Die Pandemie und globale Chipkrise beweisen, dass das die Politik nicht bloss der Wirtschaft dient, sondern gelegentlich auch wieder ganz cäsaristisch triumphieren kann. Dass alleine ein langweiliger Bundesrat hierzulande als Diktator beschimpft werden muss, zeigt, wieweit die Politik erneut durchdringen kann.
Gewiss existieren auch willkürliche, weil diktatorische Systeme wie dasjenige Chinas, wo die Wirtschaft stets der Interessen der Partei sich unterordnen muss. Dort ist die Diskussion eine gänzlich andere – aber eine, die ich bloss aus Sekundärquellen verfolgen kann, weil der Sprache nicht mächtig.
Das motiviert uns hierzulande, erneut und abermals den Untergang des Abendlandes zu beschwören. Frei nach Spengler ist unsere «Kultur» ohnehin längst erloschen, in einer «funktionalen» und «blutleeren» Zivilisation aufgehoben, die bloss noch für Baisse und Hausse der Finanzzentren sich zu begeistern vermag.
Gleichzeitig beschwört die grüne Welle einen Regionalismus, um das Klima nicht weiter zu belasten. Der primäre Identitätsanbieter ist die Region, das Quartier, das Viertel, die Agglomeration oder schliesslich ganz schweizerisch der Halbkanton. Für einen Stadt-Basler ist Bern, ist die Schweiz eine emotionale Weltreise.
Ich kokettiere gelegentlich auch mit meinem derzeitigen Wohnort; es ist 4058. Ich meide 4046, 4053, 4054 sowieso – mit 4057 kann ich mich anfreunden knapp, weil benachbart. Ironische Wasserschlachten auf Rheinbrücken küren diesen Narzissmus der kleinen Differenz, der insbesondere angesichts der Weltsituation notwendig ist.
In meinem Umfeld identifiziere sich einzelne mit der Nationalität – mit der Schweiz als Willensnation, obgleich sie kaum nationale Symbole hat, weil Roger Federer auch nicht mehr so häufig spielt. Selten identifiziert sich jemand als Europäer, noch seltener als Angehöriger einer kalten Zivilisation namens der Westen.
Unsere Zivilisation ist global, manche wehren sich dagegen, andere konstruieren derweil ein Gegenmodell. Zeitlang waren wir überzeugt, dass unsere Zivilisation alternativlos sei. Seit die Zwillingstürme fielen, begannen wir zu zweifeln. Ist die westliche Zivilisation weiterhin der unbestrittene Hegemon der Welt?
Der beispiellose Aufstieg Chinas demonstriert, dass das westliche Modell nicht ganz alternativlos sei. China konnte bereits in Hongkong siegen. Die westliche Zivilisation konnte sich gleichzeitig aus Afghanistan befreien, der wohl bislang teuersten Mission mit fragwürdigem Ausgang.
Die nächste Entscheidung verortet man gemeinhin an der Strasse von Taiwan. Ist die westliche Zivilisation fähig und/oder willens, die demokratische Inselrepublik zu schützen? Eine andere Herausforderung ist es es, die westlichen Rüstungsausgaben zu harmonisieren.
Die grossen europäischen Staaten haben im 2020 ungefähr 200 Milliarden Dollar ins Militär investiert. Das ist beinahe so viel wie China – oder ein Drittel der USA. Doch der Effekt dieser Ausgaben ist marginal, weil jede Nation einzeln in die Breite wie in die Tiefe rüstet, naturgemäss überschneiden sich die Vorhaben der Nationen.
Für einen Beobachter ist das katastrophal. Entweder investiert man diese 200 Milliarden angemessen – oder stattdessen in Bildung und Soziales und begreift sich als Athen des Westens. Ohnehin sind Militärausgaben sinnlos, sofern sie national begründet sind. Das einzige, was ich tolerieren könnte, sind orbitale Verteidigungswaffen gegen Kometen.
Daher empfinde ich eine Konsolidierung der westlichen Militärausgaben als Chance, die westliche Zivilisation zu einen – die EU ist dabei der einzige ernstzunehmende Experiment in dieser Hinsicht. Mittelfristig ist ohnehin bloss ein geeintes Europas realistisch. Allerdings könnte China auch eine grössere Vereinigung provozieren.
Ich glaube, die westliche Zivilisation ist kurz vorm endgültigen Durchbruch und damit meine ich die endgültige Vereinigung der Nationen zu einer digitalen Weltdemokratie mit einem bedingungslosen Grundeinkommen, das in Bildung und Aufklärung investiert und die Natur schont.
Dies, weil die westliche Zivilisation seit Jahrzehnten nicht mehr ernsthaft herausgefordert wurde. Der Terrorismus der 00er war bloss ein symbolischer Widerstand und hatte die Zivilisation niemals gefährdet. Doch nun ist die westliche Zivilisation existenziell bedroht. Sie muss sich notgedrungen weiterentwickeln.
Allerdings ist das Volk noch mit den Zertifikaten beschäftigt hierzulande. Eine Westintegration wie EU-Beitritt ist in der Schweiz politischer Selbstmord. Eine Europäische Armee wird zwar gelegentlich diskutiert, aber rasch wieder vergessen. Grossbritannien versucht sich als unabhängiger Glücksritter. Die USA taumeln.
Hoffentlich unterstützt uns China bald unfreiwillig. Mit Genugtuung las ich jüngst die Meldung, dass China abermals den Luftraum Taiwans verletzt haben soll. Das macht Lust auf mehr und ermuntert mich. Freuen wir uns auf eine baldige Eskalation und auf eine Veränderung der Gesamtsituation.