Wieso wir gelähmt sind

Die geschätzte M. empfahl mir einen Artikel der NZZ, wo eine ansehnliche Claudia Wirz über den Narzissmus dieser Generation klagen durfte. Ich kann verstehen, wieso wir nicht protestieren, rebellieren. Wieso wir nicht kämpfen, stattdessen Selfies publizieren und Verantwortung abdelegieren.

Die Jugend sei kampflos, titelte die NZZaS kürzlich. Ich erwiderte, dass heutzutage niemand mehr die Last der Welt zu schultern vermöge. Denn die Last erdrückt, zerstört jeden. Wer gewissenhaft mit allen Problemen dieser Welt sich auseinandersetzen möchte, die Geschichte der heutigen Situation verstehen will, der wird früher oder später daran zerbrechen. Endstation ist dann die psychiatrische Behandlung oder der freiheitliche Freitod.

Was ich empfehle, ist die grosse Gelassenheit. Man solle nicht die Menschenrechtssituation in China verurteilen. Sie ist wie sie ist. China hat andere Prioritäten gesetzt. Man solle nicht den Klimawandel, die Zerstörung dieser Erde beklagen. Wer wirklich feingeistig sich mokieren möchte, der solle sich engagieren. Solle nach China reisen, dort die Kapital-Kommunisten überzeugen. Der solle jede PET-Flasche ordnungsgemäss entsorgen. Der solle jeden Flüchtling über die Grenze schmuggeln und sein Vermögen spenden.

Ich empfehle Entweder-Oder. Die Welt existiert. Ob wir leben oder nicht, ob wir uns engagieren oder nicht. Ob wir uns interessieren oder bemühen. Die menschliche Rasse wird fortbestehen. Vermutlich werden wir dereinst expandieren, fremde Systeme erkunden. Vermutlich werden wir verstehen, was die Welt im Innersten zusammenhält. Doch solange sollen wir gedulden. Wir können nichts beitragen; wir sind nichtig. Wir haben weder reach, impact noch influence. Wir können aber privat uns begnügen. Das ist ein guter Lebenssinn.