Ukraine – Was wir tun können

Aufgrund einer technischen Migration war dieser einsame Blog zeitweise nicht erreichbar. Ich war nicht motiviert, diese Migration abzuschliessen. Die jüngsten Ereignisse haben mich allerdings genötigt. Gewiss bin ich als Schweizer wie so oft nicht direkt betroffen. Die Schweiz wähnt sich neutral; will weder sanktionieren noch Waffen liefern.

Das überrascht niemanden. Meine Haltung hierzu ist hinlänglich bekannt. Ich fordere ja seit zwanzig Jahren einen sofortigen EU- und NATO-Beitritt. Damit bin ich nicht mehrheitsfähig. Voraussichtlich werden die jüngsten Ereignisse diese Haltung nicht ändern, weil die jüngsten Ereignisse den schweizerischen Souverän im Alltag nicht beeinflussen werden.

Was vermutlich nicht alle Freunde wissen, ist, dass ich seit einem Jahr täglich mit Menschen aus der Ukraine beruflich zusammenarbeite. Ich unterstütze sie in ihrer Teamentwicklung. Die rote Gefahr war stets, die lokalen Verantwortlichen haben sie jeweils heruntergespielt und mit einer Übersiedlung nach Krakau beschwichtigt. 

Selbst ich war entspannt, denn Putin ist zwar Autokrat oder für manche ein lupenreiner Demokrat – aber zugleich ein gebildeter Mann, der kaum einen solchen Amoklauf riskieren würde. Aber ja, wie Geheimdienste habe auch ich mich geirrt. Putin ist ein gealterter weisser Mann, der sein Volk für seinen persönlichen Feldzug ausbeutet. Schrecklich.

Der Angriffskrieg startete. Ukraine ist leider nicht Taiwan oder Israel. Für Taiwan oder Israel würden wir uns einsetzen. Ukraine hat (uns) nichts zu bieten – ausgenommen einer gewählten Regierung, einer offenen Gesellschaft mit motivierten und fleissigen Menschen und ein Wunsch nach Westintegration. 

Lustigerweise ist die Schweiz zwar mehr westintegriert als die Ukraine, versucht das aber jeweils abzustreiten. Andere wie Ukraine wollen, dürfen aber nicht. Wir sind bereits, aber wollen nicht. Das gleichzeitig erleben zu dürfen, verwundert mich. 

Die zynische Ankündigung Deutschlands, ein Lazarett sowie einige Helme notfalls bereitzustellen, hat mich bereits damals erschüttert. Der deutsche Vizekanzler hat auch donnerstags in einem ZDF Echtzeit-Sondersetting die Ukraine als verloren insgeheim erklärt, weil niemand helfen werde. Deutschland verhält sich neutral, schaut zu.

Ich verabscheue Ohnmacht. Ich erleide täglich Ohnmacht. Ohnmächtig gegenüber dem schweizerischen Souverän, gegenüber meiner Tochter – gegenüber dem globalen Hunger und der ideellen Verzweiflung vieler Menschen, gegenüber Ungerechtigkeit, weil Überfluss hier, existenzieller Mangel dort. 

Und nun auch gegenüber der Ukraine. Eine kleine Ankündigung könnte den Krieg beenden. Die EU und NATO müssten bloss die Ukraine aufnehmen. Damit wäre der Krieg erledigt. Das bedingt Mut und Weitsicht. Niemand wagt einen offenen Angriffskrieg gegen die EU und NATO, auch wenn die Militärs heruntergewirtschaftet sind. 

Denn die Mobilisierungsmacht ist weiterhin grossartig innerhalb der EU und der NATO. Falls tatsächlich eine Krise bestünde, könnte die Wirtschaft und Gesellschaft umgerüstet werden. Nicht mehr Flüchtlinge würden das Heil bedrohen – ein gemeinsamer Feind könnte einen und Entbehrungen im Alltag rationalisieren. 

Alternativ können wir auch Waffen liefern. Wir versorgen die halbe Welt mit modernsten Waffen. Auch Gotteskrieger während den Achtziger in den Höhlen Afghanistans haben wir mit Selbstverteidigungswaffen bedacht, die nicht einmal des Englischen mächtig waren. Etliche Freiheitskämpfer südlich der Sahara sind ebenfalls grosszügig ausgestattet. 

Dass ausgerechnet Lettland einige Waffen liefert, ist süss. Aber eigentlich nicht angemessen. Es muss nicht Lettland sein. Wir sind ja Experten im Schmuggeln von Waffen. Warum nicht einigermassen offiziell Waffen in die Ukraine verlegen? Notgedrungen auch ohne NATO-Labels – aber gerne mit. 

Es genügt nicht, die ukrainischen Soldaten als “tapfer” zu betiteln. Damit ist nicht geholfen. Die ukrainische Armee ist bereits ausreichend motiviert und in einem Abnutzungskampf seit 2014 erprobt. NATO-Waffen würden einen Unterschied ausmachen. Es wäre auch eine Art Symbolpolitik, dass man demokratiefreundliche Ländern nicht ausliefert. 

Ich meine, während des Kalten Krieges hat man schliesslich ja auch Nationen unterstützt, die weitaus zweifelhafter waren als die Ukraine jemals sein würde. Es wurden weltweit sogenannte Stellvertreterkriege angezettelt. Und heute hat man nicht einmal mehr den Mut, einen Stellvertreterkrieg in unmittelbarer Nachbarschaft zu unterstützen? 

Die Ohnmacht bleibt. Ich habe keine Lust, bei lokalen Petitionen mich zu beteiligen, welche die Sanktionen für Russlands Elite ausweiten sollen. Ich glaube nicht an die Mutter aller Sanktionen oder wie auch immer. Die Sanktionen sind nett und verlangen sogar Opfer unsererseits. Aber sie nähren und bewaffnen nicht den ukrainischen Soldaten. 

Ich hoffe bloss, dass allmählich Nachrichten zerbombter Wohnhäusern, getöteter Kindern, vergewaltigter Frauen uns empören. Vermutlich erst dann sind wir moralisch einigermassen verdammt, den (noch) motivierten ukrainischen Soldaten an der Front das bereitzustellen, was sie übrigens seit Wochen fordern: Waffen. Hoffentlich ist’s dann nicht zu spät.

Hintergrundmusik:

Spenden gemäss persönlicher Quelle:

https://bank.gov.ua/en/news/all/natsionalniy-bank-vidkriv-spetsrahunok-dlya-zboru-koshtiv-na-potrebi-armiyi