Bekanntlich verneine ich das Konzept eines freien Willen. Ich bezweifle, dass wir autonom und unabhängig entscheiden können. Vielmehr treiben uns im hundertjährigen Eisberg-Modell Gefühle, Ängste, Sorgen, Bedenken, Sehnsüchte. Zudem können wir erst jetzt abschätzen, wie das Gehirn programmiert ist.
Wenn ich das alles kombiniere, dann muss ich einen freien und bewussten Willen ablehnen. Ich kann zwar gewisse Herrschaft über mich selber simulieren, aber ich lebe dann in meiner Welt als Vorstellung und nicht des Willens. Ich habe bislang kaum eine Entscheidung bewusst getroffen. Man parodiert das gerne als Bauchgefühl.
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Tatsächlich ignoriere ich öfters mein Bauchgefühl. Ich unterdrücke, was Körper und Bauch mir sagen wollen. Stattdessen verklebe ich mir die Welt wie sie mir gefällt. Ich kann mich tagsüber gut konditionieren. Doch nachts oder in Umnachtung oder in Momenten der Unachtsamkeit verliere ich meine Selbstbeherrschung.
Ich gehorche dann meinem Bauch. Ich funktioniere, ich tue, was ich im Bewusstsein meiner vermeintlichen Selbstbeherrschung bereuen werde. Doch im Augenblick fühle ich mich gut, befriedigt und vom Konflikt erlöst. In solchen Momenten übermanne ich mich selber. Das ist meine selbstzerstörische Sehnsucht, die mich aufgrund des ewigen Konflikts quält.
Ich möchte weniger Kompromisse ausüben, die Spannungen verursachen. Spannungen zwischen Kopf und Bauch. Zwischen dem, was ich mir einrede und dem, was ich fühle. Ich will stattdessen drauflos fühlen und leben. Und wenn, dann erst im Nachhinein vergegenwärtigen. Ich lasse mich überraschen, was passiert.
Ich kann mein Leben nicht kontrollieren. Alle privaten wie beruflichen Meilensteine sind zufällig entstanden. Ich war zufälligerweise an der richtigen Zeit am richtigen Ort und habe das Richtige geantwortet. Das war kein Masterplan, das war keine Absicht. Das ist einfach geschehen und ich habe es zugelassen.
So auch jetzt. Ich habe keine Ahnung, wie ich mich privat weiterentwickeln werde. Ob überhaupt oder wann und wie. Ich habe bloss meinem Bauch vertraut. Ich habe das vollzogen, was vermutlich längst überfällig war – was ich mir aber nicht eingestehen wollte und daher bewusst ausgeblendet habe.
Ich hatte in keinem Moment eine Willensfreiheit. Meine Freiheit gründet darin, keinen Willen haben zu müssen. Ich kann in wenigen Augenblicken mein Verhalten beeinflussen, Reaktionen testen. Doch diese Momente sind selten und kann ich nicht synthetisieren. Sie kommen und gehen. An der richtigen Zeit am richtigen Ort das Richtige geantwortet.
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