Schlecht in Beziehungen

Ich bin nicht unbedingt gut in Beziehungen. Alle meine Beziehungen sind entweder zu schnell oder zu spät gescheitert. Ich bin ziemlich fehlbar. Ich kann mich nicht gut entschuldigen, ich kann mich auch nicht gut konzentrieren, aber das sind noch meine harmlosesten Eigenschaften. Denn wirklich bedenklich ist mein Egoismus.

Obgleich ich technisch als empathisch gelte, deswegen mich permanent abgrenze und ausblende, bin ich zutiefst egoistisch und gewissermassen vertunnelt. Ich kann weder links noch rechts etwas wahrnehmen. Meine Partnerin ist erkrankt? Droht zu erkranken? Keine Ahnung. Ihr Zustand verschlechtert oder verbessert sich? Nicht gesehen.

Meine Partnerin verabredet sich unabhängig von mir? Ich tobe. Ich verreise aber wöchentlich, selbstbestimmt, ohne überhaupt etwas aushandeln zu müssen. Für mich selbstverständlich, ich fühle mich nie verpflichtet, etwas erklären zu müssen. Schliesslich entscheide ich, schliesslich bestimme ich. Das ist mein Egoismus.

Ich denke, handle bloss für mich. Ich kaufe bloss für mich ein. Das Lieblingsjoghurt meiner Partnerin? Unbekannt. Das Lieblingseis? Eis? Was für Eis? Die Lieblingsblumen? Ach Gott, Blumen, sind wieder überfällig. Ich bin überhaupt vergesslich, ich kann mir nichts merken, ich muss mir alles notieren. Morgen Arzttermin? Ok, ich aktualisiere meinen Kalender.

Ebenso in der Sexualität. Manchmal harmoniert etwas zufällig. Harmonie bedeutet, wenn ich nicht viel tun muss, wenn ich ein wenig streicheln, eindringen und küssen darf. Ja, und das der Partnerin gefällt. Und ich nichts mehr machen muss, mich nicht verkrümmen, dehnen oder sonstwie abartig bücken oder übermässig anstrengen.

Wenn das aber nicht passiert, wenn ich mich irgendwie bemühen muss, dann bin ich blockiert, dann verkrampfe ich. Ich kann mich nicht begeistern und motivieren. Stattdessen entledige ich mich meiner Sexualität. Ich spare für andere Zeiten, vermeintlich bessere Zeiten, die aber nie folgen, weil ich längst kapituliert habe.

Und meistens bin ich nicht ehrlich. Gewiss darf man keiner Partnerin weismachen, das Kleid sei nicht optimal oder ihr Verhalten wäre nicht vorbildlich oder sonstwie sie grundlegend anzweifeln. Man darf nicht drauflos spiegeln, man muss immer abwägen, politisch formulieren, verklausulieren, aber nicht zu offenkundigst, sonst ist man doppelt vergrämt.

Ich kann das aber schlecht, ich bin kein guter Politiker, ich kann mich nicht zurückhalten. Ich denke, was ich rede und rede, was ich denke, und zwar meistens asynchron. Im Nachhinein bemerke ich. Ups, und im Nachhinein bedauere ich, aber entschuldigen kann ich mich nicht. Ich bin wirklich unverbesserlich. Ein Satz kann wochenlange Aufbauarbeit vernichten.

Ich sorge nicht fürs Heim. Eingebrochen? Ich tue, als wäre nichts geschehen. Der Staub in der Leiste verwandelt sich in Moos? Ich beobachte die rasante Vermehrung. Kein sauberes Besteck? Ich kaufe Plastikgeschirr. Das Leergut stapelt sich? Ich schmeisse Alu und PET in den regulären Brandabfall. Der Abfluss ist verstopft, ich verschwende kein Wasser mehr.

Ich kann gut ignorieren, ein wenig schmollen. Werde ich angegriffen, schnaube ich zurück. Ich kann nicht entgegenkommen, ich kann nicht nicht mein Gesicht verlieren; ich muss überlegen und Recht behalten. Wenn ich entgegenkomme, werde ich noch monatelang darauf hinweisen und darauf basierend Sonderrechte beanspruchen.

Und nebenbei muss ich mich masslos betrinken. Ich kann nicht eine Woche lang ruhig sitzen. Wenn ich keinen ordentlichen Kater erlebe, fühle ich mich spiessig und angepasst. Ohne Kater kann ich nicht entspannen. Ich bin abhängig. Doch ich möchte mich am liebsten ohne Partnerin betrinken, bloss mit Freunde.

Denn die Partnerin erinnert mich immer an meine Pflichten, die ich eben trinkend vergessen möchte, obwohl ich meine Pflichten ja überhaupt nicht erfülle und dadurch eigentlich auch keinen Grund hätte, derentwegen mich zu betäuben. Wenn die Partnerin beisitzt, fahre ich mit angezogener Handbremse, manchmal ein mieser chauvinistischer Spruch höchstens.

Ich kann gut jemanden enttäuschen, verlange dauernd eine zweite, dritte oder vierte Chance. Ich kann gut heulen. Ich kann dann alles versprechen, ich werde besser haushalten, mehr Geld sparen. Ich werde im Heim mithelfen, ich werde irgendwas erledigen, ich werde putzen, Leergut sammeln oder was weiss ich, den Keller räumen.

Aber meistens vergesse ich alles, nach einer Woche werde ich wieder routiniert. Irgendwann betrinke ich mich, kann nicht recht mitteilen, wann ich heimkomme, weil ich am liebsten gar nicht heimkehren möchte. Aber sobald ich eintrete, zu laut, zu stinkend, keineswegs konversationssicher, habe ich allen Vertrauensvorschuss verspielt.

Ich versuche dann wieder zu beteuern, dass ich alles, mich, mein Leben ändere und meinen Egoismus züchtige. Aber ja, ich wiederhole mich bloss. Ich repetiere die immer gleichen Phrasen, die ich quasi in jedem Endsiegzustand abrufen kann. Vermutlich jahrelang trainiert. Danach reflektiere ich mich oberflächlich im Tagebuch und fasle von Kompromissen.

Ich weiss und verkünde es hiermit, dass ich ziemlich unmöglich und unerträglich sein kann. Ich weiss gar nicht, wieso ich die Frauen immer wieder blende, wieso sie immer wieder meinen, ich sei ein passabler Typ, mit mir könne man gut zusammenleben; ich sei liebenswert und verantwortungsbewusst. Oder man kann mich zähmen.

Ich weiss es auch nicht. Ich kenne meine Muster. Wenn Konflikte sich ankündigen, verharre ich, stelle mich tot, ich erkalte, distanziere mich, melde mich weniger, interessiere mich weniger. Ich verstärke den Konflikt, ich beschwöre ihn damit. Ich strapaziere die Leidensfähigkeit meiner Partnerin – oder ihren guten Willen.

Ich erfülle dann die Selbstprophezeiung, dass alles irgendwann zugrunde geht, man immerhin den Zeitpunkt kontrollieren kann. Ich provoziere einen zu frühen Zeitpunkt, ohne dass ich überhaupt etwas bemerke. Im berühmten Nachhinein aber will ich von alldem nichts gewusst oder geahnt haben. Ich stelle mich blöde und verweigere die Aussage.

Ich nicke und antworte mit meinen Floskeln. Ja, ich werde mich ändern. Ja, man kann mir vertrauen. Ja, gemeinsam schaffen wir das. Ja, wenn X eintritt, ändert sich alles; konstruiere unsinnige Abhängigkeiten, damit ich die wahren Ursachen verbergen kann. Denn vermutlich bin ich einfach nicht liebensfähig. Vermutlich bin ich zu selbstreferentiell.

Ich bin wahrlich schlecht in Beziehungen. Tragischerweise observiere ich mich selber, ohne dass ich interveniere. Ich gemahne zwar, diesmal alles anders, besser und so weiter machen zu wollen, doch ich stolpere immer wieder am selben Orten. Diese Orte konzentrieren sich um den Begriff Empathie.

Ich bin keineswegs empathisch. Ich habe noch nie mich bei einer Partnerin ehrlich erkundigt, wie es ihr geht. Ich erwarte nämlich, dass sie so etwas automatisch anspricht. Ich kann keine Veränderungen erkennen, ich bin ziemlich unaufmerksam. Deswegen verstricke ich mich in Missverständnissen, wovon ich mich nicht mehr lösen kann.

Und so weiter. Wenigstens fühle ich mich stets verpflichtet, bin loyal und lasse niemanden irgendwo zurück. Ich würde sogar verletzen, Gesetze biegen, alles opfern, alles verschenken, alles riskieren, um alles zu gewinnen. Wenn man mich hat, muss man mich schon mutwillig loswerden, dauernd peinigen, demütigen und blossstellen, bis ich gehe.

One thought on “Schlecht in Beziehungen

  1. […] ausreichend realistisch gesinnt, ich kenne meine Stärken und Schwächen; meine Fähigkeiten sind begrenzt. Ich werde nicht als Übervater imponieren. Ich werde stattdessen das Kindchen kitzeln, ich werde […]

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