Nochmals Brüssel

Ich weilte erneut in Brüssel. Diesmal stürmte eine kleine futuristische Vereinigung die Stadt. Wir standen kurz vorm Endsieg. Doch eine neuere Dolchstosslegende verhinderte uns. Wir mussten abreisen und den Alltag empfangen. Anlass für eine kleinere Reflexion, willkommen.

Brüssel faszinierte mich bereits im Sommer. Damals platzte der Brexit die schöne EU-Blase. Ein EU-Babylon. Ich war irgendwie dort und gleichzeitig irgendwie nicht. Brüssel sei das neue Berlin, wiederholte ich mich stündlich. Alle guten Sachen beginnen mit B: Berger, Bier, Burger, Busen, Büsi und eben Brüssel. Sei’s drum.

Welche Sehenswürdigkeiten konnte ich abhaken? Keine. Ich war schon zweimal in Brüssel, aber irgendwie habe ich nichts gesehen. Freilich schlich ich ums Europa-Quartier herum. Mein Gastgeber wählte eine fast identische Route. Katerig, modrig und verletzt irrten wir durch die Stadt. Auf der Suche nach Bier und Burger.

brussels-parlament

Wir waren zu fünft entdeckend. Fünf Futuristen. Alle entschlossen. Wir wagten uns in eine grosse Stadt. Grösser als eine Nacht in Olten. Aber mit demselben Ausgang. Wir überraschten niemanden. Wir spielten unser Programm. Mit grossem Erfolg zwar. Wir wurden aus fast jedem Lokal gekickt. Sogar aus einem privaten, mehr oder weniger.

Wir tranken. Und tagsüber lagen wir herum. Isotonische Getränke stärkten uns morgens. Eine Marihuana-Zigarette für den einen oder anderen. Als endlich eingedunkelt, durften wir wieder offiziell saufen. Bier, Wein und Schnaps. Alles natürlich durcheinander und wild. Zwischendurch tanzten wir. Wir plauderten mit Journalisten.

brussels-party

Mich beeindruckte vor allem ein Korrespondent der USA. Ein gepflegter, gut gekleideter Amerikaner. Aber mit einem Alkoholproblem offenbar, denn er trank nicht. In Vergangenheit hatte er wohl sich verausgabt. Das ist menschlich, das ist sympathisch. Manchmal muss man sich kurzzeitig disziplinieren und aufs Wichtig-Dringliche fokussieren.

Etliche Fotos beweisen unsere Anwesenheit. Sie dokumentieren unseren gemeinsamen Exzess. Der allerdings einigermassen gesittet war. Wir haben nicht masslos übertrieben. Wir hatten den Endsieg schliesslich doch nicht errungen. Wir blieben stets eingespurt, eingerastert. Alles war einigermassen kontrolliert und beherrscht.

Wir altern. Würdevoll, aber dennoch altern wir. Wir haben unsere Rückzugsräume geschaffen. Wo wir gelegentlich einbrechen, um auszubrechen. Doch wir funktionieren weiterhin. Montags ist alles vergessen. Manche Schmerzen erinnern einen noch. Aber grundsätzlich ist Brüssel überstanden. Man kann wieder arbeiten.

One thought on “Nochmals Brüssel

  1. […] rascher und schneller. Dein Körper zerbricht eher. Momentan bin ich angeschlagen. Die Schmerzen stammen aus Brüssel. Ich quäle mich durch den Alltag. Ich kann mich nicht mehr elegant fortbewegen. Ich […]

Comments are closed.