Sie haust temporär. Sie schaltet Inserate im Internetz. Sie preist ihre Fertigkeiten. Tabulos sei sie. Unverschämt und fordernd. Sie schreibt, was Männer begehren. Vermutlich hat eine Eminenz im Hintergrund ihren Text formuliert. Mag sein. Denn diese Branche tauscht Täuschungen. Sie vermittelt Illusionen. Sie simuliert. Willkommen in der Prostitution.
Sie ermahnt, dass man sie anrufe. Sie beantworte keine SMS oder Whatsapp. Sie ignoriere «Spinner» und «Absager». Nicht überall ist der Kunde König; hier ist der Kunde Bittsteller. Der Kunde akzeptiert, dass er sexuell frustriert ist. Der Kunde demütigt sich, indem er eine Prostituierte aufsucht. Der Kunde ist ein kleiner Masochist. Für Schläge verrechnet sie aber einen Aufpreis. Der Sexmarkt betrifft jeden; die meisten verlieren aber.
Die Prostituierte empfängt den Kunden in ihrer temporär gemieteten Wohnung. Hier lebt also ein gewisser Herr Meier, so die Klingel. Bevor sie den Kunden hineinbittet, prüft sie, ob niemand im Treppenhaus spioniert oder wie sie durch einen Türspalt blinzelt. Sobald eingetreten, umarmt sie den Kunden flüchtig; Luftküsschen links und rechts. Sie simuliert Nähe, wo Distanz ist. Obgleich in wenigen Minuten eine gewisse Intimität beginnt.
Der Kunde regelt die Bezahlung. Ein Marktpreis. Ein Preiskartell. Die Asylanten und Drogensüchtige aufm lokalen Strich unterbieten sich zwar. Doch die sauber-seriösen Prostituierten beeindruckt das nicht. Sie haben und kennen ihren Marktwert. Die Nachfrage ist konstant und variiert höchstens im Lohnzahlungszyklus der arbeitenden Mehrheit. Alle sehnen sich nach Sex, nach gewisser Intimität, auch wenn sie bloss vorgetäuscht ist.
Nach der Zahlung darf der Kunde seine Wünsche kommunizieren. Ein Quickie? Spanisch? Französisch? Griechisch? Diese Vielfalt verunsichert den Kunden. Wie in einem gediegenen deutschen Supermarkt: Man will Salz, muss aber von fünfzig Produkten wählen. «Einmal Sex bitte!», beruhigt der Kunde. Die Prostituierte versteht. Sie entkleidet sich funktional. Der Kunde ebenso, bloss nervöser. Die Socken behält er, sie symbolisieren die Distanz.
Der Kunde darf sich aufs schludrig gemachte Bett legen. Die Prostituierte beschwört ihn, sich zu entspannen. «Ich beisse nicht», witzelt sie. Der Kunde zittert dennoch. Sein Penis schläft. Sein Penis ahnt noch nichts. Die Prostituierte präsentiert ihre Brüste. «Schön», denkt sich der Kunde. Das erregt ihn nicht. Schliesslich begegnet er üppigen Brüsten bei der Arbeit, im Thermalbad und im Internetz. Brüste kennt er gut.
Die Prostituierte reflektiert nicht lange. Sie muss einen Job erledigen. Rasch verschluckt sie den schlaffen Penis des Kunden. Der Kunde erschaudert. Die Prostituierte erhärtet den Penis rasch. Die Mechanik hat sie verinnerlicht. Sie ist kein braves Mädchen, das noch nie einen Schwanz lutschen durfte. Es ist nicht ihr erstes Mal. Sie hat sich mitm männlichen Geschlechtsorgan arrangiert. Und gewiss nicht das letzte Mal.
Nach wenigen Minuten prahlt und strahlt die Manneskraft. Das erleichtert den Kunden. Er muss diesmal keine Erektionsschwierigkeiten beklagen. Er muss sich zumindest nicht in dieser Hinsicht auch noch kränken lassen. Lustlos, aber technisch versiert befeuchtet sie den Penis. Sie umschlingt den Penis mit ihrem Mund. Sie dippt die Eichel züngelnd. Sie rutscht rhythmisch mit der Linken dem Schaft entlang.
«Willst du ficken?», unterbricht die Prostituierte. Der Kunde zögert. Eine rhetorische Frage? Der Kunde gehorcht. «Ja, ich will», lispelt-flüstert er. Er billigt damit keinen Bund des Lebens. Er will bloss Intimität erfahren. Vermutlich will er einen Alltag vergessen. Vermutlich will er sein lebloses Leben beleben. Vermutlich stauen sich auch bloss die Samen. Er will also. Die Prostituierte montiert ein Kondom. Erneut technisch bewandert und unbemerkt quasi.
Sie beschmiert ihre Vagina. Anschliessend besteigt sie ihn. Sie presst den bereits weicheren Penis ins Standardloch. Der Kunde regt sich nicht. Er stöhnt nicht und nichts. Die Prostituierte aber startet ihre Musik. Sie jauchzt und quiekt. «Ja, fick mich!», singt sie die erste Strophe. «Dein Schwanz ist so hart!», doppelt sie nach. «Du bist so geil!», übertreibt sie. Sie wiederholt ihre Strophen. «Komm, komm!», sehnt sie im Refrain.
Der Kunde pariert. Er ejakuliert. «Ich bin gekommen.», kommentiert der Kunde. Die Prostituierte reagiert. Sie beugt sich zum Penis, kontrolliert den Samenerguss. Sie nickt. «Geschafft!», sinniert sie rasch. Sie hat ihren Job erledigt. Sie lockert das Kondom, putzt den Penis oberflächlich mit Feuchttücher. Der Kunde resigniert. Er vermisst die Intimität. Doch er konnte keine erwarten. Das hier ist nicht der Ort der Liebe.
Liebe kann man nicht wünschen, kaufen oder erzwingen. Der Kunde ist sich dessen durchaus gewahr. Doch für eine Illusion musste er heute über hundert Franken investieren. Technisch ist der Kunde zwar entsaftet. Aber besser fühlt er sich nicht. Er ist denn auch nicht glücklicher. Im Gegenteil. Das Ereignis verzweifelt ihn noch mehr. Es vereinsamt und entfremdet ihn noch mehr. Immer mehr. Wie kann er sich befreien?
Denn Prostitution ist eine Geisel. Für die Prostituierte wie für den Kunden gleichermassen. Sie befriedigt nicht. Sie entfernt bloss. Sie lässt Menschen erkalten, wo sie sich erwärmen sollten. Der Akt ist funktionalisiert-reduziert. Keine Liebe versprüht einen Zauber des Moments. Die post-coital tristesse infiziert Prostituierte wie Kunde. Den Kunden belastet das stärker. Denn die Prostituierte schützt sich mit einer Maske ihres Berufes.
Die Prostituierte verabschiedet den Kunden. Höflich bemüht sie eine beiläufige Konversation. Sie erkundigt sich nach Beruf, nach Ferienziele. Aber sie erinnert niemals an eine Familie. Der Kunde quält sich; er antwortet pflichtbewusst und ebenso höflich. Doch er mag kein Gespräch fortführen. In wenigen Minuten ist der Kunde wieder angezogen. Er verlässt die Prostituierte und wird ihr nie mehr wieder begegnen.
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