Ein ominöser faustischer Drang ins Unendliche befeuert mich. Ich möchte diesem Feuer näherrücken; es verstehen und erklären. Und meine Leserschaft wie immer teilhaben. Willkommen.
Ich trotze dem Gleichschritt, ich trotze dem Trott. Ich verabscheue Mittelmässigkeit und Normalität. Ich gratwandere, ich experimentiere mit Grenzen und übersteige sie und mich selber. Dieser überhöhte Selbstanspruch dämpft denn auch meinen Selbstwert, wie ich kürzlich eingestehen durfte, weil Wunsch und Wirklichkeit einander zuweilen widersprechen. Bin ich bloss vollends durchgeknallt-bekloppt oder birgt darin sich mein Eros, versteckt darin sich meine Lebensenergie und meinen -hunger?
Auf Spurensuche
Der Fauststoff beschäftigte Generationen; ein Wikipedia-Artikel hat alles Grosse und Kleine aufgearbeitet. Darin ist unter anderem auch zusammengefasst:
Faust ist der über seine Grenzen hinaus strebende Mensch, der im Konflikt zwischen egozentrischer Selbstverwirklichung und sozialer Anerkennung steht.
Das ähnelt dem Konstrukt des Gleichgewichtes, dessen Unausgeglichenheit meinen Selbstwert reduziert. Faust balanciert zwischen Selbstverwirklichung und Anerkennung; er will Grenzen überschreiten. Schliesslich verbündet sich Faust mitm Teufel. Der Teufel verheisst grenzenlose Grenzüberschreitungen, knüpft das aber wiederum an klassischen Bedingungen wie mangelnde Liebensfähigkeit. Soviel zum eigentlichen Faust.
Die faustische Kultur
Freilich bin keine literarische Figur. Ich identifiziere mich nicht mit irgendeinem Faust. Faust verschafft Kontext, um verstehen zu können, was der faustische Drang, Streben ins Unendliche ist. Ich bin hier inspiriert, ja sehr beeinflusst worden vom Untergang des Abendlandes, dieses schwere und mühsame Buch, das pünktlich 1918 erstmalig erschien und gross und breit rechtfertigte, wieso «denn alles, was entsteht, ist wert, dass es zugrunde geht». Darin unterscheidete Spengler zwischen drei Kulturseelen: Die apollinische, die magische und schliesslich die faustische. Die westliche Hemisphäre ist gemäss Spengler sehr faustisch ausgeprägt.
Der unendliche Drang ins Unendliche
Ich begreife diesen Drang als Zwang, sich nicht zu begnügen. Weder mit sich selbst noch mit der Umwelt. Das ist nicht bloss eine Form der Gier, die sich darin zeigt. Sondern es ist auch eine Form der unendlichen Leidenschaft, Dinge zu verstehen, Dinge zu begreifen und natürlich Dinge auch zu beherrschen. Es ist der ultimative Wille zur Macht, die ultimativ entschlossen ist. Die westliche Zivilisation zum Beispiel kann nicht ruhen, bis überall «Demokratie», «Menschenrechte» umgesetzt und Einfuhrzölle abgesetzt sind. Ich beispielsweise werde nicht sterben, bevor ich mein epochenmachendes Werk vollbracht habe.
Der faustische Charakter
Wer faustisch sein Leben skizziert, gewinnt eine gewaltige Entschlossenheit, die vieles ausblenden, ignorieren oder als Übel abtun kann. Meine berufliche Karriere, die mich nicht wirklich erfüllt-beseelt, kann ich damit problemlos als notwendiges Provisorium weglegen und auf meine wahre Berufung mich fokussieren. Wer faustisch denkt, der wird sich nicht mit Kleinigkeiten gedulden; er will skalieren, die Breite und Tiefe erschliessen. Er will den Raum erobern.
Mein Feuer
Ich brenne. Ich will leben, ich will erobern. Ich will alles erfahren. Ich bewege mich im kompetitivsten Markt wohl, in der abgefucktesten Branche wohl. Hier will ich mich als Prototyp veredeln lassen. Und danach verlasse ich diese Welt. Ich werde drei Romane verfassen. Einen Gesellschaftsroman alter Schule, eine Dystopie und eine Utopie. Und danach werde ich mich vollends ums private Glück kümmern. Ich werde mich verabschieden, die Welt bloss noch beobachten. Hier und da einige Aphorismen kundgeben. Im Privaten meine Meinung äussern. Bis dahin ist’s ein weiter Weg, aber der faustische Drang belebt, befeuert mich dabei. Stets.
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