Wir brauchen Lebensräume. Wir brauchen Rückzugs- wie Aufmarschgebiete. Wir müssen uns entfalten können. Doch das können wir bloss, wenn wir eine Gegend kennen, wo wir aufgehoben sind, wo wir heimisch und sicher sind. Das ist der sichere Hafen. Ich denke aber nicht an die Bar 97, die als «barmherziger Hafen» alle Heimatlosen aufnimmt, wie im 2003 NZZ Folio würdigen durfte.
Wenn ich keinen sicheren Hafen habe oder zumindest keinen spüre, dann bin ich verloren. Ich bin naturgemäss entwurzelt, heimatlos, entfremdet und was sonst noch zur grossen Leere zählt. Ohne sicheren Hafen verderbe ich. Ich vergrüble. Ich verkümmere. Ich werde depressiver. Ich blockiere mich dann selber. Ich hege dann meine unendliche Kaputtheit, vergleichbar mit jener eines gewissen R. Darin verstecken sich selbstzerstörische Triebe; der ebenso unendliche Todestrieb, der uns alle umgibt und bedroht.
Glücklicherweise ist mein sicherer Hafen nicht an Ort und Zeit gebunden. Es ist etwas Ideelles. Es ist ein Gefühl. Es ist abstrakt. Er konkretisiert sich nicht in einer Lokalität, an einem bestimmten Ort. Aber ein sicherer Hafen bildet sich aus liebgewonnenen Menschen. Eine Art Umfeld, das einen stabilisiert und gewissermassen auch rettet, ohne dass es retten muss, sondern einfach, weil es «da» ist. Das erleichtert vieles. Mein sicherer Hafen existiert. Ich erinnere mich gerne daran.
Doch weil mein sicherer Hafen ein blosses Gefühl ist und sich nicht manifestieren kann, zweifle ich gelegentlich. Alles bloss eine Einbildung? Eine Illusion? Bin ich in Wirklichkeit alleine und weiss es noch nicht? Werde ich aufwachen und alle und alles ist fort? Werde ich überhaupt geliebt? Werde ich geachtet und respektiert? Habe ich nicht schon zu viele Menschen enttäuscht und verletzt? Wer findet mich «gut»? Der wirklich Not leidende Syrier ausgenommen, der mir tiefste und vollste Gutheit attestierte.
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