Die Liebeskrise

Krisen beleben. Krisen erneuern. Auch Liebeskrisen. Zwar unterkühlen sie einen. Sie vergrössern die Distanz, wo früher Nähe war. Sie beschleunigen die natürliche Entfremdung zweier Liebenden. Ich habe etliche Liebeskrisen erlitten. Manche überstanden, andere verloren. Manchmal ist danach alles zerstört, alles erfroren.

Denn man erinnert sich immer an die Worte im Eifer. An Anschuldigungen. Man erinnert sich ans unschöne Gefühl dieser Krisensituation. Man vergisst rasch die schöneren Augenblicken, die man ebenso teilte. Eine kleine Krise kann die Aufbauarbeit von Monaten zertrümmern. Manchmal kann man sich nie mehr arrangieren.

Doch ohne Krisen funktioniert nichts. Die Welt, die Liebe, alles schwankt. Nichts ist beständig, nichts ist konstant und gleichmässig. Das Liebesbarometer ist so volatil wie der SMI. Die persönliche Tagesform beeinflusst die Befindlichkeit, belastet die Konfliktfähigkeit. Manchmal kann ich alles erdulden, manchmal bin ich überreizt, übereifrig.

Jede Liebeskrise verjüngt eine Beziehung. Sie katapultiert die Liebe zurück zum Startfeld. Alles ist möglich. Alle errungenen «Sicherheiten», das sicher der gegenseitigen Liebe sich wähnen, sind wertlos. Du bist dir nicht mehr sicher. Sicher, ob du geliebt wirst. Sicher, ob du liebst. Sicher überhaupt, ob alles noch Sinn stiftet.

Du musst also wieder von vorne beginnen. Aber dadurch bereicherst du deine Liebe mit zusätzlichen Erfahrungen. Das wiederholt sich in jeder Beziehung; auch nach Jahren. Inwieweit man jeweils zurückfällt, skaliert die bereits fortgeschrittene gegenseitige Annäherung. Manchmal weiter, manchmal weniger weit.

In einer Anfangsphase freilich kannst du sehr weit zurückfallen. Du kannst alle Episoden deiner Liebe repetieren. Du kannst gemeinsame Momente bekräftigen und schliesslich intensivieren. Denn du hast Erfahrungen und Erkenntnisse gesammelt, ähnliche Situationen besser und liebevoller zu meistern.

Du musst nicht höher oder stärker dosieren. Du musst bloss weiterhin Liebe bedingungslos ausschütten. Neugierig und achtsam bleiben. Dich nicht scheuen oder fürchten. Du motivierst dich durch den Alltag. Du kannst einer Krise wegen nicht alles Bisherige vergessen. Du kannst dich stets ans Schöne erinnern. Du musst nicht reduzieren.

Also überqueren wir stets und kontinuierlich Krisen. Wir optimieren und hintersinnen und konstant. Wir können lernen und gewisse Muster brechen. Wir werden uns und unsere Liebe mehr kennenlernen. Wir müssen stets vorwärts blicken und dürfen uns nicht aufhalten. Das Leben ist ein Kreislauf von guten wie schlechten Zeiten.


2 Antworten zu «Die Liebeskrise»

  1. […] bearbeiten mich. Ich bin somit euer Produkt. Das Produkt einer ewigen Sozialisierung. Und Krisen erneuern […]

  2. […] Manche Beziehungen funktionieren bloss noch als Entzugserscheinungen. Man bekriegt sich, um sich zu versöhnen. Das kann pathologisch […]

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