Ich war heute beruflich unterwegs. Das bin ich meistens und oft. Ich habe unlängst ausm Alltag berichtet. Damals noch abstrakt. Zudem liess ich unbeantwortet, wieso gerade ich Unternehmensberater “geworden” bin. Ich möchte nun meinen heutigen Arbeitstag reflektieren.
Ich war pünktlich im Büro. Trotz meiner Erkältung. Eine gute Leistung. Damit startet man mal gut. Ich musste mit einigen Kunden die Agenda des heutigen Tages verfeinern. Das Hauptziel des heutigen Tages war es, die nächsten zwei Wochen sowie die nächsten zwei Monaten zu planen. Welche Ziele wollen wir erreichen? Wie wollen wir vorgehen?
Ich habe die Agenda rasch überflogen. Ich wusste, ich werde improvisieren. Der Plan ersetzt bekanntlich den Zufall durch den Irrtum. Das bedeutet, es kommt ohnehin immer anders. Wozu also planen? Für eine Scheinsicherheit! Menschen lieben Sicherheiten. Alle Management-Lehren simulieren einen Sicherheit. Wir wollen sogenannte predictability, langweilige Planungssicherheit, Planbarkeit und so weiter.
Ich wurde also engagiert, die nächsten zwei Monaten zu planen. Das, damit der Kunde seinen Oberen mehr Sicherheit vortäuschen kann. Unglaublich, nicht wahr? Der heutige Tag hat meinem Kunden cash-out mindestens 3’000.- CHF gekostet, intern verrechnet sind’s knapp 20’000.- CHF. Damit kann man gemäss SKOS zwanzig Monate lang überleben (Grundbedarf). Schrecklich, nicht wahr?
Wir hatten eine klassische Ziel-Dekomposition angewendet. Meine Handwerkskunst darin ist, grössere, abstraktere Ziele in kleinere, konkretere zu schneiden. Damit sie handlich und damit planbar werden. Vor allem begleite ich den Prozess, den ich das gemeinsame Verständnis nenne. Das bedeutet, dass jeder in der Gruppe die abstrakten Ziele in konkrete interpretieren muss. Also in eigenen Worten übersetzen, vortragen muss. Die gesamte Gruppe reflektiert diese Aussagen. Das wiederholen wir, bis jedermann dasselbe versteht-sagt.
Ich habe meine Arbeit irgendwie gut erledigt. Ich habe den gesamten Prozess gut begleitet. Aber ich bin mittlerweile ermüdet. Ich bin schön klassisch ferienreif. Ich musste moderieren, dokumentieren, intervenieren und vor allem viel improvisieren. Natürlich ist mein heutiger Tagesablauf dreimal durcheinander geraten. Natürlich gab’s viel Unverständnis, viele Unklarheiten, die wir zunächst ausreden mussten. Ich bin darin erprobt und erfahren; ich kann solche Planänderungen verarbeiten (stick to the plan).
Natürlich rätsle ich gelegentlich, was mein Mehrwert ist. Wieso braucht’s mich? Ich meine, meine Arbeit ist nicht so dramatisch. Ich bin zwar ein ausgewiesener, zertifizierter Methodiker. Ich kann mich in einige Branchen hineinversetzen und mit Domänewissen verblüffen. Aber was macht mich besonders? Das einzige, was mich unterscheidet, ist, dass ich mich traue. Dass ich riskiere, aber dabei sicher wirke. Ich kann spontan und unvorbereitet eine gesamte Gruppe beschäftigen.
Denn viele Menschen, die in grossen Firmen sich verdingen, fürchten sich. Fürchten sich vor Kompetenzüberschreitungen, vor Ablehnung, vor Kritik oder vor Misserfolg. Sie wollen “auf der sicheren Seite” sein. Sie wollen ihre Arbeit gewissenhaft und gehorsamst serialisieren. Ich dagegen bin tollkühn, wagemutig, risikofreudig, bishin frech. Die grosse Ironie ist nur, dass ich bezahlt werden, um unsicheren Menschen Sicherheiten zu vermitteln. Absurd, nicht wahr?
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