Mit Widerspruch

Das Leben ist widersprüchlich. Ich verkörpere den Widerspruch. Ich praktiziere, was ich negiere. Ich verabscheue die Arbeitswelt, diene ihr gleichzeitig in Vollendung. Ich verteufle feste Partnerschaften, falle gleichzeitig ihnen anheim. Ich will mich mässigen, beschleunige gleichzeitig ins Unendliche. Ich denke, rede gleichzeitig.

Die Widersprüche existieren. Ich bin mittlerweile geartet so, dass ich Widersprüche erdulde. Ich erkenne sie, gleichzeitig ignoriere ich sie. Das Muster wiederholt sich. Gelegentlich werweisse ich, wielange ich diese Widersprüche noch verkraften kann. Derzeit befürchte ich, dass sie mich (noch) nicht bremsen.

Ich bin so widersprüchlich, weil ich gleichzeitig so gleichgültig bin. Ich lebe, als wäre ich längst gestorben. Ich kann nichts verlieren, weil ich mich bereits verloren fühle. Ich muss daher keine Konsequenzen abwägen oder einschätzen. Ich kann drauf los leben. Kein moralischer Nordstern orientiert, erinnert oder leitet.

Ich lebe ohne Anleitung und Orientierung. Die existenzielle Frage, die gelegentlich sich aufdrängt, ist die Frage nach dem Freitod. Ich will noch leben. Das erübrigt die Frage. In Details kann ich begründen, warum ich (noch) nicht sterben möchte. Das klärt. Falls ich unglücklich verunfalle, kann ich das akzeptieren.

Der Widerspruch begleitet mich. Der Widerspruch besetzt etliche Lebensbereiche. Alleine den Widerspruch zwischen meiner Lebens- und Todessehnsucht werde ich niemals aufheben können. Der durch den Widerspruch provozierte Konflikt ist, was mich befeuert. Seit ich bewusst denke, bin ich widersprüchlich.

Ich sehne mich nicht nach dem Zustand der Auflösung, nach dem Zustand der Harmonie. Einen Widerspruch beseitige ich mit einem noch grösseren Widerspruch. Ich kann bloss ganz futuristisch weiter Widersprüche auftürmen. Sobald alles zusammenbricht, starte ich erneut. Solange meine Lebensenergie noch ausreicht.

Ich beginne den Tag mit dem Widerspruch. Ich mag nicht aufstehen. Ich möchte hängen. Ich möchte lesen, rauchen und masturbieren. Danach lesen und schreiben. Ich möchte meine Zeit vergeuden, bewusst verschwenden. Ich möchte nicht arbeiten. Ich möchte nicht mich verpflichtet und verbunden fühlen. Ich möchte vegetieren.

Gleichzeitig habe ich meine Existenz mit einigen Verpflichtungen beladen. Diese muss ich fortan tragen. Doch ich begrenze mich. Ich kann derzeit keine weiteren Verpflichtungen bewältigen. Ich müsste einige delegieren. Allerdings kann und will ich auch nicht alle abtreten. Sie bilden seitdem meine Identität.

Ich habe mich mit den Widersprüchen meiner Existenz arrangiert. Ich habe Widersprüche als mein Lebensfeuer begriffen. Ich könnte niemals in einer widerspruchsfreien Existenz ruhen, irgendwie mich begnügen und sicher fühlen. Ich verlange den Rausch, das Unbeständige und den Widerspruch.