Rauchen befreit. Das verspricht die Werbung. Rauchen tröstet und belohnt. Rauchen begleitet uns. Sobald erwacht, rauchen wir. Bevor wir schlafen, rauchen wir. Nach dem Geschlechtsverkehr rauchen wir. Manchmal auch davor. Ich rauche oft, nicht permanent. Ich rauche seit über zehn Jahren; vermutlich zu lange.
Ich habe Rauchen immer an einen Lebensstil geknüpft; an einen Abschnitt. Das wilde, unbeschwerte und dionysische Leben. Ich habe nie Genuss, Exzess und Kater gemieden. Ich habe sie alle begrüsst; ich habe stets beschleunigt. Ich habe getanzt, gekrächzt; ich habe Herzen gebrochen und verletzt. Ich lief Liebesamok.
Ich habe mich nie beschwert. Und ich war rauchend. In meinem Bildarchiv des aktuellen Jahrzehnts sieht man mich bloss rauchend. Wenn ich die letzten zehn Jahren zusammenfassen müsste, dann könnte ich antworten, dass ich geraucht habe. Und getrunken, gefeiert und gejubelt. Und dass ich nichts bereue.
Ich ahnte aber bereits seit zehn Jahren, dass ich mich irgendwann mässigen werde. Ich werde mich niemals komplett aufgeben. Ich werde niemals als biederer Hausmann aufwachen, meine Nachbarin anlächeln und einen Gemüseauflauf vorbereiten, abends ins Studio eilen und dem örtlichen Gesangsverein teilnehmen.
Man kann mich grundsätzlich nicht zähmen; ich entschleunige mich selber. Und das bloss, wenn ich will, wenn ich mich bereit und fähig fühle. Und wenn ich auch eine gewisse Dringlichkeit und Wichtigkeit habe. Wenn sich Prioritäten verschieben, wenn ich meine issues in meinem backlog anders ordnen und sortieren muss.
Das Rauchen symbolisiert die Unbeschwertheit. Man schädigt sich, man fühlt sich unbesiegbar. Keine Krankheit kann einen bremsen. Nichts kann einen stoppen. Man kann nächtelang feiern, man kann sich mit der ganzen Welt verbrüdern. Man kann überall Leute kennenlernen und muss keine Folgen fürchten. Everything goes.
Wir wissen alle, dass wir nicht ewigs so leben können. Wir sind zwar Berufsjugendliche, hausen in den grossen Städten. Wir sind vielseitig interessiert, weit gereist, wir sprechen mindestens eine Fremdsprache fliessend. Wir kennen Menschen überall, wir sind vernetzt. Doch wir müssen uns irgendwann wieder anpassen, wieder sesshafter werden.
Ich möchte nicht alles mit dem Rauchen verknüpfen. Ich möchte nicht eine beziehungsunfähige Generation des Rauchens wegens bedauern. Ich möchte nicht die Unentschlossenheit der Gleichaltrigen des Rauchens wegens beklagen. Das ewige und viele Rauchen offenbart aber eine gewisse Gleichgültigkeit.
Rauchen simuliert Lässigkeit. Rauchen verzaubert. Rauchen kann vortäuschen, Sicherheiten vorgaukeln. Rauchen beruhigt und entspannt und tröstet schliesslich. Das nervöse Zeitalter bedroht denn auch. Wir müssen uns irgendwo festhalten. Wir müssen irgendwo unsere Unabhängigkeit und Individualität ausstellen können.
Und das halt beim Rauchen. Hier können wir selber noch entscheiden. Wir richten. Ich rauche. Ich herrsche. Das muss nicht unbedingt Rauchen sein; Ersatzhandlungen können das fehlende Rauchen kompensieren. Man kann hier auch Extremsportarten verorten, die meine Gleichaltrigen fesseln und beschäftigen derart, dass sie nicht mehr rauchen.
Wieso ich darüber berichte? Weil ich demnächst das Rauchen beende. Medikamente helfen mir. Ich muss mich abgewöhnen. Ich werde gleichzeitig einen Abschnitt langsam ausfransen, einen neuen dafür starten. Und dafür neue Freiheiten und Möglichkeiten und vor allem Optionen gewinnen.
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