Ich bin multibegabt. Ich kann vieles, ich kann einiges. Ich hätte viele Optionen veräussern können. Ich habe Potentiale. Diverse. Doch das ist gleichsam eine Bürde. Eine grosse Verantwortung. Denn die zu schultern erdrückt, bedrückt mich zuweilen. Denn ich bedauere manchmal einiges.
Ich könnte bereits eine Familie haben, ich könnte Kinder mit einer Frau gezeugt haben. Ich könnte einen Mercedes fahren. Ich könnte in einem freistehenden Einfamilienhaus übernachten. Ich könnte einen Garten unterhalten. Ich könnte ein normales Leben führen. Doch ebenso könnte ich ein teuflischer Künstler sein. Ich könnte Massen verführen.
Ich könnte auch Politiker sein. Ich war mal sehr engagiert. Ich versuchte Jugendliche für die Politik zu begeistern. Ich lockte sie mit dem Versprechen eines H&M in Olten. Ich besuchte die berüchtigte Oberschule Oltens am Froheim. Ich war motiviert. Ich wollte die schöpferische Kraft der Politik vermitteln.
Doch ebensogut könnte ich ein erfolgreicher Architekt sein. Der Avantgarde entwirft. Der im Hochparterre publiziert. Den davetower verwirklicht. Ja, ich war mal bestrebt. Aber ich könnte geradesogut Fondsmanager sein. Ich könnte meine «Familien» auf allen Kontinenten ernähren.
Ich hätte sogar sportlich mich betätigen können. Ich hätte auch in Oltens Unterwelt absteigen können. Ich hätte aber auch bloss Germanistik und Philosophie studieren können. Ich hätte auch ein exzentrischer Partyveranstalter werden können. Alle Möglichkeiten, alle Potentiale hatte ich. Ich habe sie noch immer. Aber sie sind verwirkt.
Und das bedrückt mich zuweilen. Was bin ich geworden? In der Not ein windiger Unternehmensberater. Das durchaus. Aber naja. Ich stand zeitlang auch kurz vorm relativen Durchbruch als Schreiberling. Als depressiver Autor Oltens. Bevor K. und Konsorten überhaupt jemals ans Schreiben dachten.
Wenn man diese Möglichkeiten und Optionen hat, muss man sich immer wieder mässigen. Man muss sich immer wieder beruhigen, dass zwar everything goes, aber in Wirklichkeit überhaupt nichts geht. Dass man sich bloss hier und da weiterentwickelt, einwenig weiterlernt. Aber schlussendlich immer bloss bejammert, was man verpasst hat.
Ich habe vieles verpasst. Viele glückliche Hände verspielt. In allen Bereichen. In der Liebe, privat oder beruflich. Ich kann auf ein volles Leben des Scheitern zurückblicken. Ich bin zwar gewachsen und einigermassen lebenserfahren. Dennoch bin ich unglücklich und ausgelaugt. Ich sehne mich nach Ruhe und Einfachheit, nach keinen Optionen mehr.
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