Der Verfemte

Meine Situation ist delikat. Ich bin öffentlich innerhalb der Firma verleumdet worden. Man identifiziert mich als Verschwörer. Ich habe gegenüber der Geschäftsleitung signalisiert, dass ich diese Darstellung nicht goutiere und mein Missfallen ausgedrückt. Ich habe mündlich um eine Gegendarstellung gebeten.

Ich konnte anerkennen, dass eine solche Gegendarstellung nicht durchsetzbar sei, da sie das Gesicht der Geschäftsleitung verletze. Heute habe ich das erste Mal seit dieser schwammigen Anschuldigung meine Persönlichkeit am überschicken Hauptsitz am Paradeplatz ausgestellt. Mit leichtem Alkohol.

Meine ehemaligen Kollegen wandten sich ab. Einige verhielten sich weiterhin loyal; die alte Prätorianer-Garde, welche das business erst aufbauten, welche den Markt zusammen mit mir eroberten. Die Neulinge, die Nachzügler distanzierten sich. Sie versicherten mir alle synchron und vermeintlich unabhängig, sie seien bloss Beobachter und wollen nicht werten.

Man kämpft immer alleine. Ich kann bloss den Zuspruch einer verschworenen Truppe erwarten. Immerhin konnte ich mich mit dem zweiten Mehrheitsaktionär versöhnen und gut verständigen; über Familie, Ferien und Kindergeburtstag und über die Zukunft der privaten Gesellschaft. Der dritte Minderheitsaktionär blickte bloss enttäuscht.

Der Hauptaktionär und der ultimative Gegenspieler war absent. Seine neue Rolle als Verwaltungsratspräsident fordert ihn wohl vollkommen und an anderen Fronten. Ich bin immerhin angemessen verabschiedet worden. Eine kleine, aber rührende Rede eines Bekannten. Das tröstete mich.

Auch der dritte Minderheitsaktionär würdigte meine Leistung. Immerhin. Das besänftigte mich. Ich habe mich daraufhin bedankt, den Mitarbeitenden, dem Arbeitgeber. Ich habe meine Rede improvisiert; wie so oft. Sie glückte einigermassen. Dennoch musste ich mich später rechtfertigen. Hinterbänkler wollten alles wissen.

“Ohne Anwalt kann ich nicht reden”, beschwichtigte ich jeweils. Das ist die Wahrheit. Ich kann nicht offen kommunizieren. Ich kann bloss auf den CEO verweisen. Er kann auf Anfrage richtigstellen; seinen Kontext vermitteln. Ich möchte meinen noch nicht kundgeben; noch ist es zu früh. Denn bald werde ich das Unternehmen konkurrieren.

Meine Konkurrenz ist hart. Es ist schwierig. Eventuell übernehme ich mich auch. Ich verschulde mich, ich werde scheitern und muss dann alles zurückzahlen; ohne Aussicht auf bedeutendes Mehreinkommen; ohne Mehrheitsanteile an einer rentablen Gesellschaft. Das verdüstert meine Weihnachtsstimmung.

Aber ich muss es riskieren. Ich könnte mir niemals verzeihen, es nicht zu tun. Ich will den Markt beherrschen, dominieren. Ich will den Markt zerstören. Ich will die Unternehmen befreien. Ich habe Ideale; ich habe eine Vision. Theoretisch kann man mich nicht aufhalten; das erzählt meine Biografie und Entschlossenheit.