Selbstverletzung

Ich verletze mich selber. Damit will ich nicht spüren, dass ich noch lebe. Damit will ich mich begrenzen. Damit will ich testen, Thesen testen. Grundsätzlich kann man das machen. Denn ich verurteile nicht, wenn andere sich selber verletzen. Aber fertig lustig, sobald ich meinem Umfeld schade. Beruflich wie privat, grundsätzlich.

Ich habe meine eigenen Grenzen erkundet. Ich habe sie überschritten. Ich habe mich verletzt, ich habe mich gespürt. Ich habe experimentiert, posaunt; zuweilen bin ich ausgeartet. Ich habe stets Menschen mitgerissen, mitgeschleift; berührt oder entstellt. Ich war auf mich selber fokussiert; ich ignorierte mein Umfeld, ich blockierte.

Gewiss ist man in Retrospektive immer klüger. Allerdings verheile ich nicht. Manche Experimente habe ich überstrapaziert. Und manche Mitmenschen habe ich ausgeblendet. Ich möchte dieses Verhalten nicht mehr wiederholen. Denn wer sich selber verletzt, verletzt immer andere. Es sei denn, er lebt isoliert, entkoppelt und alleine.

Doch das war ich nie. Ich lebe auch heute in sozialen Systemen. Ich bin stets vernetzt; alle meine Handlungen beeinflussen meine Mitmenschen. Diesen Einfluss kann ich nie abschätzen. Ein Wort, eine Aussage, eine Tat können verändern, können Gefühle provozieren. Manche Kollegen empöre ich.

Ich rase unaufhaltsam, bremse mit meinen Schuhen vergebens, will nicht wenden oder ausweichen; ich beschleunige. Kollegen entsetzen, versuchen mich zu beschwichtigen, ich solle mich beruhigen, ich solle mein Potential nicht vergeuden, mich nicht verausgaben, ich solle doch mich mässigen. Aber meistens vergebens.

Schlussendlich verletze ich alle; mich und mein Umfeld, das meinetwegen sich ekeln muss. Sie können nicht verstehen, weil nicht einmal ich verstehe, weswegen ich mein Glück so herausfordere. Weswegen ich niemals ruhen und mich begnügen kann. Ich entschuldige mich hiermit für alles, was ich tat.

In der Zwischenzeit versuche ich, mein Verhalten in kleinen Schritten zu ändern. Meine Amokfahrt irgendwie zu beenden. Vor allem auch beruflich. Denn ich bin momentan nicht ausgeglichen, ich bin zu sehr angespannt. Ich könnte jederzeit scheitern und alles verlieren. Es bleibt spannend.