Ein ehemals geflügeltes Wort hat sich angesichts der erbarmungslosen Lebenswirklichkeiten erübrigt. Ich beobachte nirgends und mitnichten eine permanente Leichtigkeit. Wir alle kämpfen, hadern und zaudern zuweilen. Wir verlieren uns. Wir stemmen uns gegen den wirtschaftlichen und sexuellen Verteilungskampf. Wie lange wir noch standhalten können?
Wir sind alle verpflichtet, müssen arbeiten oder Partnerschaften pflegen. Manche verantworten bereits einen Kleingarten, andere Kleinkinder. WIr müssen unsere Verwandte treffen, mit unseren Freunden ausgehen; wir müssen uns weiterhin sozial auffrischen, verjüngen und stets den Wettbewerbsernstfall proben. Wir sind stets gefordert.
Gelegentlich vertrösten wir uns mitm Eskapismus der zeitgemässen Kulturindustrie, streamen, fernsehen; durchklicken kuratierte Playlisten. Manche verreisen, weitere betäuben sich jeden Freitag; sie spülen den Zivilisationsdreck weg. Sie reinigen den Körper mitm grössten rezeptfreien Gift Alkohol. Das verbessert keine Gesamtsituation.
Die Leichtigkeit des Seins empört mich. Wir können das Leben durchaus vereinfachen, wir können Unangenehmes ignorieren, das Ausgesprochene unaussprechen. Wir können uns bishin verstecken. Wir können Konflikten ausweichen. Ja, wir können die Leichtigkeit simulieren. Doch später erwachen wir immer wieder; die harte Lebenswirklichkeit existiert.
Wir sollten uns alle mal entspannen und beruhigen; wir sollten Geschwindigkeit drosseln, wir sollten gelegentlich pausieren, die Umgebung erkunden. Wir sollten Zwischenhalte einplanen. Doch wir wir fürchten, dass wir etwas verpassen können. Deswegen beschleunigen wir unser Leben. Aber wir versäumen die Leichtigkeit des Seins.
Stattdessen pulsieren wir, wir überdrehen, wir überfordern unseren Körper. Wir können nicht Lebenszeit verschwenden. Deswegen verausgaben wir uns; wir intensivieren die Jahre der begrenzten Schaffenskraft. Damit drangsalieren wir die eigentlich angeborene Leichtigkeit des Seins; diesen grossen Gleichmut des Weltgeistes gegenüber; eine Gelassenheit.
Ich berate Menschen in Gelassenheit; sie sollen keinem unternehmerischen Aktionismus verfallen. Doch Menschen wollen stets reagieren, sie wollen Handlungsfähigkeit vorzeigen. Sie wollen nicht hinnehmen, sie können nicht akzeptieren. Aber manchmal muss mal warten; abwarten, aussitzen. Man muss nicht immer eine Gegenreaktion provozieren.
Gewiss kann ich nicht uneingeschränkt Gelassenheit und Leichtigkeit predigen. Ich bin meistens mindestens acht Stunden täglich angespannt; ich prüfe mich selber, ich notiere ständig Verbesserungen; unternehmerische oder persönliche. Ich kann nichts weglassen; ich bin befähigt und ausgebildet, Systeme zu verbessern, immer weiterzuentwickeln.
Ich bin ein Gegenteil der Leichtigkeit und Gelassenheit. Dennoch möchte ich verfügen, dass wir gelegentlich verzeihen, gelegentlich erdulden, gelegentlich einfach gestatten. Wir müssen nicht alle Konflikte austragen, wir müssen nicht die Welt retten, wir müssen nicht unsere Mitmenschen bekehren und belehren. Wir müssen uns einfach arrangieren.
Passt das?
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