien. Denn die heutige Wahlfreiheit bedeutet, dass wir unseren Henker selber bestimmen dürfen. Cool.

Der Laptop ist ethisch korrekt entwickelt worden, alle Treiber sind open source. Das Betriebssystem ist standardmässig im Paranoia-Modus. Die Festplatte ist verschlüsselt. Der Browser verbietet Cookies. Alle Netzwerkfunktionen lassen sich mit einem Hardware-Button deaktivieren. Der Bootloader ist open source. Und so weiter.

Kein Logo brandmarkt den Laptop. Er ist einfach schwarz und unscheinbar. Kein grosses Unternehmen hat Bloatware installiert. Es ist ein auf freie Software reduziertes Debian. Alle zusätzlichen Quellen müssen manuell in die sources.list hinzugefügt werden. Und damit erlischt automatisch der Garantieanspruch auf ein pures System.

Ich habe mir einen solchen Laptop bestellt und ihn noch ein wenig aufgemotzt. Ich habe den Arbeitsspeicher verbessert, die Harddisk optimiert. Ich habe mich für ein deutsches Tastaturlayout entschieden. Ein schweizerisches ist nicht angeboten worden. Das amerikanische Layout irritiert mich zu sehr wegen der Y/Z-Problematik.

Den Laptop habe ich seit Monaten bestellt. Er war zeitlang «in Entwicklung». Nun ist er «im Versand». Seit einer Woche hängt das Paket in Zürich irgendwo. Es ist aus San Francisco via Philadelphia eingeflogen worden. Der Logistiker aktualisiert den Status bislang nicht. Ich prüfe jede Stunde dessen Webseite, obwohl ich bei einer Transition benachrichtigt werde.

Ich habe momentan einige Sorgen, einige Konflikte. Ich muss eine Familie auflösen, ich muss bald eine Wohnung suchen, ich muss zwei Kunden befriedigen. Und ich muss immer genügend trinken, damit ich im Pegel bleibe. Nebenbei fahre ich quer durch die Schweiz. Das beansprucht mich.

Der Laptop löst keine Probleme. Er schafft neue, denn ich muss ihn konfigurieren und optimieren. Das erhoffe ich mir auch. Ein neues Hobby, das mich ablenkt. Denn mein Roboter ist derzeit gerade «besetzt» durch einen Kunden. Den kann ich erst einmal Ende Jahr nach Hause nehmen und wieder tüfteln – über Weihnachten und Neujahr.

Unterdessen aktualisiere ich den Tracker. Wo ist bloss mein Laptop? Muss ich dich nun selber in Zürich holen? Ich will mich ablenken, was meinen Kopf leert, aber nicht unbedingt betäubt wie beispielsweise Alkohol.


Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert