Ich liebäugle seit zwanzig Jahren mit einer eigenen Partei. Das Parteiprogramm konnte ich jeweils locker-flockig ausschütteln. Ich bin irgendwie besessen. Ich weiss, dass ich noch ein wenig gedulden muss. Ich musste bereits meinen ersten grossen Eifer mit sechzehn bremsen; damals war ich ungestüm und motiviert.
Mittlerweile begünstigt der Weltgeist mein Ansinnen. Die meisten Parteien verbreiten keine grossen Ideen mehr. Das Zeitalter der grossen Ideen ist seit den Neunziger offiziell beendet; der Islamismus war bloss ein symbolischer Widerstand gegen die Alternativlosigkeit. Der islamistische Terrorismus verpufft heute mehr denn je; er ist einkalkuliert, berechenbar.
Jüngst triumphieren die Populisten. Sie ködern mit grossen Ideen, sie beantworten schnell und rasch, versprechen zu lösen und zu handeln statt zu diskutieren. Sie überrennen fast alle politischen Systeme, ausgenommen das schweizerische. Jedesmal ärgere ich mich, weil ich das auch könnte und dürfte, doch stattdessen verstecke ich mich.
Ich warte seit Jahren auf ein dringliches Erweckungserlebnis; jede Partei zehrt von einem Gründungsmythos. Doch vergebens. Dabei wäre meine Partei grandios. Weil sie einerseits populistisch und satirisch ist, andererseits entschlossen alternativlos mit einem totalen Anspruch, die Welt radikal zu reformieren.
Das erste Ziel ist eine Weltregierung. Ich möchte alle Nationalstaaten überwinden und die Welt stattdessen als gleichberechtigte Föderation strukturieren. Gewisse Autonomie möchte ich wahren. Ich möchte grundsätzlich die Schweiz auf die Welt skalieren. Eine kollegiale Exekutive, eine breite Legislative und eine unabhängige Judikative walten.
Das Volk kann jederzeit bremsen, eingreifen. Es muss sich bloss organisieren. Das bedingt jedoch eine absolute Transparenz. Das Volk kann bloss entscheiden, führen, wenn es ausreichend Kontext hat. Alle Informationen sind also präsent und werden nicht gewertet. Niemand übernimmt deren Deutung. Die unterschiedliche Medien berichten perspektivisch.
Meine Politik möchte auch die Werte der Gesellschaft wandeln. Radikal. Offenheit statt Verschlossenheit, Wissen statt Reichtum, Einfluss statt Macht, Selbstorganisation statt Regeln. Ein gutes Menschenbild motiviert diese Werte, ermöglicht sie. Ich möchte nicht, dass die Politik alles veradministrieren muss. Sie garantiert lediglich den Nachtwächter.
Wie könnte man die Menschen dafür gewinnen? Indem man immer wieder die Vorteile anpreist. Immer die vier Kernaussagen wiederholt. Solange repetiert, bis sie wahrer als wahr sind, bis sie hyperreal sind. Bis irgendwann alle Menschen daran glauben, dass Wissen mehr wert sei als Reichtum. Dass alle Menschen eine Weltregierung wünschen.
Ich würde das jetzige System aber nicht anfeinden. Sondern als wichtigen Meilenstein würdigen. Als Vorstufe, als Vorbedingungen. Ich würde mich bedanken. Dennoch würde ich durchschimmern lassen, dass ich das jetzige System zutiefst verachte; dass ich die jetzige Werte der Menschen kaum respektiere. Ich hätte eine Alternative.
Eine Alternative für die Schweiz, für die Welt. Für uns alle. Alle würden profitieren, alle könnten gewinnen. Und niemand müsste zurückweichen, müsste ein Gesicht verlieren. Und ich würde nicht davon abweichen. Solange opponieren, bis machtvoll genug, um kritische Änderungen durchzusetzen. Die Macht schleichend ergreifen.
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