Ich bin ein kleiner Masochist

Ich riskiere immer, ich verspiele oft. Ich leide gerne. Ich jammere zuweilen gerne. Ich beklage meine verwirkten Optionen. Ich bedauere meine tote Sexualität. Ich bin unglücklich verliebt. Ich spüre diese Gefühle. Ich verstärke sie. Ich will sie erfahren. Ich durchlebe sie. Ich wühle und wälze mich.

Natürlich könnte ich auch verdrängen und ignorieren. Ich könnte ganz futuristisch weiter flitzen. Ich könnte beispielsweise mich über kommende Optionen erfreuen. Auf alle diese Mädchen, die ich irgendwann noch flachlegen könne. An alle das Geld, das einsammeln werde. An alle die Anzüge, die mir schneidern lasse.

Ich bin grundsätzlich nicht in der SM-Szene heimisch. Ich kann zwar eine Frau fesseln, ihre Augen verbinden und ihren Arsch bumsen. Ich empfinde Lust. Ich kann auch gerne Schmerzen ertragen. Ich quäle mich gerne, weil ich fordere viel. Ich bin streng, bin zu mir strenger als zu euch.

Ich verletze mich gerne selber. Damit ich spüre. Vorzugsweise psychisch und emotional. Überantworte mir viel. Ich beschäftige mich breit. Ich habe Schulden. Ich zerquetsche mein Herz, ich schleife meine Eier. Mutmasslich und absichtlich. Solange ich nicht sterbe, ist’s gut. Auch mein Deutschland-Experiment zermürbte, zerstörte mich physisch wie psychisch.

Dieser Todestrieb, den Freud so nobelpreiswürdig erklärte, motiviert und begeistert mich. Ich sterbe nicht, ich altere bloss. Das revitalisiert, regeneriert mich. Alle diese Phasen des Unglücks, der Schmerzen verkünden bloss eine noch teuflischere Phase des Glücks und der Unbeschwertheit. Bloss im Extremen und Intensiven kann ich differenzieren, unterscheiden.

Weil ansonsten würde ich wie ein Beamter funktionieren. Ich würde aufstehen, meine verkümmerte Frau flüchtig küssen. In der Dusche masturbieren. Dann an meine Wirkstätte eilen. Dort lausige Gespräche bemühen. Im Feierabendverkehr mich echauffieren. Vertrocknete Teigwaren herunterwürgen. Wegen der Tagesschau mich empören.

Ein Mann ohne Emotionen ist ohne Eigenschaften. Ich mag meine Eigenschaften. Neurotische und zwanghafte schätze ich ebenso. Depressive wie manische gleichfalls. Ich vereine Vielseitigkeit. Dennoch kann ich mich fokussieren und konzentrieren. Momentan umtänzle ich den Schmerz. Das Unglück. Bald folgt das Glück. Ich ahne.