Ich hause seit Stunden in einem Park. Gleich den vielen Flüchtlingen, die hier nicht zu übersehen sind. Ich beobachte Menschen. Ich schlafe. Und ich rauche. Junge Menschen, vermutlich einheimisch, aber definitiv italienisch, sonnen sich. Sie albern, scherzen und so weiter. Die Jungs spielen Ball, die Mädchen bleiben schön. Bemerkenswert ist, dass ich nicht der einzige bin, der alleine unterwegs ist. Es sind auch alte Männer, die sich an einer Mauer stützen und wachen. Ich vermute, sie beobachten. Sie sind allesamt obenohne und sie sind allesamt verdammt gebräunt. Ich glaube, sie beschäftigen sich bloss, indem sie wachen. Sie warten. Worauf hoffen und warten sie?
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Wie habe ich es mit Psychopharmaka?
Ich fürchte mich vor Psychopharmaka. Ja, ich gestehe. Ich habe Angst. Ich habe Angst, dass sie mein Wesen ändern. ich fürchte ausm selben Grund auch alle bewusstseinserweiternden, psychoaktiven Drogen. Ich fürchte, ich verliere die Kontrolle. Alkohol hingegen ist ein kontrollierter Kontrollverlust. Alkohol ist hochverfügbar und lässt sich reproduzierbar dosieren. Bei Alkohol besorgt mich bloss der schleichende Alkoholismus. Wachsamkeit und Achtsamkeit sind geboten.
Übrigens bin ich derzeit verführt, mich leidenschaftlich leidenschaftslos zu betrinken. Ich wehre mich. Ich gestehe, so alleine irgendwo fern der Heimat, fern meiner Liebsten, fern seiner «normalen» Struktur, empfinde ich es anspruchsvoll, mich nicht zu betrinken. Ein innerer Kampf. Ich kämpfe stündlich gegen die ferienbedingte Strukturlosigkeit und die grosse Absenz von Liebe. Das einzige, das mich beruhigt, ist das impulsive Schreiben.
Ich habe selber nicht bewusst Psychopharmaka konsumiert. Ich habe eine Epoche verdrängt, als ich nach meinem grossen Absturz mit 18 irgendwann anerkennen durfte, ich sei verrückt. Man diagnostizierte mir damals die klassische bipolare Störung. Das erklärt mein wechselwirkendes Himmelhochjauchzen und Zutodebetrübtsein. Ich konsultierte ungefähr dreimal einen ausgewiesenen Psychiater. Das war mitten meiner zweiten Adoleszenz.
Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, aber ich durfte etwas «testen». Ich vermute Zyprexa. Ich hatte bloss wenige Sitzungen und habe das Medikament wahrscheinlich zweimal geschluckt. Ich kann keine konkrete Wirkung ausm Verdrängungsstamm aktivieren. Wahrscheinlich habe ich die Behandlung vorzeitig abgebrochen. Ich weiss bloss noch, was mich empörte. Nämlich die Aussage des Psychiaters, mich zu ändern.
Ich habe Mängel. Ich bin ein Mängelwesen. Eine Mängelwirtschaft. Ich bin sehr unvollkommen. Aber ich beweise täglich, dass ich trotz meiner Mängel funktioniere. Das ist doch die Hauptsache. Ich gefährde weder mich noch mein Umfeld übermässig. Ich bedrohe die Allgemeinheit keineswegs, ausgenommen mit meinen Gedanken und Endzeitvisionen. Ich bin mehr oder weniger harmlos, ich versteuere sogar Einkommen und irgendwann Vermögen jenseits des ordentlichen Sozialabzuges.
Ich habe gelernt, mit meinen Unzulänglichkeiten zu leben. Wäre ich ein anderer Mensch geworden? Ja, ich behaupte ja. Ich wäre ausgeglichener. Ich bin zwar mittlerweile recht geruht, dennoch bin ich weiterhin verhältnismässig oder im Vergleich zum Standard ungestüm. Ich bin sehr leidenschaftlich und total. Extrem. Ich verliere mich gerne in Details, ich abstrahiere gerne zum Grossen und Ganzen. Aber ich kann mich kaum konzentrieren.
Manchmal bin ich auch blockiert. Ich masturbiere stundenlang, versuche mich zu zerstreuen, kann kaum einen vernünftigen Gedanken fassen. Ich bin wie gelähmt. Ohnmächtig. Das sind die klassischen depressiven Momente. Ich ergebe mich total diesen Momenten. Man kann meinen, als geniesse ich sie. Und sie dauern, ja. Manchmal lockere ich mich mit Alkohol. Ich werde überschwänglich. Ich bin nicht aufhaltbar. Meine besoffenen Selbstbildnisse beweisen das.
Freilich bin ich auch ohne Alkohol überschwänglich und leidenschaftlich. Ich kann mich rasch begeistern. Ich kreische und tanze gerne, auch nüchtern. Ich kann wie ein Irrer im Autositz hopsen und jauchzen. Ich kann intensiv und intensiver lieben. Ich kann mich in Ideen, Visionen verlieren. Ich spüre dann, immer noch nüchtern, dass ich die Welt haben kann und haben werde. Das ist boost. Das befeuert mich. Mein Futurismus ist denn auch etwas Manisches.
Meine Konklusion ist, dass ich mit meinen Mängel irgendwie mich arrangiert habe. Gewiss ist nicht alles perfekt. Ich könnte wirklich ausgeglichener sein. Aber ich will’s nicht. Ich vermute, dass ich meine Genialität grösstenteils meiner allgemeinen Störung verdanke. Ich habe mich klassisch versucht zu zähmen, mit einem bürgerlichen und anständigen Leben. Mit Nulltoleranz und Mittelmass. Ich glaube, ein mittelmässiges Leben überlebe ich bloss mit Psychopharmaka.
Ein mittelmässiges Leben akzeptiert denn auch keine Ausbrüche, Ausschweifungen und Exzesse oder Melancholie. Das mittelmässige Leben erstickt jede Manie. Aber verurteilt gleichzeitig auch jede Depression. Ich erleide halt Depressionen, ich feiere halt Manien. Fürs Protokoll, meine Stimmung ist derzeit wirklich leicht depressiv. Meine Antidepressiva sind Alkohol und Sex; beides spare ich mir aber auf. Für meine ordentliche Manie.
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Der heimliche Selbstmord
2015 starben 253 Menschen im schweizerischen Strassenverkehr, so das zuständige Amt. Die üblich verdächtigen Zweiradfahrzeuge dürfen natürlich zunehmen und alle empören. Doch wie viel davon waren Selbstunfälle? Also keine Unfälle, sondern Selbstmorde, die sich als Unfälle tarnen?
Ich weiss es nicht. Es ist wie ein einmal eine grosse Dunkelziffer, die viele Fantasien bewegt. Ich verwette kraft meiner vielzitierten Intuition, dass ein Viertel aller Unfälle heimliche Selbstmorde sind. Schliesslich will man die Hinterbliebenen schonen und deren gesellschaftliche Ächtung verhindern.
Mein Selbstmord hingegen wäre deutlicher als deutlich. Ich würde voller Drogen und verdrögten Nutten aus einem Flugzeug ohne Fallschirm springen und mit meinem überteuerten Bluetooth-Lautsprecher das grosse Finale in Jefferson Airplanes White Rabbit ersehnen. Deutlicher geht’s wohl nicht.
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Meine Zertifikatssammlung
Ich sammle Zertifikate. Ich bin zwar erst seit 2008 wieder zurück (Das Imperium schlägt zurück). Doch seitdem habe ich unzählige Zertifikate erworben. Fucking viele. Ich simuliere damit Motivation, Engagement und Beflissenheit. Ich erhöhe damit meinen Marktwert oder so. Weil Unternehmen glauben, ich sei damit produktiver oder so.
Eine wirre Abhandlung darüber bestätigt meinen Verdacht. Wir Schweizer sind nicht bloss abschlussgeil, sondern vor allem und vor alldem zertifikatsgeil. Ich verfüge über Zertifikate in allen Disziplinen, die meinen Marktwert bilden. Ich kann belegen, dass ich mich mit diversen Frameworks und anderen Praktiken auskenne.
Hier ein Auszug.
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Flüchtlinge warten
Wir alle warten. Wir warten auf eine Besserung, auf eine Erlösung. Auf Gesundheit. Auf einen besseren Job. Wir warten auf die grosse Liebe. Wir warten auf action. Wir warten aufs Spektakel. Auf den Dritten Weltkrieg. Doch in Como warten unzählige Menschen auf eine Einreise. Ein Augenschein.
Ich besuchte kürzlich den Weltgeist in Brüssel. Doch richtig zu spüren vermochte ich ihn nicht. Die EU ist ohnehin abstrakt, nicht gegensächlich. Um das politische System der EU zu verstehen, darf man sich zunächst durch halbe Lexika kämpfen. Ein gewisser R. schultert das für uns alle, gleich dem Atlas oder Jesus.
Derzeit weile ich in Como. Hier ist kein Weltgeist in Aktion. Das einzige Merkmal, das einen Weltgeist erahnen lässt, ist das überschaubare Flüchtlingcamp am Bahnhof. Dort hausen sie also, diese niggers. Sie hoffen auf Einreise. Sie warten. Sie schlafen irgendwie in diesem Park.
Die italienische Polizei «bewacht» das Spektakel. Die Flüchtlinge werden toleriert. Oder ignoriert. Como ist nicht gerade eine arme Stadt. Como ist sehr touristisch, sehr wohlhabend. Bloss Einzelheiten bestätigen, dass man in Italien ist. Den Rest könnte man Lugano oder Locarno zuschreiben. Die desolaten Toiletten hingegen nicht.
Wir erleben das Zeitalter der grossen Krisen. Doch die Krisen sind allesamt abstrakt. Flüchtlingskrise, Hungerkrise, Finanzkrise, Eurokrise, Terrorkrise. Was war noch? Ich weiss es nicht mehr. Diese Krisen sind alle sogenannt hyperreal. So «real», dass sie unwirklich sind. Sie sind weit entfernt. Wir nehmen sie bloss virtuell wahr. Virtuell. Man muss sich ernsthaft bemühen, die Krise zu spüren.
Als beispielsweise die Flüchtlingskrise begann oder erstmals mir vermittelt wurde, war ich sehr weinerlich und ergriffen. Ich wollte heimlich abhauen, an der EU-Aussengrenze unentgeltlich helfen, Wasser und Trost spenden. Ich wollte helfen. Ich war bewegt. Ich wollte zeitlang meinen, dass dies mein lange gesuchtes oder vermisstes Erweckungserlebnis war, das unter anderem auch ein gewisser Adolf Hitler oder Christoph Blocher oder Thomas Aeschi fürs Politische motiviert-begeisterte.
Das war es natürlich nicht. Einige Wochen später war die Flüchtlingskrise vergessen. Merkel zeigte ihren grossen Busen. Alle Linken beneideten das deutsche Land, andere bauten Zäune mit NATO-Draht. Ich arbeitete und trank manchmal wie ein Grosser. Die Alternative für Deutschland konnte sich etablieren. Irgendwie.
Was nun? Wir sind alle wartend. Die Flüchtlinge sind vergessen. Hätte ich sie nicht gesehen, hätte auch sie vergessen. Wir leben in einem sorgenfreien Land. Ich habe unsere Schlagzeilen nicht überflogen. Meine selektive Wahrnehmung schützt mich. Ich habe ausserordentlich nun mich durch den Blick gequält. Nicht bloss das Girl des Tages angewixxt, sondern wirklich mich durch die Schlagzeilen geklickt. Kein Muster. Keine Ahnung, was derzeit abgeht.
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Wie geht es mir?
Ich kenne eine Webseite namens wie-gehts-dir.ch. Darin werden praktische Gesprächstipps für Betroffene und Angehörige psychischer Erkrankungen vermittelt. Kürzlich hatte mich jemand ehrlich gefragt, wie es mir geht. Ich habe bloss «müde» geantwortet. Ich möchte heute ausholen.
Ich konnte nicht mehr antworten. Ich fühle mich derzeit wirklich ermüdet. Vermutlich sind’s die langen und schlaflosen Nächte. Das viele Reisen. Diese allgemeine Arbeitsunlust. Meine Abneigung gegenüber gewissen Arbeitgebern. Vermutlich bin ich bloss ferienreif. Vermutlich die unerfüllte Liebe. Ich bin schlicht und einfach müde.
Manchmal mag ich wirklich nicht mehr. Manchmal habe ich das Gefühl, alles überfordere mich. Alles breche zusammen. Aber diese Momente sind kurz, dafür intensiv. Ich bin Futurist. Ich glaube an den Fortschritt, an die Bewegung, an die Beschleunigung. Ich glaube an die Veränderung und Entschlossenheit.
Doch wie geht’s mir derzeit? Ich kann es nicht beantworten. Ich fühle mich sehr betrübt. Ich fühle mich abgehängt. Ich fühle mich entfremdet. Ich gehöre nicht hierher. Ich bin verpflanzt worden. Ich bin entwurzelt; nirgends daheim, nirgends geborgen. Nirgends aufgehoben. Mein Leben ist irgendwie intensiv; es kitzelt. Aber mir fehlt Liebe.
Ich bin verzweifelt, aber ich erhole mich. Ich blicke nicht gerne zurück. Mein Blick fokussiert das Kommende, das Versprechen. Meine Sehnsucht befeuert mich. Ich dampfe, ich funktioniere, ich überlebe. Aber ich fühle mich müde. Ich möchte manchmal bremsen. Manchmal innehalten. Manchmal einfach nur mal «Stopp» sagen.
Gibt’s im richtigen Leben keine Signalwörter wie im BDSM? Kann man nicht einfach mal abhauen und sich verabschieden? Eventuell kehrt man ja wieder zurück. Eventuell ja nie mehr. Kann man nicht einfach mal sich zurückziehen? Verschnaufen? Als Futurist bekanntlich nicht; hier ist die Hast Programm und Unruhe Programmatik.
Ich verabschiede mich nun für eine gewisse Zeit. Ich bin dann mal weg. Ich werde nächste Woche wieder in Olten einreisen. Ich bin froh, Olten für einen Moment hinter mir lassen zu können. Auch ein gewisser R. sehnt sich wieder nach der regulären Front. Und nicht diesen Irrsinn hier, diese Trostlosigkeit.
So geht’s mir.
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Das neofuturistische Manifest
Im 2011 wollte ich das altfuturistische Manifest verjüngen und übersetzen. Schliesslich ist’s schon über hundert Jahre alt. Wirklich nicht mehr zeitgemäss und für Wikipedia sogar irgendwie «absurd». 2011 war für mich persönlich eine sehr bewegende Zeit. Ich übertraf mich fast jeden Tag mit Besäufnis, mit Exzessen und Absurditäten, mit Beschleunigung und Enthemmung. Man muss und soll dieses neofuturistische Manifest in diesem Kontext lesen.
- Wir leben; wir riskieren und sind gefährlich. Wir fürchten uns nicht.
- Wir wollen bloss spielen.
- Wir beschwören die Bewegung, die Unruhe, den Hast. Wir sind beweglich.
- Schön ist, was sich bewegt. Was sich entwickelt. Was nie stillsieht; niemals zurückblickt. Was dem Kommenden zugewandt ist. Es ist Fortschritt. Kein Gleichschritt.
- Wir respektieren allein den Mann, der steuert, der lenkt, der bewegt, entwickelt, aber auch verwirft und zerstört, wiederaufbaut und motiviert.
- Wir jagen. Und werden schliesslich gejagt. Wir sind lebenshungrig. Und werden schliesslich sterben. Wir sind einsam. Aber gemeinsam.
- Auf und ab. Zyklisch. Immer wiederkehrend, aber niemals dasselbe. Iterativ. Wir wachsen. Und werden doch nicht erwachsen.
- Der Tod gewöhnt sich an uns. Wir sind lebendig. Wir scheuen keine Konsequenzen. Entschlossenheit demonstrieren wir. Wir überleben. Aber sterben doch zu früh.
- Wir sind neugierig auf das Kommende. Das Vergangene wollen wir zertrümmern. Ideale und Erinnerungen zerschlagen wir. Wir sind, was wir werden. Wir werden niemals sein.
- Der Kampf ist Leben. Leben ist Kampf. Wir verstecken uns nicht. Wir sind mittendrin. Statt nur dabei. Wir prügeln und pöbeln. Wir fliehen nicht. Niemals zurückweichen. Auch auf verlorenem Posten. Abgelöst werden wir gewiss.
- Krieg ist Vater, mindestens Pate aller Dinge. Wir wollen nicht kuscheln. Alles, was Aufruhr, da Veränderung verspricht, befürworten wir.
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Wir sind nicht mehr jung
Mit 16 war’s noch lustig. Mit 25 war’s ein ironisches Zeichen. Mit 31 wird’s langsam Ernst. Die Futuristen beschleunigen. Sie fürchten kein Morgen. Sie sind weiterhin ungezähmt. Sie verausgaben. Ich erwarte jeden Moment die Lebensbeichte, man habe seit sechs Monaten keinen Job mehr, 500’000 CHF Spiel- und/oder Puffschulden und ein gewichtiges Drogenproblem. Bis dahin überleben wir. Denn für die grossen Veränderungen ist’s zu spät.
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Was habe ich heute getan?
Ich war heute beruflich unterwegs. Das bin ich meistens und oft. Ich habe unlängst ausm Alltag berichtet. Damals noch abstrakt. Zudem liess ich unbeantwortet, wieso gerade ich Unternehmensberater «geworden» bin. Ich möchte nun meinen heutigen Arbeitstag reflektieren.
Ich war pünktlich im Büro. Trotz meiner Erkältung. Eine gute Leistung. Damit startet man mal gut. Ich musste mit einigen Kunden die Agenda des heutigen Tages verfeinern. Das Hauptziel des heutigen Tages war es, die nächsten zwei Wochen sowie die nächsten zwei Monaten zu planen. Welche Ziele wollen wir erreichen? Wie wollen wir vorgehen?
Ich habe die Agenda rasch überflogen. Ich wusste, ich werde improvisieren. Der Plan ersetzt bekanntlich den Zufall durch den Irrtum. Das bedeutet, es kommt ohnehin immer anders. Wozu also planen? Für eine Scheinsicherheit! Menschen lieben Sicherheiten. Alle Management-Lehren simulieren einen Sicherheit. Wir wollen sogenannte predictability, langweilige Planungssicherheit, Planbarkeit und so weiter.
Ich wurde also engagiert, die nächsten zwei Monaten zu planen. Das, damit der Kunde seinen Oberen mehr Sicherheit vortäuschen kann. Unglaublich, nicht wahr? Der heutige Tag hat meinem Kunden cash-out mindestens 3’000.- CHF gekostet, intern verrechnet sind’s knapp 20’000.- CHF. Damit kann man gemäss SKOS zwanzig Monate lang überleben (Grundbedarf). Schrecklich, nicht wahr?
Wir hatten eine klassische Ziel-Dekomposition angewendet. Meine Handwerkskunst darin ist, grössere, abstraktere Ziele in kleinere, konkretere zu schneiden. Damit sie handlich und damit planbar werden. Vor allem begleite ich den Prozess, den ich das gemeinsame Verständnis nenne. Das bedeutet, dass jeder in der Gruppe die abstrakten Ziele in konkrete interpretieren muss. Also in eigenen Worten übersetzen, vortragen muss. Die gesamte Gruppe reflektiert diese Aussagen. Das wiederholen wir, bis jedermann dasselbe versteht-sagt.
Ich habe meine Arbeit irgendwie gut erledigt. Ich habe den gesamten Prozess gut begleitet. Aber ich bin mittlerweile ermüdet. Ich bin schön klassisch ferienreif. Ich musste moderieren, dokumentieren, intervenieren und vor allem viel improvisieren. Natürlich ist mein heutiger Tagesablauf dreimal durcheinander geraten. Natürlich gab’s viel Unverständnis, viele Unklarheiten, die wir zunächst ausreden mussten. Ich bin darin erprobt und erfahren; ich kann solche Planänderungen verarbeiten (stick to the plan).
Natürlich rätsle ich gelegentlich, was mein Mehrwert ist. Wieso braucht’s mich? Ich meine, meine Arbeit ist nicht so dramatisch. Ich bin zwar ein ausgewiesener, zertifizierter Methodiker. Ich kann mich in einige Branchen hineinversetzen und mit Domänewissen verblüffen. Aber was macht mich besonders? Das einzige, was mich unterscheidet, ist, dass ich mich traue. Dass ich riskiere, aber dabei sicher wirke. Ich kann spontan und unvorbereitet eine gesamte Gruppe beschäftigen.
Denn viele Menschen, die in grossen Firmen sich verdingen, fürchten sich. Fürchten sich vor Kompetenzüberschreitungen, vor Ablehnung, vor Kritik oder vor Misserfolg. Sie wollen «auf der sicheren Seite» sein. Sie wollen ihre Arbeit gewissenhaft und gehorsamst serialisieren. Ich dagegen bin tollkühn, wagemutig, risikofreudig, bishin frech. Die grosse Ironie ist nur, dass ich bezahlt werden, um unsicheren Menschen Sicherheiten zu vermitteln. Absurd, nicht wahr?
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Die geile Frau meines Alters
Ich kenne das Gefühl, dass man nicht «der Erste» ist. Und vermutlich nicht «der Letzte» sein wird. Sexuell aktive und attraktive Frauen soll’s durchaus geben. Nur blöder ist, wenn man ihnen begegnet, sind nicht nicht unschuldig verdorben und im klassischen Sinne geil, sondern das ist die Folge vieler Erfahrungen und jahrelanger Praktik. Schlimmer ist bloss, wenn sie einen gewisse Praktiken verwehren, weil sie sie bereits erfahren haben. Dann fühlt man sich elendst und entwickelt eine Eifersucht auf jene, die noch im Leben sind und in ihrem waren.
Der Jedermanns Traum ist wohl, eine relativ unerfahrene Frau in eine sexuell total abgefahrene Kameradin zu entwickeln. Doch dieser Traum bleibt wohl auf die frühe Jugend beschränkt. In meinem Alter kann man’s vergessen. Das muss man akzeptieren. Wir dürfen, wenn wir Glück haben, zumindest die Reife einer weiblichen Sexualität geniessen, bevor die menschliche Sexualität wieder zusammensackt. Später dürfen wir uns noch in unseren Lebensberichten erinnern und die Jungen, Schönen und/oder Reichen beneiden.