Ein Schweizer in Paris

In der Schweiz lebt es sich gut. Man kann ein gutes und bequemes Leben einrichten. Die Schweiz schockiert und verblüfft nicht. Unsere Städte sind überschaubar, freundlich und sauber. Niemand muss sich verlaufen. Niemand muss sich der Zukunft wegen sorgen. Und wenn, können die Sorgen kaum rationalisiert werden. Die Schweiz ist ein Freizeitpark.

Ich mag Bequemlichkeit und Gemütlichkeit. Ich faulenze gerne. Ich entspanne mich damit. Dennoch besuche ich gelegentlich fremde Länder. Ich war kürzlich in Paris, eine klassische Weltstadt, eine klassische Sehnsuchtsmetropole. Gross, verwegen, bishin gefährlich. Die Stadt kann einen überfordern. Die Stadt überreizt die Wahrnehmung. Sie betört.

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Allein die Sehenswürdigkeiten. In Bern kann man einen Nachmittag spazieren und alles Sehenswerte bequem erledigen. In Paris müsste man eine Woche verplanen, um alles und jeden zu besichtigen. In drei Tage schafft man nichts. Die Vielfalt lähmt, blockiert einen. Man müsste priorisieren und sich fokussieren. Ich war nicht gross interessiert.

Ich hatte andere Interessen, die ich nicht publizieren muss. Ich habe den Eiffelturm funkelnd gesehen. Ich habe das Montparnasse-Hochhaus dominierend gesehen, das ich ausm Franzbuch noch kenne. Ich habe La Défense überragend gesehen. Den Triumphbogen habe ich einmal umkreist. Die Sacré-Cœur de Montmartre war auch irgendwie sichtbar.

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Ich war einkaufend. Punkt. Die grossen und breiten Boulevards haben meinen Geist nicht angeregt oder irgendwie inspiriert. Die verwinkelte Metro ebenfalls nicht. Die vielen Problemausländer auch nicht, welche die Stadt überbevölkern. Paris war nie meine Sehnsucht, die viele Intellektuelle der Schweiz befällt.

Dennoch ist die Stadt schön anzusehen. Man spürt, dass Frankreich zentralistisch regiert ist. Das gesamte Volksvermögen Frankreichs konzentriert sich in Paris. Die französische Industrie mag darben, der Kulturkonflikt verzweifeln und die politische Komödie erschaudern, aber solange der Franzose Paris hat, kann er gut schlafen.

Der Prunk beeindruckt mich. Paris konserviert den französischen Weltanspruch. Paris dokumentiert die Grösse Frankreichs. Als Schweizer kann man das nicht verstehen; wir haben keine Alleen, wir haben keine Statuen. Wir haben kein Obelisk des alten Ägyptens, das einen grossartigen Platz schmückt. Wir haben keine Helden des Krieges.

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Die Schweiz mag zwar kompetitiv, wirtschaftlich effektiv und effizient sein. Wir sind reich, angeblich glücklich und besonnen versichert. Aber unsere Städte können nicht verzaubern, nicht faszinieren oder imponieren. Wir haben das auch niemals beansprucht. Deswegen irritieren Städte wie Paris. Paris muss fesseln, muss kitzeln. Das ist Paris’ Zweck.

Denn Paris eint Frankreich. Die Schweiz konnte sich nie richtig auf eine Hauptstadt verständigen. Bern war ein fauler Kompromiss, immerhin besser als Aarau. Eine Planstadt in meiner Nachbarschaft hatte man früh verworfen, weil zu teuer und weil damit Bern, Basel oder Zürich oder die West- oder Südschweiz brüskiert worden wäre. Kompliziert.

Ich war also in Paris. Ich bin beeindruckt. Paris war bislang meine grösste Weltstadt. Berlin ist ebenfalls mächtig. Aber Berlin hat keinen Charme, keine historische Grösse, keinen Prunk. Berlin ist zu hässlich, die Alleen wirken künstlich und wie von Hitler erzwungen. Zudem ist Berlin komplett zerstört und hastig wiederaufgebaut worden. Paris nicht.