Kann man sich überhaupt jemals entschuldigen? Wer kann meine Schulden lasten? Ich habe keinen Gott, keinen Jesus, dem ich etwas anvertrauen kann. Ich muss alles selber meistern. Ich kann auch nicht mein Umfeld damit konfrontieren. Und einen Therapeuten mag ich nicht bezahlen.
Also was nun? Wir müssen selber verantworten, was wir tun. Ich hadere zuweilen damit. Ich verdränge, was ich tat. Damit ich mich nicht erinnern muss. Damit ich mich meine Schulden vergesse. Ich habe Schulden gehäuft, emotionale. Diese erdrücken mich nun. Ich kann sie nicht abbauen.
Ich kann nicht einfach schreiben. Damit entlaste ich mich nicht. Ich kann sie auch nicht einfach erzählen. Damit verschwinden sie nicht. Ich muss sie separieren, auseinandernehmen. Ich muss sie ordnen. Ich muss meine Verlustscheine katalogisieren. Hier Nachlässigkeit, dort Trotz, hier Gewalt, dort Exzess.
Ich habe liebe Menschen verletzt. Menschen, die mir wohlgesonnen waren. Ich habe sie abgelehnt und enttäuscht. Ich habe sie quasi missbraucht. Ich war nicht immer ehrlich. Manche habe ich für einen Lebensabschnitt gequält, manche für Sex. Ich war ein Raubtier. Ich war egoistisch. Ich bereue einiges.
Doch Reue antwortet nicht. Reue hilft nicht weiter. Reue ist bloss eine Emotion, ein starkes Gefühl. Dessen ich immerhin noch fähig bin. Reue ist der erste Schritt. Der zweite Schritt ist Erklären. Ich muss begründen, untersuchen, wieso ich so handelte. Das erfordert Ehrlichkeit. Das verlangt gewisse Objektivität. Ich bin nicht bloss «Opfer».
Denn manchmal war ich ein blinder Täter. Blind vor Wut, zuweilen Hass und auch Furcht. Ich fürchtete Nähe. Ich fürchtete Vertrautheit. Das waren die einen gewichtigen Ursachen. Die anderen waren Selbstgefälligkeit und eine unendliche Lebenssehnsucht. Ich fühlte mich denn auch schon missverstanden und gefangen. Missverständnisse halt. Entfremdung.
Finanzielle Schulden kann man abarbeiten, Ratenzahlungen vereinbaren, Gläubiger kontaktieren, Reue demonstrieren. Emotionale Schulden kann man nicht einfach tilgen. Gläubiger wollen einen nie mehr begegnen. Gläubiger wünschen einen höchstens einen schnellen und qualvollen Tod. Hier kann man nicht telefonieren und Raten versprechen.
Hier kann man grundsätzlich nichts tun. Gläubiger emotionaler Schulden sind nicht zu besänftigen. Entweder wollen sie einen rächen oder ignorieren. Meistens haben sie Methoden entwickelt, um Wunden zu heilen. Wenn ich nun Jahre später reuig und im Nachhinein klüger auftrete, erfreue ich niemanden.
Ich kann auch nicht allen einen Brief schreiben. Damit überwältige ich sie wieder. Ich überantworte meine Last ihnen. Das würde denn auch ich mich nicht entsühnen. Also was kann ich tun? Vermutlich bloss in meinem Refugium meine innere Ruhe aushandeln. Ich kann Liebe schenken und Dankbarkeit ausdrücken.
Aber ich werde den Schmerz niemals lindern können, den ich verursacht habe. Ich kann bloss mein Verhalten ändern, damit ich mein Verhalten nicht wiederhole. Und das bedingt, dass ich mich auseinandersetze. Eben meine Verlustscheine einsortiere, bewerte und kommentiere. Jeden einzelnen.
Ich habe viel Arbeit vor mir.
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