O. hat heute eine grandiose Zusammenfassung gängiger Verhaltensmuster verlinkt. Menschliche Beziehungen werden aufgrund der Mehrinformation immer komplizierter. Niemand ist verwundert, wenn die Hälfte aller Beziehungen scheitern. Ich möchte euch daraus eine Technik vorstellen: das tägliche Beziehungstemperaturmessen.
Meine Beziehungen sind bis jetzt fast alle gescheitert, irgendwie. Sie werden auch immer wieder scheitern, wenn man sein Verhalten nicht selber sowie mit dem Partner reflektiert. Denn gewisse Muster im Verhalten können und werden sich nicht «von alleine» lösen. Ich rette lieber einen Planeten als ich mein oder das Verhalten meiner Mitmenschen zu ändern riskiere. Doch ganz unmöglich ist’s nicht, aber es ist harte Arbeit, anstrengend.
Im Artikel O. werden diverse Verhaltensmuster aufgedeckt und diverse Techniken empfohlen. Eine Technik hat mich begeistert. Es ist das Beziehungstemperaturmessen. Das Paar misst, liest einander täglich und soll so einander ungeteilte, uneingeschränkte Aufmerksamkeit spendieren.
Zum Aufbau
Das Paar rückt zueinander; idealerweise Knie gegen Knie, die Hände gegenseitig haltend. Kein Fernsehen im Hintergrund. Das Paar fokussiert sich. Das Paar lernt so einander sich achtsam und wertfrei zuzuhören. Also, in grosser Nähe müssen folgende fünf Fragen abwechselnd beantwortet werden.
- Eine Würdigung aussprechen: Das Paar würdigt, anerkennt und lobt eine Tat des anderen. Und dankt, dankt von Herzen. Keine Bewertungen, keine Folgediskussionen oder keine Selbstüberhöhung, dass Partners gute Tat bloss die Folge einer eigenen oder so war.
- Neue Informationen teilen: Das Paar teilt Informationen über sich selber. Diese Informationen müssen nicht unbedingt die Paarbeziehungen im strengsten Sinne betreffen. Damit lässt man das Gegenüber teilhaben; teilhaben in seiner Informationswelt. Das können Informationen sein wie «Ich habe herausgefunden, dass alle Römer doof sind» oder «Mich beschäftigt meine Masterarbeit nicht». Doch auch hier muss man den Fokus behalten; man darf nicht abschweifen, sondern muss zuhören können. Also keine Seitendiskussionen oder irgendwas anderes damit und dadurch anzetteln. Zuhören können.
- Bruchstücke sammeln: In vielen Situationen versteht man einander nicht. Aber im Hektik des Alltages oder wegen falscher Scham erkundigt, interveniert man nicht rechtzeitig oder ausreichend genug. In dieser Kategorie kann man etwas nachfragen, das einen gerade beschäftigt. Beispiele sind hier «Wieso hast du schlecht geschlafen?». Solche Fragen müssen aber nicht zwingend auf den Partner zielen; sie können ebenso sich selber hinterfragend sein wie «Wieso werde ich immer so sehnsüchtig?». Es geht hier nicht darum, diese Fragen beantworten zu können; das primäre Ziel dieser Kategorie ist, auch hier seinem Partner teilhaben zu lassen, was einen beschäftigt und bewegt.
- Eine Veränderung bewirken: Und nun kommt der kniffligste Part. Es ist so schwer, nicht beleidigend, wertend oder sonstwie zu sein. Wortwahl wie Satzaufbau entscheiden; es gibt Sprachschablonen, um eine solche Kommunikation zu üben. Ich habe eine kleine Anleitung beigefügt. Man startet mit einer Beobachtung, die ein Gefühl auslöst, weil ein Bedürfnis verletzt ist und endet mit einer Bitte.
- Träume teilen: Wir haben alle grosse und kleine Sehnsüchte, Träume und irgendwelche Vorstellungen. Hier macht’s den Unterschied, ob man sie freigibt oder nicht. Das können vermeintliche Kleinigkeiten sein wie nicht zu viel am Wochenende für die Schularbeit zu krüppeln oder Grossartiges wie Ferien in Teheran geniessen zu wollen.
Meine Meinung
Ich gestehe, dass ich diese Technik privat bisher nicht getestet habe. Aber im beruflichen Kontext verwende ich sehr ähnliche Techniken, um die Erwartungen, die Emotionen meiner Stakeholder gegenseitig verständlicher und zugänglicher zu machen. Wieso ich das privat unversucht liess, war einerseits Scham und andererseits Stolz, es nicht nötig zu haben. Scham und falscher Stolz bremsen, blockieren denn auch fast immer eine Beziehung.
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