Meine mangelnde Mobilität

Die Schweiz beschränkt meine Mobilität. Weil sie so kleinräumig ist. Wer in Olten lebt, kann in diversen Lebenswirklichkeiten sich verwirklichen. Ich kann problemlos in Zürich arbeiten, in Bern feiern und in Basel lieben. Und ich kann gleichzeitig in Olten eine secure base festigen, wo ich mich zurückziehen kann.

Ich muss mich nicht total entscheiden, entweder einem Beruf oder einer Liebe oder einem Studium bedingungslos zu folgen. Ich kann alle Ziele gleichzeitig vom selben Ort erfüllen. Ich kann mich gleichzeitig in unterschiedlichsten Kreisen bewegen und interagieren. Ich kann diese Kreise wie bei G+ sogar überschneiden lassen.

Das hat Vorteile. Das macht mich multifunktionaler, multipotentialer. Das macht mich flexibler und anpassungsfähiger. Das macht mich agiler. Agiler leben. Aber das hat auch Nachteile. Ich werde weniger mit dem Unbekannten konfrontiert. Ich war noch nie herausgefordert, ein komplett neues Leben in einer komplett fremden Stadt zu etablieren.

Weil ich muss mich weniger behaupten, weil ich alle Lebenswirklichkeiten jederzeit konsumieren kann. In Deutschland hingegen schwärmt die Jugend nach dem Abitur quer durchs Land. Und rotiert nochmals für den ersten Beruf. Die Menschen konsolidieren sich in den gross-attraktiven Zentren.

In der putzigen Schweiz allerdings können Bekannte in Zürich wohnen und sind weiterhin gute Bekannte, weil stets zugänglich und erreichbar. Vor allem und insbesondere aus einer privilegierten Oltner Perspektive. Niemand ist gezwungen, einen komplett neuen Bekanntenkreis zu schaffen.

Was verursacht diese mangelnde Mobilität in und mit mir? Sie versprüht eine gewisse Gemütlichkeit und Entspanntheit. Sie beruhigt mich. Sie stabilisiert meine Beziehungen. Sie hemmt meinen Reisedrang. Aber gleichzeitig verringert sie meine Wettbewerbsfähigkeit. Weil trotz all dem ich weiterhin in Olten mich konzentriere.

Und hier habe ich meinen lokalen Benchmark. Der kann den Effekt meines bedingungslosen Aufstiegswillens schmälern, weil ich mich bloss mit einem kleinen Ausschnitt der Welt und des Möglichen vergleichen kann. Statt dass ich mich mit die volle Härte der Potentiale aller Gleichartigen auseinandersetzen müsste.

One thought on “Meine mangelnde Mobilität

  1. […] alle Männer wollen nach Olten konkurrieren, nicht alle tummeln sich im Coq d’or. Darüber schrieb ich bereits jüngst einen Beitrag. Das Thema beschäftigt mich dermassen, dass ich mich heute […]

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