Die Ein-Mann-Regierung

Ein Individuum, ein Akteur steuert den Ablauf, lenkt und entscheidet die Geschicke. Der potente und entschlosse Mann begeistert. Wir vermuten hinter jeder charismatischen Regierung eine solche Eminenz, die alles wacht und kontrolliert sowie kommandiert. Wir überschätzen den Menschen bishin. Kürzlich die flinke NZZaS über Trumps Einflüsterer.

Hitler war das letzte Individuum. Vermutlich vor zehn Jahren in einem verwegenen Kanal habe ich das kundgegeben. Ich war damals frustriert; ich gewöhnte mich an die allgemeine Ohnmacht, an meine spezifische aber besonders; diese radikalisierte mich. Statt die Tat zu rühmen, zitierte ich den zwecklosen Widerstand.

In jüngster Vergangenheit triumphieren entschlossene Männerfiguren. Diese Figuren erinnern mich an Cäsar. Sie wollen allesamt die innere Dekadenz überwinden. Sie wollen allesamt die Gesellschaft erneuern, von Schmutz und Dreck befreien, wie das rohe New York der Siebziger vergleichend, stilisiert in Taxi Driver.

Ernsthaft? Nicht einmal Trump kann uneingeschränkt regieren. Der historische Absolutismus krönte diese Herrschaftsform. Doch der Absolutismus hat gleichzeitig die Bürokratie etabliert, die seitdem das Leben der Menschen verwaltet. Diese Bürokratie kann nicht ignoriert oder umgangen werden.

Trumps superprovisorisch Erlasse signalisieren bloss dessen Ohnmacht. Welcher echter Herrscher müsste denn irgendeinen “Erlass” unterzeichnen und damit irgendwelche Behörden anhalten, zukünftig die Gesetze “grosszügiger” auslegen zu dürfen? Das verblüfft doch. Das funktionierte zuletzt noch im Führererlass.

Doch wer regiert uns stattdessen? Eine verborgene Eminenz? Ein Einflüsterer, Berater? Die Ehefrau, der Schwiegersohn? Die undurchsichtige Weltverschwörung, ein Kombinat aus Religion und Finanzindustrie? Oder ein abstrakter, alles durchdringender Gott, der ohnegleichen ist? Wer beeinflusst den Weltgeist?

Leider niemand, niemanden, den wir beschuldigen könnten. Niemand, den wir benennen könnten. Wir haben niemanden. Niemand, den wir anrufen könnten. Das können wir nicht wahrhaben. Deswegen interessieren uns Figuren, die das Gegenteil versprechen. Putin, Trump und Erdogan profitieren davon.

Bis eine Entscheidung umgesetzt werden kann, sind unzählige Handgriffe notwendig. Das politische System lebt von diesen kleinen und vielen Interaktionen. Bis irgendwann ein Gesetz in Konkordanz verabschiedet werden kann, kann das halbe Parlament ausgewechselt oder ein Tunnel durch ein Berg gebohrt worden sein.

Es ist keine personifizierte oder konzentrierte Macht, die alles bestimmt und regelt. Selbst das Volk ist ein ziemlich diffuser und indifferenter Körper. Das Volk ist alles und nichts und gliedert sich in tausende Lebenswirklichkeiten, die sich kaum füreinander interessieren; im Gegenteil einander sich abstossen und ekeln.

Daher belächle ich Ambitionen, die den Weltgeist formen, prägen wollen. Ich masse nicht an, den Weltgeist irgendwie bändigen zu können. Ich kann ihn nicht einmal sehen, auch wenn er in der Nähe galoppieren solle. Auch wenn das Ende der Geschichte wohl vergessen ist. Ich warte zu, ich versuche ihn zu ertappen bald.


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