Aufmerksamkeit ist die schlimmste Droge. Ich liebe Aufmerksamkeit. Ich kann diverse Rollen spielen, damit ich Aufmerksamkeit erlange. Ich bin schon seit jeher aufmerksam bedacht worden. Das stiftete und bildete meine Identität. Meine Rollen könnten Bücher füllen; was sie auch werden, sobald der Stoff reift und heranwächst. Aber ich bin abhängig geworden. Ich kann keine Stunde überleben, ohne dass ich Aufmerksamkeit spüre.
Ich meine damit nicht primär die Anerkennung, wie bereits auch hier dargestellt. Auch diese muss gehaushaltet werden. Ich meine grundsätzliche Aufmerksamkeit. Dass beispielsweise jemand an mich denkt oder jemand sich sorgt. Ich liebe das Gefühl; ich möchte teilgenommen werden. Ich kann das mit unterschiedlichen Rollen erzielen; mit unterschiedlichen Handlungen.
Ich kann empören oder beglücken und erhalte gleichermassen Aufmerksamkeit. Mit der Empörung habe ich mich über die Jahrzehnte gerettet. Ich durfte viele Menschen irritieren, ich durfte viele Menschen verletzten. Und alle sie bedankten sich mit Aufmerksamkeit. Ich war und bin geil darauf. Ich und das befeuerte mich. Denn Ablehnung ist unmittelbar und meistens ehrlich. Ehrlicher als positive Aufmerksamkeit. Sie lügt weniger.
Wie kann man als Süchtiger sich durch den Tag schlängeln? Kann ich ebenfalls von abstrakten oder vergangenen Reserven schöpfen? Nein, Aufmerksamkeit verflüchtigt sich sofort, so wie die Anerkennung. Ich kann Aufmerksamkeit nicht bunkern und mir für spätere Tage aufsparen. Ich brauche alles hier und jetzt. Ich muss Aufmerksamkeit immer höher dosieren, immer intensiver, damit ich sie noch spüre.
Aber kann ich so enden? Kann ich so weiter überleben? Nein, ich brauche einen Entzug. Ich muss mich wieder zurückziehen. Asketischer leben. Ohne Aufmerksamkeit und freilich ohne Anerkennung. Und mir dessen bewusst sein. Ich muss mich auf kleine Dinge fokussieren, die die meinen sind. Ich muss ohne ein Umfeld überleben können. Nur so kann ich die Sucht lindern. Weil ansonsten «rotiere» ich. Und das ist sehr unfuturistisch; denn dann kreise ich. Dann verliere ich mich.
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