Ich habe ein Muster beobachtet, das mich stört. Wenn mich jemand verletzt, dann verletze ich jemanden. Nicht unbedingt diese Person, die mich verletzt hat. Sondern irgendeine. Den Schmerz leite ich weiter. Das beruhigt mich, macht mich leidensfähiger dort, wo ich verletzt werde. Doch das Muster gefällt mir nicht.
Wenn ich mich einigermassen unterwerfe, dann dominiere ich eine andere Person. Ich kompensiere stets. Ich tradiere damit Verhaltensmuster, die ich normalerweise nicht billigen würde. Ich mache mich mitverantwortlich. Weil ich das Muster nicht durchbreche. Weil ich mich nicht wehre. Sondern einfach weitergebe.
Wenn mich also das nächste Mal jemand verletzt, dann stoppe ich. Dann kommuniziere ich, dass ich das Verhalten nicht unterstütze. Ich muss konfrontieren. Im Beruf gelingt mir das mühelos, weil der Geschäftsanzug mich schützt und quasi panzert. Im Privatleben hingegen operiere ich weitaus unreflektierter.
Im Privatleben möchte ich mich nicht einmauern. Ich möchte in Beziehungen nicht einfach erkalten und erstarren und mich permanent abgrenzen müssen. Ich möchte aber auch nicht mir unliebsames Verhalten imitieren und an Unschuldige weiterreichen. Ich beobachte vielfach, dass dieses Verhalten auch vererbt ist.
Wenn meine Mutter ihre Mutter schlecht behandelt, behandle ich meine Mutter ebenfalls automatisch schlecht respektive schlechter. Anstatt die Linie zu stören oder zu korrigieren, führe ich sie fort. Die Alternative ist, dass ich das Mutterverhalten ablehne. Und mein Verhalten meiner Mutter und vor allem anderen Menschen gegenüber ändere.
Dasselbe Muster kann man auch bei Ordnung und Sauberkeit anwenden. Wenn die Umgebung unordentlich ist, ist man automatisch unordentlich. Obwohl man selber normalerweise ordentlicher wäre. Doch die Umgebung beeinflusst einen. Man muss auch hier opponieren. Auch hier muss man Widerstand leisten, ohne dass man kompensiert.
Co-Abhängigkeit basiert ebenfalls auf diesem Muster. Ich bin gesund, ein Kollege krank. Ich brauche den kranken Kollegen, der mich indirekt aufbaut. Ich kann mich damit vergrössern. Wiederum kopiere ich das Verhalten, indem ich mich anderswo dann beklage, wieviel ich für meinen kranken Kollegen investiere. Dort tauschen sich die Rollen.
Das sind gängige Beispiele eines Verhaltens, das mittlerweile standardisiert und in der Schweiz akzeptiert ist. Die Liebe mit Bedingung ist ebenfalls darin verwickelt. Wir konstruieren absurde Bedingungen bloss, weil wir das Verhalten beobachtet und als erfolgreich irgendwo anders empfunden haben.
Ich bemühe mich, diese Muster zu erkennen und mich selber zu hinterfragen. Allerdings muss ich gestehen, dass ich manchmal erfolglos bin. Ich kann mich nicht immer befreien. Stattdessen verfestige ich das Muster, ich versteife. Ich transportiere das Muster damit auf die nächste Generation, auf weitere Menschen.
Es ähnelt einer sozialen Epidemie. Ich vermute, dass die unterbewusste Musterübernahme grosse soziale Trends wie Individualisierung beschleunigte. Denn die Muster erzielen irgendwo einen beobachtbaren Erfolg und werden daher reproduziert. Sie simulieren eine Alternativlosigkeit. Doch ich behaupte, es existieren immer Alternativen.
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