Mein Pornokonsum

Ich konsumiere Pornografie. Ich befreite Pornografie. Pornografie vereinfacht die Sexualität. Sie redimensioniert sie auf eine blosse Triebbefriedigung. Hast du Lust, dann greife zu, du musst keine Folgen fürchten. Kein Kind überrascht dich, keine Geschlechtskrankheiten überfordern dich. Einfach masturbieren, fertig ist.

Alles, was existiert, existiert als Pornografie. Die Pornografie widerspiegelt die Sehnsüchte der Menschen weltweit. Das Internetz lebt von der Pornografie. Die Pornografie befeuerte seit jeher die Kommerzialisierung und Professionalisierung des Internetzes. Am Anfang war das schlüpfrige Bild, heute sind es komplexe VR-Welten, wo man interagiert.

Die Pornografie ist hochverfügbar. Seit 4G und smarten Lebensbegleiter kann man überall Pornografie abrufen. Ob auf dem Klo im Büro, im Zug, im Bett, auf dem Sessellift. Überall gerade, wo Not ist, lindert die Pornografie. Sie befriedet den Menschen, sie verringert die Wahrscheinlichkeit eines sozialen Aufstandes.

Die Vorlieben sind unterschiedlich geartet. Mit sogenannten Filter kann man das endlose Angebot einschränken. Man kann Vorlieben kombinieren. Wer gerne dunkelhäutige Frauen mag, die einen kleinen Arsch, dafür einen grossen Busen haben, dabei von drei Männern gleichzeitig, aber nicht anal behandelt werden, kann das so konfigurieren und kosten.

Die Pornografie entrückt die Realität einerseits, indem sie gezielt fantastische Vorlieben konstruiert. Andererseits initiiert die Pornografie die Realität, indem sie Authentizität simuliert. Das sind die derzeitigen Trends der Pornografie. Entweder völlig überzeichnet, völlig realitätsfern. Oder völlig authentisch und realistisch und möglich.

Ich bevorzuge das Genre “Amateur”. Das sind vermeintlich authentische Aufnahmen. Die grosse Kunst des Herstellen ist, die Aufnahme möglichst “amateurhaft” wirken zu lassen. Alle Konsumenten wissen zwar, dass die Situation gestellt ist, wollen aber bewusst sich annähern und damit ihre eigene Sexualität vergegenwärtigen.

Ich misstraue bereits im Grunde dem Internetz, der Pornografie weitaus mehr. Seltene Aufnahmen aus einem lokalen Sexting-Skandal sind begehrt und werden in den spezialisierten Foren rasch verbreitet. Die Schweiz hatte hier ihren Migros Ice-Tea Skandal, der nachträglich in einem Spielfilm pädagogisch wertvoll aufgearbeitet wurde.

Die Pornografie begleitet den Alltag der Menschen. Sie ist nichts Verwerfliches. In den schicken Bars der Grossstädte veranstaltet man Porno-Partys, wo Männer und Frauen sich schminken, kleiden und schliesslich verhalten wie vergangene Porno-Stars. Der 70er Pornosound ist legendär und beschallt etliche Popup-Bars.

Die jungen Künstlerinnen, egal ob in Basel oder Zürich, reklamieren einen selbstbewussten Porno-Konsum. Sie fordern mehr weiblichen Porno, den sie sogleich selber an Vernissagen produzieren. Das erschreckt niemanden mehr. Selbst Michaela Schaffrath ist als Schauspielerin respektiert.

Mittlerweile können Paare offen ihren Pornokonsum austauschen. Der Umgang hat sich entkrampft. Man kann auch gemeinsam Pornos schauen und damit sich stimulieren. Es ist heutzutage viel ungewöhnlicher, das nicht zu tun, weil man nicht muss. Es sind sonntägliche Tischgespräche über die Vorlieben denkbar.

Porno ist so normal geworden. Darunter leidet die Pornoindustrie selber. Die grossen Häuser sind grösstenteils verschwunden. Pornografie ist eine Massenware, weltweit verfügbar, rasch fabriziert. Man muss den Stoff nicht mehr in Illegalität beschaffen. Man kann einfach eine URL eintippen und ist versorgt.

Mein Konsum schwankt. Manchmal bin ich abhängig, manchmal kann mich nichts begeistern. Derzeit klicke ich lustlos durch mein Genre. Ich reibe meinen Penis, mehr mechanisch als enthusiastisch. Ich praktiziere, weil ich gewohnt bin, dass ich muss. Und nicht, weil ich will.

Weitaus effektiver ist derzeit das sogenannte Kopfkino. Ich kann meine Augen schliessen, mich zurücklehnen und überraschen lassen, was mein Kopf mir heute zeigt. Es sind meistens kurze Aufnahmen, die aber endlos sich wiederholen. Ich kann nicht wirklich etwas wählen, sondern bin ausgeliefert.

Diese kurzen Aufnahmen lassen mich schnell anschwellen. Sobald ich meine Augen öffne, verliere ich meine Errektion innert wenigen Sekunden. Das ist sehr stark ans Kopfkino gekoppelt. Der Kopf ist wohl weiterhin das primäre Sexualorgan. Und so bin ich eigentlich froh, trainiere ich meinen Kopf statt meine händische Mechanik.