Die westliche Zivilisation hat seit 2000 alles falsch gemacht. Bis Ende 1999 gehörte die Welt uns. Wir beherrschten Menschen und Naturgewalten. Es war unsere Welt. Doch seitdem verlieren wir sie allmählich. Wir werden bald bloss noch reagieren statt regieren. Wir werden bald unseren eigenen Untergang umsetzen können.
Wir führten in den 90er-Jahren mit einer Idee bishin Ideologie. Wir versprachen Wohlstand, Menschenrechte, Umweltbewusstsein und globalen Frieden. Alles schien möglich, jeder konnte es schaffen. Das war unsere Verheissung, unsere damalige Leitkultur. Die dritte industrielle Revolution befeuerte unsere Fantasien und die Nasdaq.
Es war aber nicht überschätzte 11. September, der unseren Abstieg ankündigte. Der 11. September war bloss ein weiteres Zeichen des Terrorismus› der 90er-Jahren, den wir einfach aushalten mussten als quasi einzig möglichen, aber nicht realistisch das Komplettsystem gefährdenden Widerstand gegen unsere Weltmacht.
Gewiss mussten wir periodisch einige Todesopfer bedauern. Doch die waren unbedeutend, rasch vergessen und wir konnten davon profitieren, dass wir einfach weitergefeiert haben, als wäre nichts geschehen. Das war auch jeweils das Mantra unseren gewählten Repräsentanten. Wir liessen uns nicht beeindrucken.
Weitaus tragischer war, dass wir begannen an unseren Idee, an unseren Ideologie zu zweifeln. Wir haben eine sogenannte pluralistisch-liberale Gesellschaft, die unterschiedliche Meinungen toleriert. Unsere ebenso sogenannte Leitkultur konnten wir nie verbindlich vereinbaren. Sie war stets ein Projekt der Eliten.
Unsere Idee einer freien Welt war also keine, die vom Volke getragen wurde. Diese Idee ist uns empfohlen, ja auferlegt worden. Das war keine Volksstimme, die tief und kräftig die Idee hatte, die Welt zu missionieren. Das Volk stattdessen war beschäftigt, Steuern zu bezahlen, einen anständigen Beruf zu erlernen, sich zu vergnügen und sexuell zu betätigen.
Hier zeigt sich eine erste Entfremdung zwischen Politik und Volk. Heutzutage brechen die Volksparteien in fast allen westlichen Staaten zusammen. Sie werden durch fokussierte und ideologische Kleinstparteien ersetzt. Diese politische Entfremdung ist nur eine Folge der ideologischen Entfremdung, leider folgerichtig.
Ohne Ideen, ohne Ideologien haben wir nicht das Sendungsbewusstsein, den Planeten nach unserem Willen zu gestalten. Ohne Ideen dämmern wir quasi «geschichtslos» und «bewusstlos». Die heutigen Eliten sind überfordert. Sie bewundern insgeheim die nun sogenannten autoritären Gesellschaften wie China oder Russland mit Ideen und Plänen.
Die Schweiz ist in dieser Hinsicht ein sehr komplizierter Fall. Die Schweiz ist sich ihrer Nichtigkeit bewusst. Die Schweiz kann keine globale Leitkultur prägen. Die Schweiz arrangiert sich lediglich. Daher reüssieren in der Schweiz seit 2000 Isolationisten politisch. Es ist der Aufstieg der SVP, die die Idee der Weltabgeschiedenheit proklamiert.
Die Schweiz ist keine führende Gesellschaft im Westen. Wir sind einfach dabei, finanzieren hier und da Projekte wie ITER, ESA, unterstützen, wo es gerade gefordert ist wie die Kohäsionsmilliarden. Wir können nicht erwarten, dass die Schweiz den Westen inspiriert und eine globale Ideologie manifestiert.
Anders die USA. Die USA haben den Westen des 20. Jahrhunderts geformt. Die USA haben eine Idee und eine Ideologie verlautbart. Die USA haben Angriffs- wie Verteidigungskriege gemeistert. Die USA haben weltweit Stützpunkte und Handelsrouten errichtet. Die USA haben Börsenplätze vernetzt, Unternehmen globalisiert, Handelsabkommen erleichtert.
Das 20. Jahrhundert war ein sehr amerikanisches. Das vormals herrschende Regime des alten Europas hat sich per 1914 erübrigt. Deutschland und Japan wollten sich jedoch nicht unterjochen. Sie wollten selber die Welt dominieren. Sie sind bekanntlich gescheitert und haben sich seitdem zu ergebenen Vasallen der USA gewandelt.
Doch die USA haben seit 2000 alles falsch gemacht. Der Afghanistan-Krieg ist offiziell irgendwie beendet, aber war faktisch ein Desaster, ein weiteres Vietnam. Der Afghanistan-Krieg war anfänglich als Strafexpedition geplant und auch ausgeführt worden. Man wollte die Terroristen endlich auslöschen.
Doch der Terrorismus war Teil unseres Systems. Man kann ihn nicht einfach ausradieren. Es ist eine symbiotische Beziehung. Zudem konzentriert sich der Terrorismus nicht an einem einzelnen Ort oder ist nicht durch eine einzige Person verkörpert. Der Terrorismus ist virtuell, er existiert als Idee und ist somit nicht konventionell bekämpfbar.
Ebenso der Irak-Krieg. Die Kriegsgründe waren grösstenteils gefälscht. Die wahre Intention, Ölreserven zu verwestlichen, kann man gutheissen. Doch die Öltechnologie war damals bereits veraltet und ist es heute noch mehr. Man hat falsch gewettet. Tragischerweise hat lediglich das Bush-Kabinett persönlich vom Irak-Krieg profitiert.
Der Irak-Krieg war somit ein Selbstbereicherungsfeldzug. Die Ideologie von Demokratie ist vorgeschoben worden, doch das Volk durchschaute das Manöver. Es ist vermutlich eine Ironie der Geschichte, dass heute China die Ölindustrie im Irak kontrolliert. Der Westen hat doppelt verloren; er hat einen Krieg finanziert und verpasste den Zugriff aufs Öl.
Präsident Cool Obama konnte Vertrauen wiedergewinnen. Er erhielt viel Kredit, alleine wegen seines Lebenslaufs. Er spürte die Wichtigkeit der automatisierten Kriegsführung und investierte in den sogenannten Drohnenkrieg. Zudem förderte er neue Schlüsseltechnologien wie E-Mobilität und wollte die westliche Institutionen wieder stärken.
Doch Obama hat sich längst vom Volk entfremdet. Seine Ideen waren zwar geopolitisch und weltpolitisch angemessen, aber er konnte sie nicht kommunizieren. Weitaus profanere Sorgen bedrückten sein Volk. Zwei Amtszeiten konnte er sich mindestens halten. Die wirtschaftliche Realität im Westen hat zwischenzeitlich das Volk eingeholt.
Das Volk kürte Trump zum neuen Führer. Das war absehbar. Trump versprach keine Weltpolitik. Trump ist der grosse Verführer und Vereinfacher. Trump ist auf seinem ganz persönlichen Feldzug, er müsse sich irgendwie beweisen. Er hält derzeit das wichtigste Amt weltweit inne. Er hat ultimativen Erfolg. Sein Narzissmus ist wohl überhitzt.
Nach zwei Jahren Trump haben die USA ihren Führungsanspruch offiziell abgetreten. Die EU derzeit bröckelt. Die schwachen Staaten werden einerseits von China, andererseits von den USA selber hofiert. Die Union, einst ein Vorzeigeprojekt des Westens, ist heutzutage der Sündenbock für alles und eine Problemorganisation für das Volk.
Wir können nicht erwarten, dass die EU eine neue globale Leitkultur entwirft. Die EU hat derzeit andere Aufgaben zu bewältigen. Sie muss ihrer Selbstauflösung entgegenwirken. Solange sie nicht stabilisiert ist, kann sie nicht führen. Ebenso die USA. Trump hat eine grosse Identitätskrise in den USA ausgelöst. Wer sind die USA und was ist ihre Rolle?
Bis auch die USA sich festigen, können Jahrzehnte dauern. Dann aber schliessen sich Optionen. Bis dahin haben andere Mächte zugeschlagen. China lauert. Anfang 2000er war China noch diskret, unauffällig. Doch seit 2016, seit Trump operiert China selbstbewusster und machtbewusster. Das ist sehr geschickt.
Der westliche Lebensentwurf erleidet eine grosse Krise. Das Volk ist irritiert, das Volk ist ohne Identität, Sinn und Aufgabe. Es gibt kein «Ich bin ein römischer Bürger», das beseelt, motiviert und Lust entfacht. Wir werden somit einfach zugrundegehen. Die westliche Gesellschaft überaltern und büssen Wettbewerbsfähigkeit ein.
Heutzutage kann man durchaus befürchten, dass die nachfolgende Generation hier im Westen nicht noch mehr iPads, noch mehr Geld, noch mehr Wohlstand haben wird, sondern bedeutend weniger. Stattdessen werden wir uns selber bekämpfen, wir werden uns abermals selber vernichten und kapitulieren.
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