Zeit ist relativ. Denn die Geschwindigkeit, mit der man sich bewegt, verlangsamt die Zeit. Umso schneller man ist, umso langsamer scheint die Zeit. Hat also, wer hastet, die meiste Zeit? Bedeutet Unruhe Ruhe?
Wer achtsam lebt, hat die meiste Zeit – alles scheint intensiver, lebendiger und kann besser memoriert werden. Wer bloss durch den Alltag trottet, morgens aufsteht, abends spät erschlagen heimkehrt, schafft keine Zeit – er wird sich nicht erinnern. Er wird alles vergessen, die Tage verschwimmen, werden gleichförmig und unbedeutend, weil austauschbar.
Ich kann mich derzeit nicht mehr erinnern, ob Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag oder Freitag war. Selbst Wochenende zerrinnen. Ich wiederhole mich bloss. Tagsüber bin ich in einer Rolle gefangen, beruflich bin ich quasi ein Clown. Ein unendlich trauriger Clown. Ich hebe die Stimmung, erheitere und motiviere Teams, wo eigentlich nichts mehr zu retten ist.
Dazwischen bastle ich an meinen Servern, probiere und versuche neue Services einzurichten, die mindestens ich oder idealerweise jemand anderes nutzen könnte. Ich investiere regelmässig in weitere Hardware. Die Serverfarm wächst und gedeiht. Sie wird kontinuierlich überwacht.
Einmal wöchentlich will ich mich betrinken, allen im Beruf angesammelten Schmutz wegspülen, für einige Stunden blödeln und trollen. Damit schaffe ich aber auch keine Erinnerungen. Im Gegenteil, aufgrund des Alkohols erinnere ich mich überhaupt nicht. Ich leide bloss unter den Nachwehen.
Momentan zerrinnt mir die Zeit und das Leben. Selbst Arztbesuche, wo ich belehrt, aufgeklärt oder gemahnt werde, können den Trott nicht unterbrechen. Diese Moralisierungen perlen ab. Ich dämme einfach weiterhin vor mich hin. Ich verliere die Wahrnehmung meiner Zeit. Ich weiss bloss, dass sie abläuft.
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