Die Politik triumphiert. Ein Cäsar im spenglersche Sinne siegt über das wirtschaftliche Kalkül. Denn die Politik hat seit 1991 sich als Dienstleister der Wirtschaft erübrigt. Die Wirtschaft diktiert seither die politische Agenda. Den einfachen Mann beschäftigen jedoch andere Themen. Aber er konnte nicht wirken, weil er ohnmächtig geworden ist.
Der einfache Mann ist machtlos geworden. Die undurchsichtige, nebulöse und vertrackte Welt beherrscht niemand. Der einfache Mann beherrscht nicht einmal sein Ich. Wir sind getrieben, wir sind abhängig. Wir können bloss reagieren statt regieren. Allein der Zauber der Politik, der Zauber eines autoritären und entschlossenen Cäsars kann begeistern.
Ein Artikel in der ZEIT ermuntert mich, Spenglers Reden auf verlorenem Posten zu studieren. Die Politik rebelliert. Die Politik schlägt zurück. Eine erste Indikation lieferte die Schweiz, hier bestätige ich Somm in der BAZ. Unsere Demokratie ist einigermassen ausgeglichen, sie ist noch politisch und zielt aufs Gebaren des einfachen Mannes.
Ich will keine historischen Parallelen ziehen. Unser Zeitgeist ist einzigartig. Unser Weltsystem kann niemand voraussagen. Wir können bloss das grosse Unbehagen der schweigenden Mehrheit beobachten. Eine Mehrheit, die sich abgetrennt fühlt. Die sich ausgeschlossen fühlt. Die verängstigt und verletzt ist. Die keine Perspektive hat. Keinen Nordstern.
Wir haben keine politische Ideen, politische Ideologien. Wir haben bloss klassische Rezepte, die allerorten aufgetischt werden. Nun sind auch die USA infiziert, auf höchster Ebene. Das Problem ist nun globalisiert. Damit ist es auch offizialisiert worden. Weltweit bespricht man das jetzige Unbehagen. Ob in Schaffhausen oder in Boston oder in Seoul. Alles ist wieder politisch.
Seit 1991 hat sich die Welt vom einfachen Mann entfremdet. Seit 1991 hat sich vieles verändert, vieles ist erfunden und eingeführt worden. Staaten entstanden oder verschwanden. Technologie überrannten komplette Branchen. Die Stars von 1999 existieren bereits nicht mehr. Die zwischenmenschliche Beziehungen haben sich verkleinert.
Wir sind einsamer, leerer geworden. Wir fluchen darüber, aber feiern dennoch in verdunkelten Clubs. Wir verschliessen uns im Minimal-Privaten. Die Kleinfamilie idealisieren wir. Manchmal verreisen wir, meinen, wir entdecken fremde Kulturen. Doch die Zivilisation folgt uns stets. Wir können nicht fliehen. Wir sind gefangen. Auch in der Safari Afrikas.
Unser Religiosität ist lächerlich geworden. Manche radikalisieren deswegen Überliefertes, ringen irgendeinen heiligen Krieg. Andere versacken in Sekten. Die letzten beschwören einen unheiligen Esoterismus oder Naturismus. Der Arbeitsalltag tötet schliesslich den letzten Lebenssinn.
Wir schuften für anonyme Aktionäre, wir verrichten sinnlose Tätigkeiten. Wir bürokratisieren unsere Unternehmen. Wir huldigen Prozesse und Formulare. Wir wollen uns stets absichern. Untereinander bekriegen wir uns heimlich, denn letztendlich konkurrieren wir alle. Wir kämpfen nicht bloss mit, gegen Kollegen, sondern auch mit, gegen Einwanderer.
Eine solche Stimmung macht uns empfänglicher. Empfänglicher für einen entschlossenen Cäsar. Dieser überwindet unsere Lethargie. Dieser macht uns wieder gross. Dieser verspricht, dass wir die Wirtschaft besiegen, dass wir die allgemeine Ohnmacht bezwingen können. Wir können wieder handeln. Der einfache Mann hat wieder Männlichkeit erlangt. Keine Frau demütigt ihn mehr.
Doch letztlich zuckt das Politische bloss ein letzte Mal auf. Der Islamismus der jüngeren Geschichte hat zuletzt politisiert. Komplette Rüstungsprogramme, Kriege und Gesetze gründen aufm jüngsten Islamismus. Doch die Wirtschaft konnte sich weiterhin ausbreiten. Der Islamismus gefährdet unsere Zivilisation auch nicht mehr spürbar. An gewissen Peripherien rollen einige Panzer; Flüchtlinge überschiffen nach Mitteleuropa. Nicht sonderlich spektakulär.
Das Geld beherrscht die Welt. Alle unsere Aktivitäten unterordnen wir der Geldvermehrung. Wir tauschen alles mit Geld. Geld nivelliert und vereinfacht alles. Also überragt das Wirtschaftliche bald wieder. Auch die USA müssen irgendwann Rechnungen bezahlen. Auch sie müssen irgendwie Geld verdienen. Momentan leihen die Chinesen und Europäer noch. Doch wie lange? Die Ressourcen unseres Planeten sind endlich.
Sehr bald muss jemand zu entscheiden forcieren, wer diesen Planeten ausbeuten darf. Wer sich in grünsten und fruchtbarsten Lage sonnen darf. Wer Grenzen verbarrikadieren kann. Wer Agenden tributpflichtiger Staaten vorschreiben kann. Die USA müssen sich zunächst intern stabilisieren. Man erwartet einen neuen Isolationismus wie während der Zwischenkriegszeit. Das könnte Nebenbuhler motivieren.
Aber letztlich müssen wir nichts befürchten. Die Wirtschaft regelt weiterhin unseren Alltag. Wir haben keine vernünftige Ideen, für die es sich zu sterben lohne. Mein Ideal einer Weltregierung verfolge ich weiterhin; eine globalisierte und liberalisierte Weltgesellschaft. Kein Armut; eine ausgeglichene Überflussgesellschaft, keine Nationalstaaten. Kein Geld mehr. Aber ja, diese Vision ist mein Nordstern, es ist leider noch zu früh.
Schreiben Sie einen Kommentar