Was würde meine Kunst bezwecken?

Ich bin kein Künstler. Ich bin nicht ausgebildet. Aber ich bin kunstaffin. Vor allem, wenn mir Bekannte oder Vertraute Kunst produzieren. Das begeistert mich jeweils. Für anonyme, weltstädtische Kunst kann ich mich aber nicht interessieren. Mir fehlt der Bezug, weil ich keine Biografie habe. Ich muss den Künstler kennen, um dessen Kunst verstehen zu können. Sonst hat’s für mich keinen Sinn. Was würde also meine Kunst ausdrücken?

Ich plane, zusammen mit L. einen Raum in Olten zu mieten. Jenen Raum, der mich kürzlich inspirierte. Dort wollen wir etwas gemeinsam unternehmen. Eventuell wird’s aufeinander passen, eventuell nicht. L. möchte damit ihr comeback feiern und ihre Reputation als Anti-Künstlerin festigen. Die Vermieterin C. ist die beste Freundin meiner Ex-Ex-Ex-Freundin M., die noch für einige emotionalen Schulden bürgt. Für L. die perfekte Provokation. Für mich eine komische Konstellation. Ich bin ohnehin per Definition ein Unkünstler. Für mich ist’s bloss Spass, quasi ein Hobby. Ich will und muss mich nicht anbiedern.

Mein Kunst ist autobiografisch. Ich erzähle. Ich möchte den Menschen vermitteln, wie ich mich fühle. Was Wörter wie einsam, verloren, entfremdet und leer bedeuten. Ich möchte meine grosse Irritation, mein grosses Befremden vergrössern, damit diese Begriffe erlebbar-erfahrbar werden. Natürlich möchte ich das ganze als Spektakel inszenieren, damit gleichzeitig ein gewisser Eskapismus funkelt. Klassisches wie Sex, Gewalt, Exzess und allgemeine Trostlosigkeit begleiten meine Kunst, ironisieren meine Kunst. Damit kann sich mich mein Publikum entfernen, abstrahieren. Falls etwas wehtut. Einen leidtut. Quasi eine Exit-Strategie, aber keine Erlösung. Ich befreie niemanden.

Ich kann mir folgende Objekte vorstellen. Verwackelte Handy-Aufnahmen vergangener Ausschweifungen. Ein Mann in einem Tanga. Wüste Frauen. Umgekippte Gläser. Zerstörte Küchen. Die Bilder billig und rasch ausgedruckt. Klassiker meiner Cloud-Sammlung. Aber natürlich fein kuratiert. Nebenan einige Erlebnisse meiner Rückschläge. Die irrsten Geschichten. Allesamt tragische gewiss. Nebenan aber Geschichten grössten Glücks. Auch dürftige Aufnahmen einer fragilen Zufriedenheit; meine glänzenden Augen beispielsweise. Die Komposition garniere ich mich Zeitgenössischem. Mit Bekennerschreiben.

Ich denke, Flüchtlinge machen sich auch gut. Sind zeitgeistig. Ich bin darin sogar erfahren. Ich bumse allerdings keine Flüchtlinge. Bin also nicht ganz so intim. Aber ich könnte meine Geschichten prima aufwerten kraft meiner aktuellen gesellschaftlichen Rolle. Ich könnte das alles ausgleichen mit meinen geliebten Bekennerschreiben. Ich bekenne mich für die Armut. Ich bekenne mich für den Hunger. Ich bekenne mich für die Unterdrückung irgendwelchen Minderheiten. Für die Bürgerkriege Jemens oder Syriens.

Und schliesslich der Amoklauf. Prominent. Ich bekenne mich für alle Amokläufe dieser Welt. Ich werde einen konkreten skizzieren. Als unfertiges story board. In Olten. Den Protagonisten enthülle ich. Den Hintergrund liefere ich. Ich identifiziere die Getöteten. Ich präsentiere den Schauplatz. Ich müsste bloss den Raum narrativ-stringent formen. Wegweiser postieren. Dem Besucher einen Weg aufzwingen. Ihn begleiten. Diese Entwicklung eben erlebbar-erfahrbar gestalten. Oh wie schön.

L. und ich würden den Raum einige Wochen mieten. Diese Zeit investieren wir für unser Werk. Das irgendwie zusammenpasst, wenn’s glückt. Wir werden eine Vernissage und Finissage gleichzeitig organisieren. Alle Informationen auf einen Abend verdichten. Den Abend möchte ich mit Shots unterstützen. Ich werde keinen Orangensaft ausschenken-verschenken. Wer die Härte erfahren will, muss sich betäuben. Eintritt nur für Verrückte. Ich möchte Rauch, ich möchte Nebel. Ich möchte uns vernebeln. Damit wir nicht klar erkennen können. Also darf und muss geraucht oder gekifft werden. Konzept halt.

Ich werde dieses Konzept mal mit der L. verifizieren. MVP-mässig.


2 Antworten zu «Was würde meine Kunst bezwecken?»

  1. […] Prototyp eines depressiven Künstlers. Ich möchte am liebsten bloss schreiben und Ausstellungen veranstalten, welche die Menschen entrücken, provozieren und entsetzen. Ich ernähre mich von der Verachtung […]

  2. […] geht’s? Ein Anti-Künstler erobert den Kunstmarkt, ohne standesgemäss sich zu vernetzen und zu sozialisieren. Eigensinn halt. […]

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