Eine kleine Kränkung, Verletzung kann dich ziemlich weit motivieren, antreiben; sie kann deinen Weg beschleunigen. Ich habe beobachtet, wie ein gewöhnlicher Angestellter, nicht übermässig engagiert, sondern mehr bestrebt, das Leben gemütlich sich einzurichten – also wie eine solche Person hinauswachsen konnte und politische Gegner niederstrecken musste.
Dessen schnelle Karriere beeindruckte mich. Man spekuliert über seine Anstellung, ob eine dritte Person die Entscheidung beeinflusste. Denn fachlich wie menschlich konnte er nicht überzeugen. Er ähnelte einem untersetzten Koch, der grösstenteils im Innenhof Nikotin verdampfte. Nebenbei konzipierte er seine Doktorarbeit über die Unternehmenskultur. Sehr ungleich.
Er nannte einige als Freunde. Der eine verantwortete, dass er dort war, die restlichen hat er im Nachhinein geschart. Sie alle stammen vom lokalen Mitbewerber; man kennt sich. Sein ehemaliger Vorgesetzter verfolgte andere Prioritäten und hat deswegen ein Team zurückgelassen, das er sofort übernehmen und im Portfoliosinn vergrössern konnte.
Die Beziehung zum ehemaligen Vorgesetzten war belastet; sie waren nun hierarchisch gleichgestellt. Er durfte mittlerweile über ein grösseres Budget walten als sein Konkurrent; auch organisierte er die wichtigere Projekte – doch bis auf das eine, das einer grossen Veränderung, die alles hinterfragt, alles umbaut und eigentlich jeden betrifft.
Im Verlaufe des Jahres hat sich die obere Führungsriege selber gesäubert. Ein neuer starker Mann sollte die überkommenen Strukturen aufbrechen, sollte das Unternehmen in ein goldenes Zeitalter grosser Gewinne zurückführen. Der ehemalige Vorgesetzte wollte sich positionieren, kommunizierte offen und ehrlich; er skizzierte eine gut dotierte Stabsstelle.
Doch unser gewöhnlicher Angestellter war nachtragend. Er war entschlossen, er wollte sich selber überwinden; er wollte Macht spüren, Macht ausüben – und die vergangenen Demütigungen vergessen. Er möchte niemals wieder Koch genannt werden. Niemals wieder; er der nebenbei doktoriert, Frauchen und Kindchen im Wiesental nährt.
Die Ambitionen seines ehemaligen Vorgesetzten waren offenkundig, sie wurden auch nicht ernstgenommen. Er agierte nicht ausreichend professionell-gerissen. Er war vom Typ vielmehr gutmenschlich und naiv, unbekümmert. Keine fiese, berechnete Ratte; kein Machtmensch, kein Politiker, obwohl er sich einredete, er sei politisch.
Unser gewöhnlicher Angestellter hatte sich rechtzeitig beim neuen starken Mann angebiedert, seine Dienste angepriesen, seine Doktorarbeit geschickt eingebettet. Er war plötzlich Einflüsterer, Berater. Denn der neue starke Mann misstrauten allen; er war nicht vom Fach, nicht von der Szene, nicht von hier. Er suchte Freunde statt einen Hund.
Gemeinsam planten sie eine Reorganisation. Fachlich ist sie gut, angemessen. Ein Schritt in die richtige Richtung; ich kann sowas schliesslich beurteilen. Und unser gewöhnlicher Angestellter hat das eigentlich beste Ressort geschaffen, thematisch einem noch weiteren Mitbewerber entrissen. Nun thront er.
Sein ehemaliger Vorgesetzter und vergangener Demütiger hätte sich als erster Untergebener einreihen müssen. Doch unser Kollege hat bereits am selben Tag zwei Königsmörder rekrutiert – und ihnen die Stelle des ehemaligen Vorgesetzten versprochen, falls sie sich öffentlich von ihm distanzieren würden.
Das war grandios. Der ehemalige Vorgesetzte war bereits mit dieser Tat, die allen bekannt ist, abgeschossen; es musste sich niemand mehr öffentlich distanzieren oder dergleichen. Er ist vernichtet, er musste vormittags sich mit Shots betäuben; er verlor alles, sein Projekt, seine Stelle, sein Gesicht. Er konnte bloss noch zurücktreten. Bedauerlich.
Die original angeschafften Königsmörder waren nicht mehr notwendig, dennoch konnte der eine die Stelle dankbarst übernehmen und sein Prestige erhöhen. Er hat nun eine bedeutungsvolle Kaderfunktion inne; mehr Gehalt, eine periodische Besprechung zum neuen starken Mann. Er muss bloss noch Gehorsamkeit beeiden.
Der ganze Ablauf hat mich beeindruckt. Jemand hat die Mechanismen der Politik gelernt und angewendet. Mit diesen Werkzeugen hat er es relativ weit gebracht für eine kurze Frist mit wenig Unterstützung, mit wenig einflussreichen Freunden in der Organisation. Nun kann er ein kleines Reich zimmern, mit treuen externen Berater und Untergebenen.
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