An öffentlichen Plätzen ist das menschliche Leben verdichtet. Eine Platzvisite. Man beäugt. Mädchen hüpfen mit dem linken Bein, balancieren der frisch gekreideten Linie entlang. Sie lachen, verlieren das Gleichgewicht; kreischen. Die Müttern nebenan beobachten zufrieden das Treiben, scrollen durch Facebook; kontrollieren.
Ich fühle mich wie ein Altherr. Ich beneide das unbeschwerte Leben. Das unentwegte Schaustellen-Schauspielern. Die Menschen und insbesondere die menschliche Jugend erwachen, bevölkern rasch die öffentliche Plätze. Sie kleiden sich luftig-leicht. Sie kosten den frühen Abend, die angenehme Wärme, die frische Entdeckungslust.
Mein Leben dagegen verhärtet sich, stagniert, ist voller Schwere, ist beengt, erdrückend. Kleine Momente befeuern mich, sie beleben und erfrischen. Es sind wenige Momente, die ich stets vermisse, die mich aber wieder motivieren und eben antreiben. Aber im Grundsatz bin ich verabschiedet, bin blosser Beobachter, ohne Netz.
Ich kann nachempfinden, wie alle Menschen in grossen Städten den Frühling verabscheuen. Männer verlieren Haare, ergrauen, ihre Glieder schrumpfen, ihre Haut verrostet, ihre Augen werden ausdrucksloser, leerer; sie erblinden ob der Jugend, sie verbittern. Die Frauen fürchten die Konkurrenz; diese jungen, aufreizenden, graziösen Geschöpfe.
Sie, die unschuldige Konkurrenz, verderben den gutgemeinten Familiensonntag. Die kurzgemeinte Platzvisite; sie entzweit Paare, sie vergiftet Beziehungen. Sie nämlich postiert einen Benchmark, den ultimativen Referenzpunkt des vorgetäuschten, vorgeheuchelten Glücks, das alle Öffentlichkeit zu erdulden hat.
Die Platzvisite erinnert der eigenen Vergänglichkeit. Man kann sich aber irgendwo verkriechen, der Welt sich verabschieden und fristen; man kann warten und vergessen, gelegentlich arbeiten, einkaufen, an Randzeiten sich nicht gross aufdrängen. In schummrigen Bars sich bemüssigen. Warten mit seinesgleichen. Ohne Platzvisite.
Doch in offenen Gesellschaften wie der unsrigen, die ausserordentlich kompetitiv sind, ist es unerlässlich, dass wir uns messen, vergleichen, hin und wieder anspornen, um schliesslich uns gegenseitig zu übertreffen; grössere Vorräte zu hamstern oder schönere Frauen zu begatten. Wir können nicht uns verstecken.
Deswegen ist jede Platzvisite stets auch eine Stählung der eigenen Wettbewerbskraft. Ein Auseinandersetzen. Eine Zeremonie, die Identität und vielmehr wieder Sinn auflädt; durch Annäherung bei gleichzeitiger Abgrenzung. Man ist nah, dennoch fern, ist mokiert zuweilen, empört oder fühlt testen Empfindens sich sicher.
So fühle ich mich.
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