• Was sind Fluchtkosten?

    Wer flieht, macht sich das Leben nicht einfacher. Jede Flucht muss bezahlt werden. Wir könnten uns jedoch bequemen, eine unangenehme Situation mit einer Flucht beenden. Aber die Flucht selber ist nie «gratis». Die Flucht kostet immer.

    Es sind einerseits die Kosten der Flucht selber. Also welchen Aufwand muss ich betreiben, dass ich überhaupt «wegkomme»? Muss ich einen Schlepper engagieren? Muss ich mich verstellen? Muss ich notlügen? Muss ich mir eine Wohnung suchen?

    Und andererseits die Folgekosten der Flucht. Was verliere ich? Welchen «Umweg» muss ich nehmen? Statt Balkan- nun doch die Mittelmeer-Route, aber dafür ertrinke ich? Oder erhalte ich Jahre später eine Arztrechnung?

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    Bedenke also jede Flucht!


  • Ich bewundere religiöse Menschen

    Ich kann die Missachtung und Verachtung meiner Mitmenschen fürs Religiöse nicht teilen. Ich bin hier vermutlich zu flexibel. Ich verabscheue keine Religionen, keine Sekten oder sonstwas. Ich mag sie irgendwie. Warum erkläre ich heute.

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    Ich hatte mich heute einem Kunden gegenüber geöffnet. Ich wusste, er muss religiös sein. Er ist sehr ausgeglichen, sehr zielstrebig, integer und liebenswert. Er ist einige Jahre älter als ich, hat aber eine Frau und drei Kinder. Er hat mir anvertraut, dass er in einer lokalen Freikirche sich engagiere. Er helfe psychisch kranken Menschen. Er spiele Musik. Es sei seine erweiterte Familie. Viel Liebe, Geborgenheit und Sicherheit erhalte, spüre er.

    Ich habe weder verurteilt noch angegriffen. Alleine durch meine Rolle als externer Berater ziemt sich so etwas nicht. Doch wie hätte ich privat reagiert? Eben ebenso gleichmütig. Ich habe ihm offenbart, dass ich Religionen und insbesondere wirklich religiöse Menschen bewundere. Ich habe ihm die Geschichte des Christentums zusammengefasst. Eine Religion der Aussenseiter, der Verlierer, der Randständigen, die alle nach Liebe und Anerkennung trachteten. Ein Wettbewerbsvorteil der Christentums ist, dass die Christen sowohl im Diesseits wie auch im Jenseits Liebe und Anerkennung erfahren. Das vereinfacht vieles.

    Natürlich hat mein Kunde erwidert, dass die heutigen Strukturen nicht mehr viel mitm originalen Christentum gemeinsam hätten. Diese ganze Institutionalisierung, Verstaatlichung und so weiter verwirre und entfremde ihn. Ich kann das spüren. Die christlichen Staatskirchen lehren den gemeinen Menschen vorbei. Die Freikirchen haben das bekanntlich erfolgreich beantwortet. Ich fühle mich ebenfalls entfremdet, zum Beispiel von der akademischen Philosophie. Doch darum geht’s mir nicht.

    Diese ganzen, meinetwegen auch Freikirchen vergrössern die Liebesfähigkeit ihrer Anhänger. Sie erschaffen eine Gemeinschaft. Eine Familie. Sie sorgen sich für einander. Niemand muss oder wird Not erleiden. Sie werden aufgenommen und aufgehoben. Viele kritische Fragen über Sinn und Unsinn unseres Daseins werden abgenommen. Man kann sich wirklich «befreien». Man muss nicht stets grübeln und hinterfragen. Es ist eine grosse Gelassenheit.

    Die zivilisatorische, weil zähmende Wirkung solcher Gemeinschaften möchte ich ebenfalls würdigen. Eine solches Panoptikum verhindert jeden Ausbruch. Die Exzesse und Auswüchse unserer Zeit sind dadurch einigermassen gedeckelt. Es können nicht alle Futuristen sein, die hemmungslos irren, leidenschaftlich suchen und mit Grenzritte sich berauschen. Das würde sonst in einem epischen Weltkrieg oder amphetaminhartem Gangbang im Hotel California enden. Das möchte niemand.

    Solche Menschen wirken irgendwie glücklicher und zufriedener. Wenn ich mein Leben vergleiche, hat mein Kunde technisch schon das bessere. Ich darf und kann mich zwar total entfalten. Ich kann begeistern und verführen. Ich kann kreischen und durchbrennen. Ich habe alle Möglichkeiten und Fähigkeiten, bin vielseitig interessiert und gelehrt, kann mich sogar irgendwie ausdrücken. Ich kann und darf nachdenken, so viel und so oft ich will und kann und darf. Aber ja, glücklicher bin ich deswegen nicht. Im Gegenteil, ich bin sehr unglücklich.

    Solche Gemeinschaften stabilisieren unsere Gesellschaft. Sie sind zwar intellektuell autark, aber trotzdem einigermassen integriert. Die Gemeinschaft selber domestiziert uns. Sie besänftigt und tröstet. Vor allem der grosse Trost beruhigt. Der grosse Trost, weil unser Leben einen sinnlos dünkt. Sie schenkt Hoffnung, sie nimmt Zweifel. Viele Menschen profitieren. Viele Menschen leben wirklich glücklicher. Sie zweifeln keine Minute. Sie fühlen sich geliebt. Das macht den Unterschied.

    Wir Futuristen aber werden nie geliebt werden. Wir werden immer bloss eine Ahnung, kleine Momente des Glücks und der Liebe kosten dürfen. Momente, die sich rasch verflüchtigen. Diese Momente befeuern unsere Suche und Sehnsucht. Sie provozieren und reizen uns. Wir werden nicht erlöst oder geheilt. Wir werden stattdessen sterben. Weil wir wissen, dass wir auf verlorenem Posten harren. Niemand wird uns je retten. Kein Gott, keine Kirche, keine grosse Spiritualität, die alles entkrampft.


  • Ich bin kein Muschiblog

    Ich möchte mich vor versammelten Leserschaft entschuldigen. Früher sind hier wichtige Themen wie Terrorismus und der Zeichenkrieg besprochen worden. Heute wird bloss noch «abgemuschelt». Das wird sich bald ändern. Ich werde bald in die Ferne flüchten und dort viel Gelassenheit gewinnen. In der Zwischenzeit empfehle ich euch eine Infografik, wer wann die Olympischen Sommerspiele dominierte. Darin gibt’s für alle etwas; für Nazideutschland, für Sowjetunion, für China.

    http://www.nytimes.com/interactive/2016/08/08/sports/olympics/history-olympic-dominance-charts.html?_r=2


  • Liebestäuschungen

    Wenn man verliebt ist, hat man bloss eine «Überlebenschance», so Daniel in Die Möglichkeiten einer Insel, wenn man seine Liebe der Frau, die man liebt, verheimlicht und gewisse Gleichgültigkeit ihr simuliert. Ich hasse das. Ich will das nicht. Denn ansonsten wird man zerdrückt. Viele Männer praktizieren diese Coolness. Auch mir riet man sie schon. Aber ich habe diesen Rat immer ignoriert. Denn ich hasse solche Spiele. Man kann doch einfach ehrlich sein?


  • Heroische Gelassenheit

    Wir müssen feiern, wir müssen einkaufen, wir dürfen uns nicht verstecken, sonst gewinnen die Terroristen. Wir müssen «weitermachen». Wir dürfen uns nicht einschüchtern lassen. Oder so kürzlich in Die Zeit. Mich interessiert’s irgendwie nicht. Ich freue mich auf den Terrorismus.


  • Ohne Liebe kein Leben

    Wir können das Leben nicht verstehen, ohne dass wir die Liebe verstehen. Doch Liebe ist ein Unglück. Sie ist vergänglich. Sie kann kurz und intensiv sein, sie kann sofort und ohne Ankündigung enden. Solange wir danach sehnen, sind wir zumindest lebendig. Aber sobald wir kapitulieren, verlieren wir alles. Wir werden Maschinen. Wir werden irgendwie funktionieren. Uns irgendwie abkämpfen und dabei erkalten.

    Wir können uns mit tausend Sachen entschuldigen, wieso wir nicht lieben können. Weil wir Schmerzen haben, weil wir durch «andere Sorgen» abgelenkt sind. Weil wir arbeiten müssen. Weil wir Rasen mähen dürfen. Wir können vor Liebe flüchten, weil wir uns fürchten. Wir fürchten uns, dass wir abhängig werden. Dass wir verletzlich werden. Dass man mit uns spielt. Dass man uns etwas vormacht. Wir sind so skeptisch, durch Werbung, Film und Kultur korrumpiert, vermeintlich aufgeklärt, dass wir nicht einmal mehr der Liebe vertrauen.   


  • OT-Redaktion saufend

    Das Oltner Tagblatt, also die Jungmannschaft, durfte kürzlich ausgehen und durfte natürlich darüber berichten. Ich möchte auch ausgehen und es Arbeit nennen. Nichtsdestotrotz, ich empfehle euch den Artikel, weil ihr sicherlich die eine oder andere Lokalität wiedererkennt.


  • Wir sind leidenschaftlich

    Wir stürzen, wir übertreiben. Wir lieben. Wir lieben intensiv und ohne Zweifel. Wir geben uns auf, wir verlieren uns. Wir gehen all-in. Wir opfern alles und jeden. Für ein Stückchen Liebe. Für einen Hauch. Für eine Ahnung. Für eine unendliche bishin faustische Sehnsucht. Willkommen.

    Wir sind alle informiert, aufgeklärt, was Liebe ist. Aber dennoch erlegen wir. Wir wiederholen uns. Wir projizieren und interpretieren. Wir fühlen uns endlich wohl und einigermassen satt. Wir konstruieren Erwartungen. Wir enttäuschen, wir werden enttäuscht.

    Doch was treibt und zieht uns immer wieder dorthin? Wieso ist der Schrei nach Liebe so unendlich? Weil wir ADHS sind? Und weil wir dadurch Grenzen erfahren müssen, unsere Sinne überreizen müssen?

    Wenn wir bloss verkokst Küsse als intensiv, tief und aufregend erleben? Wenn wir bloss im Hässlich-Kaputten etwas spüren? Wenn wir jede Beziehung beginnen, als wär’s die erste wie letzte?

    Ich suche bloss Anerkennung. Ich suche bloss Ruhe und Unruhe in einer Beziehung. Ich suche einen Heimathafen. Ich bin entwurzelt, verloren und einsam. Ich möchte aber irgendwo heimkehren können. Das ist für mich Beziehung.

    Ich strapaziere jede Beziehung. Das, weil ich wirklich lebe, als gäbe es kein Morgen mehr. Meine relativ geringe Sparquote symbolisiert diese Einstellung. Ich spare bloss minimalst für ein abstraktes Morgen, für ein abstrakter Gott oder für eine abstrakte Erlösung.

    Ich liebe also auch, als gäbe es kein Morgen. Ich steige hoch hinaus und falle dementsprechend tief. Ich erlebe, ich leide. Ich bin in dieser Hinsicht totaler Futurist. Ich rase mit 200 km/h auf eine Wand. Statt zu bremsen, beschleunige ich.

    Solange ich’s überlebe, ist’s und tut’s gut.


  • Gesellschaftsroman als Kolumne

    Ich möchte gerne in diesem Beitrag meine Kolumne im Stile des kommenden Gesellschaftsromans Oltens konzipieren. Dies, weil ich gerne demnächst öffentlich reüssieren möchte.

    Ich möchte darin Erlebnisse am Abgrund, das, mein und unser Grenzgängertum heroisieren. Ich beschreibe die Entwicklungen und Sorgen totaler Weltsverneiner, die ihr Leben leidenschaftlich wie leidenschaftslos vergeuden. Quasi Futuristen, die auf ein Morgen hoffen, aber wohlwissend, dass es keines gibt. Irgendwie ähnlich wie ein Don Draper sich rechtfertigte:

    I’m living like there’s no tomorrow, because there isn’t one.

    Ich fokussiere Olten, natürlich. Ich erzähle unheimliche Geschichten, kombiniere Figuren ausm Umfeld. Natürlich verbaue ich auch Autobiografisches. Aber wie viel wirklich wahr und real ist, muss nicht entschlüsselt werden. Ich möchte das Leiden, das Sehnen, diese Unendlichkeit, diese Suche, diese Unliebe und Unkultur zusammenfassen, in einige Sätze verdichten. Damit jedermann versteht, wie man ringt, wie man verzweifelt. Weil man ist wie man ist.

    Ich werde unsere Geschichten konservieren. Unser Leiden erklären. Mein Leiden. Ich möchte aufzeigen, wieso wir geworden sind, was wir sind. Und was wir werden möchten. Unsere Träume, Sehnsüchte. Ich möchte kein Das Kleine Lexikon der Provinzliteratur kopieren. Ich möchte kein Houellebecq ausm Pariser ins Oltner Umland verlegen. Ich möchte bloss experimentieren; einen Plot konstruieren, indem ich monatlich Episoden konsolidiere.

    Einige mögen beteuern, sie wollen nicht als Projektionsfläche sich missbraucht und entehrt fühlen. Ich versichere, dass man keine Figur jemals auf eine Person zurückführen lässt. Das verspreche ich. Ich will nicht wie ein Mann mit allen mich verstreiten, bloss weil ich Figuren zu offensichtlich zeichne. Aber ihr habt mich alle bemust. Ich danke. Ich hoffe, ich bemuse auch euch.


  • Arbeit macht krank

    Sage mir, wo du arbeitest und ich sage dir, wer du bist. Sage mir, wo du gearbeitet hattest und ich sage dir, wie es dir ergeht. Wie Berufsarbeit uns brechen kann.

    Ich erleide derzeit, wie ein Arbeitgeber das Leben eines jungen Menschen stört. Wir arbeiten bekanntlich mehr als wir leben. Umso mehr prägt uns das Arbeitsleben. Mehr als uns zuweilen lieb ist. Diese 8.4h pro Tag schneiden sich durch den ganzen Körper. Man kann sie kaum zudecken.

    Gordon Gecko schnaubte einst, dass wer einen Freund suche, einen Hund kaufen solle. Weil, so der Business-Kanon, die Firma keine Wohlfühloase sei. Natürlich muss sie das nicht sein; kein verkünsteltes und überteuertes Wellnesszentrum mit Saunalandschaft und Seezugang. Aber eine Firma muss den Menschen ein Minimum an Würde, Respekt und Anerkennung wahren.

    Weil das sind Grundbedürfnisse und daher auch in den allgemeinen Menschenrechten erklärt. Wenn Exponenten sich nun «aufgeilen», vermeintlich hilflose Menschen konstant zu demütigen und zu schikanieren, empört mich das. Ja. Ich find’s kleinlich, zulasten von Mitmenschen sich selber erbauen zu müssen. Ich meine, ich könnte auch meine Mitmenschen plagen, ich könnte sie in vielen Disziplinen dominieren, sie psychisch in den Wahnsinn treiben. Gewiss bin ich fähig, technisch ausgebildet und leider auch erfahren darin, aber ich tu’s nicht (mehr).

    Weil ich nicht muss. Weil ich Leben leben lassen kann. Ich bin liberal. Ich kann meine Ziele, Träume und so weiter auch anders durchsetzen. Nicht bloss zulasten meiner Mitmenschen. Aber wenn in einer Firma einzelne Exponenten so agieren, obwohl sie überhaupt nicht müssten, beschämt mich das. Eine Firma, wo man nicht mehr zu sagen sicht traut, was man denkt, respektiert den Menschen nicht. Eine solche Firma, obgleich privat geführt, beleidigt den freien Menschen.

    Leider funktioniert unsere Gesellschaft so, dass dort, wo jemand gewinnt, immer jemand verliert. Wir hätten zwar Überfluss; Überfluss an Materiellem, aber auch Immateriellem wie Anerkennung und Respekt. Aber wir können es nicht verteilen, nicht gerecht teilen. Einige häufen alles; beanspruchen alles für sich, als ob die komplette Welt sich um einen drehe. Andere wiederum erhalten nichts, als ob die komplette Welt sich um einen verschwor. Das ist unfair.

    Ich bin immer noch, trotz all den Jahren Resignation, Enttäuschung und Ablehnung und was auch immer ich durchleben durfte, immer noch Idealist. Ich weiss, dass alles sich irgendwie rächt. Dass Rücksichtslosigkeit einen früher oder später einholt. Ich wünsche mir für alle Betroffenen eine späte Genugtuung. Irgendwie. Ich habe ein grosses Bedürfnis, dass alle wissen, dass sie nicht alleine sind. Widerstand soll man leisten.