Wir haben in Olten einige Literaten. Alex Capus ist der wohl bekannteste und vor allem erfolgreichste. Er schreibt für den Markt. Sein neustes Werk habe ich beschafft und bereits gelesen. Das Leben ist gut. Willkommen bei meiner Rezension. Die NZZaS hat’s bereits getan. Der Tagesanzeiger ebenfalls.
Ja, das Leben ist gut. Capus beschreibt darin seinen “Alltag”. Die Geschichten basieren grösstenteils auf, weil sind in seiner Bar. Seine Bar, die ich auch regelmässig besuche, versammelt unterschiedliche Geschichten. Auch ich wünsche mir eine Bar. Ich werde irgendwann eine Bar besitzen. Vorerst begnüge ich mich mit Capus’ Bar und jener des von mir sehr geschätzten K.
Denn so eine Bar füllt unendliche Geschichten. Sie erzählt wirklich ausm Alltag. Denn eine Bar, vor allem wenn’s Capus’ Bar ist, lockt und verführt unterschiedliche Gestalten. Auch mich. Ich beneide ihn gewissermassen. Darin begründe ich auch meine latente Abneigung. Aber grundsätzlich respektiere ich ihn, ich anerkenne ihn. Und das gipfelt auch in dieser persönlichen Rezension. Also.
Hauptsächlich schildert Capus “bloss” sein Leben. Die Geschichten darin sind wohl grösstenteils wahr. Sie sind zwar sicherlich ausgeschmückt, übertrieben, dramatisiert, verschönert. Doch ich vermute, Capus’ Autobiographie hat das Buch schlussendlich produziert. Er verdichtet darin die Monaten, seit er eine und seine Bar betreibt. Denn einen klassischen Plot vermisst man.
Die Sehnsucht oder die Beziehung mit seiner fernen Frau umrahmt grob das Werk. Den Rest füllen Kleingeschichten, Kleinschicksale Oltens. Diese Kleinstadt, wo ich und Capus gleichermassen aufgewachsen und irgendwie doch heimisch sind. Weil wir, so Capus, nie genötigt waren, fortziehen, fortgehen zu müssen. Oltner werden denn auch dieses Buch lieben, weil sie mutmassen, tratschen und rätseln dürfen, wer wen inspirierte. Capus kann dann grosszügig verkünden, alles sei erlogen, erfunden, erstunken und so worden.
Gewiss ist’s ein Werk eines fleissigen Literaten. Es ist eine Art Gegenwartsbewältigung. Capus schreibt, damit er weiss, wo er in der Welt steht. Gegenwartsbewältigung. Nebenbei verdient er Geld. Wir dürfen darin keine ewigen Weisheiten vermuten; er schreibt für sich selber. Aber er lässt teilhaben. Er verpackt Geschichten; er komprimiert sie, damit sie lesbar sind. Das ist sein grosses Geschick. Und das ist schliesslich der oft erwähnte und auch bewunderte Capus-Stil.
Ich gewinne aber keine neuen Erkenntnisse. Capus verarbeitet nicht sein Leben. Er schildert bloss, er beschreibt. Dieser Stil ist aber angenehm; er belehrt nicht, er hinterfragt nicht. Manchmal kann man ihn als Romantiker verübeln. Wenn er beispielsweise immer wiederholen muss, er besitze kein Natel. Er ist kein Futurist; er liebt nicht die Beschleunigung. Er liebt das Beständige. Er trotzt und leistet Widerstand. Das besänftigt mich dennoch, weil’s ihn menschlich und fehlbar macht.
Das Buch liest sich schnell und gut. Die Sätze sind kurz. Zwischendurch erheitern einen Dialoge. Immer wieder offenbart er romantische Zivilisationskritik, die aber immer wieder berechtigt ist und wohl alle berührt. Als Gelehrter der Produktentwicklung spekuliere ich, er schreibe für eine Zielgruppe. Seine Zielgruppe jubelt; sie sucht diese Passagen der romantischen Zivilisationskritik. Capus verkörpert die Sehnsüchte älterer Frauen; er ist Mann, durchaus, offenkundig romantisch. Seine Frau wird’s wohl danken.
Der Roman entspannt und beruhigt. Er hatte mich mit der Person dahinter, mit Capus selber, befriedet und versöhnt. Aber ich erwarte mehr. Es ist noch nicht sein finales Alterswerk, das alles vereint. Dafür ist’s noch zu früh. Also warten wir. Also warte ich. Ich danke ihm dennoch.
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